VZ NRW rügt irreführende Verkehrsbezeichnungen
Ernährung
Verkehrsbezeichnungen brauchen Spürsinn der Verbraucher
Wer Prosecco-Schinken, Ziegenkäse oder Kalbswiener kauft, muss mit einem guten Spürsinn oder hellseherischen Fähigkeiten ausgestattet sein. Das meint die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, die sich die Verkehrsbezeichnungen der Produkte angeschaut und mit der Zutatenliste verglichen hat. So kann Ziegenkäse überwiegend aus Kuhmilch hergestellt sein und bei Kalbswiener reichen 15 Prozent Kalbfleisch für den Namen des Produktes aus.
Dabei ist die Verkehrsbezeichnung der offizielle Name des Produktes und soll die Verbraucher über den Inhalt informieren. „Die verbindlichen Bezeichnungen werden auf den Lebensmitteln jedoch häufig von Phantasienamen und Übertreibungen überlagert und zudem klein und unscheinbar an die Seite gedrängt“, beklagt die Verbraucherzentrale. „Ohne Drehen und Wenden sollten Verbraucher sofort erkennen können, welches Produkt sie in den Händen halten.“
Tipps der Verbraucherzentrale
Sinn und Zweck von Verkehrsbezeichnungen: Die offizielle Produktbezeichnung muss auf der Verpackung angegeben sein: Sie soll darüber informieren, was eigentlich in der Packung steckt. Auf diese Weise sollen Kunden Fruchtsaft von Nektar oder Käse von Schmelzkäse unterscheiden können. Für einen Teil der Lebensmittel ist die Verkehrsbezeichnung gesetzlich vorgeschrieben. So ist laut Käseverordnung definiert, welcher Käse als „Camembert“ bezeichnet werden darf. Die Butterverordnung gibt vor, was „Deutsche Markenbutter“ ist. Die Konfitürenverordnung unterscheidet „Marmelade“ von „Konfitüre“. Fehlen gesetzliche Vorgaben, werden Lebensmittelprodukte entweder nach allgemeinen Verkehrsauffassungen als „Schinken“ oder „Vollkornbrot“ benannt. Vielfach wird die Beschaffenheit der Produkte auch in besonderer Weise beschrieben.
Schöner Schein überdeckt klare Angaben: Kaufanreizauslösende Bezeichnungen wie etwa „Erdbeertraum“ oder „Latte fantastico“ geben jedoch nicht genau genug Auskunft darüber, welche Zutaten in dem jeweiligen Produkt eigentlich verarbeitet wurden. Meist auf der Rückseite des Produkts entpuppt sich der „Erdbeertraum“ als Milchmischgetränk aus Magermilch mit Erdbeergeschmack. Und der „Latte fantastico“ ist schlicht ein löslicher Bohnenkaffee mit Kaffeeweißer und Rohrzucker.
Erst die Zutatenliste bringt Wahres zutage: Wer sich nicht von Phantasienamen, Übertreibungen und Hochglanzabbildungen blenden lassen will, wird erst beim genauen Studium der Zutatenliste über den wahren Inhalt einer Packung, Flasche oder Dose informiert. Etwa beim „Gemüseeintopf“ verraten erst die Zutaten mit ihren Anteilen, wenn sich mehr Salz als Gemüse in der Suppe befindet.
Aufgespürtes zu klein und zu blass: Laut Gesetz muss die Verkehrsbezeichnung im gleichen Sichtfeld wie das Mindesthaltbarkeitsdatum, die Füllmenge und – falls enthalten – die Alkoholmenge angegeben sein. Doch häufig führen die Pflichtangaben zu den Inhaltsstoffen eines Lebensmittels ein Schattendasein auf der Rück-, Unter- oder der schmalen Seite der Verpackung. Winzige Schrift und fehlende Farbkontraste tragen zudem vielfach dazu bei, dass die Angaben schwer zu finden und zu lesen sind.
Empfehlung für Verbraucher: Kunden, die sich von der Bezeichnung und Aufmachung eines Lebensmittels getäuscht fühlen, können das Produkt unter www.lebensmittelklarheit.de im Portal der Verbraucherzentralen oder direkt bei der Verbraucherzentrale NRW melden.
Verbesserung nur in Einzelfällen
Gerade das Portal Lebensmittelklarheit hat bereits einige positive Zwischenmeldungen verzeichnen können. Doch auf Nachfrage von Herd-und-Hof.de bei der VZ NRW sind die Einzelfälle alles andere als eine breite Trendumkehr. Eine Sprecherin der Verbraucherzentrale in Düsseldorf sagte, die meisten Angaben finden sich immer noch auf der Rückseite der Verpackung in zu kleiner Schrift.
Grundsätzlich wird über die Änderung der Lebensmittelbuchkommission debattiert. Dort sind auch die Verbraucherzentralen vertreten und könnten die Leitsätze im Lebensmittelbuch verbraucherfreundlicher formulieren. Doch zunächst geht es um die Änderung des Vetorechtes. Jede Gruppe kann Vorschläge mit einem einfachen Veto blockieren. Das aber ist noch eine langer Weg.
Lesestoff:
Die VZ BRW hat eine Broschüre über die Verkehrsbezeichnung zusammengestellt. Sie ist kostenfrei unter www.vz-nrw.de -> verkehrsbezeichnung einzusehen
Roland Krieg / VZ NRW