vzbv will klare Regeln für Nahrungsergänzungsmittel
Ernährung
Nahrungsergänzungsmittel sorgsam einsetzen
Weil 35 Prozent der Menschen Nahrungsergänzungsmittel kaufen, ist in Deutschland ein Markt mit einem Umsatz von über einer Milliarde Euro entstanden. Das entspricht einem jährlichen Verkaufsvolumen von rund 177 Millionen Verpackungen, sagte Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband, zum Start der Grünen Woche in Berlin. Ein Erfolg für den Verkauf von Spezialpräparaten und mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherten Kapseln, Dragees und Pillen.
Grundsätzlich braucht in Deutschland niemand Nahrungsergänzungsmittel zu sich zu nehmen, erklärte Prof. Dr. Helmut Heseker vom Institut für Ernährung, Konsum und Gesundheit der Universität Paderborn. Eine ausgewogene Ernährung versorgt die Menschen mit allen Mineralstoffen und Vitaminen. Wirklich Sinn mache eine Ergänzung nur für Säuglinge im Bereich von Vitamin D gegen Rachitis, bei Schwangeren mit Folat zur Verhinderung von Neuralrohrdefekte und individuellen Defiziten nach Rücksprache mit dem Arzt. Für alle anderen bestehe eher das Risiko der Überversorgung.
Wie groß das Risiko ist, hat die Verbraucherzentrale am Beispiel von Magnesiumpräparaten aufgezeigt. 64 Prozent der Produkte sind überdosiert. Die empfohlene Tagesmenge von Mg beträgt 250 mg in Nahrungsergänzungsmitteln. Der Durchschnitt lag aber bei 423 mg. Ab 300 mg kann es zu Durchfällen und Magen-Darm-Beschwerden kommen. Der gefundene Spitzenwert lag bei 1.163 mg.
Das liege vor allem an fehlenden Regeln. Die Verbraucherschützer fordern daher eine Höchstmengenregelung, eine Positivliste, bis zu deren Ausgestaltung ein nationales Zulassungsverfahren eingerichtet werden muss. Für das Auftreten unerkannter Nebenwirkungen soll eine Meldestelle eingerichtet werden.
Besonders ärgerlich sind die Grauzonen. Der Apfel ist ein natürliches Lebensmittel, während seine Inhaltsstoffe auch in anderer Form verkauft werden können. Dabei gibt es rechtlich klare Vorgaben bei Arzneimitteln, für Nahrungsergänzungsmittel allerdings nicht. Diese werben für sich allerdings oft mit verbotenen Gesundheitsversprechen, die nach der Health Claims Verordnung verboten sind. Selbst in Apotheken werden solche Produkte verkauft und als Arzneimittel angeboten. Besonders groß ist die Gefahr bei Produkten aus dem Internet [1].
Als Soforthilfe hat die Verbraucherzentrale das Internetprotal www.klartext-nahrungsergaenzung.de freigeschaltet, auf dem Experten auch Verbraucherfragen beantworten.
Einer der neueren Trends in der Ernährung ist die personalisierte Ernährung. Nach genetischer Analyse und speziellen Lebensgewohnheiten können sich Menschen schon eine Diät zusammenstellen, die ihren eigenen Bedürfnissen entspricht. Da könnten Nahrungsergänzungsmittel durchaus eine Rolle spielen. Deshalb will die Verbraucherzentrale die Präparate nicht verbieten. Dr. Heseker sieht darin sogar einen Vorteil, weil Substrat und Dosis gezielt Anwendung finden. Die aktuelle Situation allerdings verführt zu sorglosem Gebrauch mit der Gefahr einer Überdosierung und unsinnigen Nutzung durch gesunde Menschen.
Nach einer Studie des Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) aus dem letzten Jahr ist Magnesium die häufigste Ergänzung in Deutschland. Auch die Studie der ArbeitsgruppeNahrungsergänzung (AK NEM) im BLL fand heraus, dass bei Magnesium Überschreitungen stattfinden. Meist nehmen die Verbraucher nur ein Präparat zu sich. Knapp 20 Prozent der Befragten nahmen auch zwei. Der BLL begrüßt wissenschaftlich fundierte Informationen. Der AK NEM hat bereits früh gerade auf die Gefahr von Produkten aus dem Internet hingewiesen. Werden die Produkte nach den gesetzlichen Bestimmungen hergestellt sind sie sicher, heißt es in einem Positionspapier aus dem Jahr 2012. Verbraucher sollen sich vor der Einnahme im Zweifelsfalle beim Arzt informieren und an die Verzehrshinweise halten.
Lesestoff:
Anfang des Monats hat das BVL vor gefährlichen Substanzen in Schlankheitsmitteln gearnt: https://herd-und-hof.de/ernaehrung-/gefaehrliche-schlanksheitsmittel.html
Roland Krieg
[Sie können sich alle Artikel zur Grünen Woche 2017 über die Suche mit dem Kürzel "IGW-17" heraussuchen]