Was ernährt die Welt?
Ernährung
Kann „bio“ die Welt ernähren?
Das Ziel ist groß: Alle künftig neun Milliarden Menschen ausreichend und gesund zu ernähren. Dennoch wird das Millennium-Entwicklungsziel, die Zahl der Hungernden bis 2015 zu halbieren zu wollen, verfehlt. Neben einer Milliarde Menschen die hungern, gibt es sogar noch mehr, die übergewichtig sind. Die Welt zu ernähren soll nach Auskunft von Experten kein Problem der Biomasse sein, sondern der Verteilung. Oft verhungern Menschen vor vollen Getreidespeichern, weil sie sich die Nahrung nicht leisten können. Zur BioFach diskutierten Experten, ob der ökologische Landbau eine Chance bietet, das Problem zu lösen.
Verschiedene Ansätze
Maria Rodale, Autorin des Buches „Organic
Manifesto. How
organic farming can heel our planet, feed the world and keep us safe“ vertritt
einen holistischen Ansatz. Das Problem der
Welternährung ist nicht damit zu lösen, dass den Hungernden Nahrung gegeben
wird. Gesundheit, Umwelt und Nahrung sind nur Teil eines komplexen Ansatzes aus
Politik und Chancengleichheit.
Moses Kiggundu Muwanga, Koordinator der
Ökolandbau-Vereinigung in Uganda sieht in der Stärkung der Kleinbauern den
Schlüssel zur Entwicklung der Haushalte. In den Schwellen- und
Entwicklungsländern dominieren die Kleinbauern, bei denen Lösungen ansetzen
müssen. Schließen die sich zusammen, dann steigen die Erträge schon um das
drei- bis vierfache. Die Bauern bekommen eine Ausbildung, tauschen Erfahrungen
aus, sind motivierter und können sich Märkte für ihre Produkte erschließend.
Eine Lanze für die Tierproduktion brach Dr.
Christian Hülsebusch, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Tropische und
Subtropische Landwirtschaft (DITSL). Der Kuh ist derzeit in Deutschland nicht
das populärste Nutztier, weil ihr ein Großteil an Emissionen zugeschrieben
werden. vor allem fürchten Umweltschützer die zusätzlichen Emissionen, die aus
einem Anstieg des Fleischverzehrs entstehen, der in den Entwicklungs- und
Schwellenländern mit steigendem Einkommen zu beobachten ist. Nach Dr.
Hülsebusch ist das in der Tat ein Trend, der nicht in den Griff zu bekommen
ist. Man könne das nicht ändern, aber besser machen. Zur Verdeutlichung
verglich er Kühe und Schweine als Monogastrier mit Maschinen. Die Kuh stelle
aus Grasland viel Protein her. Schweine und Geflügel stellen aus viel Protein
wenig Protein her. „Welche Maschine würden sie kaufen“, fragte Hülsebusch.
Schließlich dürfe man in der Diskussion
nicht vergessen, dass die meisten Kühe in Nordamerika und Europa stehen. Werde
von hier aus über eine Reduktion der Rinderhaltung nachgedacht, dann nehme man
den Kleinbauern in den Entwicklungsländern ihr Sparguthaben und
Lebensversicherung weg. Notwendiger sei es, über die Mobilität in Europa
nachzudenken, als über die Rinderhaltung in den Entwicklungsländern.
Wer ernährt die Welt?
Nach Bioland-Präsident Thomas Dosch ist die
Frage, wer die Welt ernährt, nicht richtig gestellt. Oft werde proklamiert,
dass der Süden seine Märkte öffnen müsse damit der Norden Nahrungsmittel und
Technik exportieren kann. Das löse das Hungerproblem. Dem sei aber nicht so.
Die Hungernden müssen in die Lage versetzt werden, sich selbst zu ernähren. So
müsse zwar für neun Milliarden Menschen mehr Nahrung produziert werden, doch
Dosch hinterfragt, wer dafür zuständig ist. Nach Moses Muwanga haben die
Südländer keine Angst, nicht genug Nahrungsmittel zusammen zu bekommen. Sie
fürchten eher die Art der Herstellung. Je nach regionaler Situation müsse es
angepasste Lösungen geben.
Die Nordsicht werde durch eine große
PR-Strategie bei den Bauern verbreitet, erklärte Autorin Rodale. Die
amerikanischen Farmer glauben die Aussagen der Agrarindustrie, dass sie die
Welt ernähren müssen und steigern daher die Erträge. Hier werde mit der Emotion
„Angst“ gespielt – und die sei ein starker Treiber für Aktionen.
Männer sind die Bauern, die im Süden cash
crops für den Export anbauen, während Bäuerinnen die Aufgabe übernehmen
Grundnahrungsmittel und Obst und Gemüse für die Familie zu erzeugen. Nach
Thomas Dosch passe das zu seiner Beobachtung, dass im Norden die Agrarpolitik
von den Bauern betrieben werde, die beim Traktor auf die größten Hinterräder
achten.
Keine Alternative
Nach Hülsebusch werden sich viele Fragen
künftig von selber regeln, wenn die fossilen Ausgangsstoffe zu Ende gehen. Dann
gibt es keine mineralischen Dünger und Pflanzenschutzmittel mehr. Die
Hochtechnologie wird sich niemand mehr leisten können und der Ökolandbau wird
mit seinen relativen Vorzüglichkeiten innerhalb der vorhandenen Ressourcen
wirtschaften zu können, das Mittel der Wahl sein – „Alternativlos“, wie er
hinzufügte.
Dr. Martin Bröckelmann-Simon, Geschäftsführer
von Misereor, hob die Diskussion auf eine andere, nicht-landwirtschaftliche
Ebene. Man werde die Kette „Wachstum gleich Wohlstand gleich Wohlergehen“
durchbrechen müssen. Im Überfluss weniger zu konsumieren sei kein Verzicht.
Optimismus verbreitet Maria Rodale. Im Vergleich zu früheren Veränderungen wie
dem Feminismus, dem Ende der Sklaverei oder der Kampf um die religiöse
Freiheit, habe die derzeitige Diskussion um einen Wertewandel zu einer
ressourcenschonenden Wirtschaft in kürzerer Zeit viel mehr erreicht.
Roland Krieg
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