Was ist „ohne Gentechnik“?
Ernährung
Probleme mit der Kennzeichnung „ohne Gentechnik“
Viele Verbraucher lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel ab und bevorzugen stattdessen Produkte, die frei von jeglichen „künstlichen“ Eingriffen sind. Die seit 2009 durch das EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz geregelte Kennzeichnung gentechnikfreier Erzeugnisse wird von Herstellern entsprechend gezielt zur Abgrenzung im Wettbewerb genutzt. Wissenswertes zur „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung erfuhren die Teilnehmer der Fresenius-Praktikertagung „Analytik & QS“, die sich dieses Mal im Schwerpunkt mit diesem Thema beschäftigte, vom 22. bis 23. Oktober 2014 in Köln.
Was ist „ohne Gentechnik“?
Auf der Konferenz wurden die wichtigsten Fakten zum Thema „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung von Dr. Ulrich Busch (Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) vorgestellt. In § 3 EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz (EGGenTDurchfG) sei festgelegt, dass nur solche Produkte die Kennzeichnung führen dürften, die keine gentechnisch veränderten Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten gemäß den EU-Verordnungen 1829 bzw. 1830/2003 enthielten, begann er. Ebenso tabu für die Kennzeichnung sei die Anwendung von Verarbeitungshilfsstoffen, Enzymen oder Vitaminen, die durch gentechnisch veränderte Organismen hergestellt wurden. Im Zusammenhang mit Lebensmitteln tierischer Herkunft erklärte Busch, dass genetisch veränderte Futtermittel innerhalb festgelegter Zeiträume vor Gewinnung des letztendlichen Lebensmittels keine Anwendung finden dürften, wenn die Produkte als gentechnikfrei deklariert werden sollen. Die besagten festgelegten Zeiträume variieren dabei je nach Tierart zwischen sechs Wochen (Geflügel für die Eiererzeugung) und zwölf Monaten bzw. mindestens drei Vierteln des jeweiligen Tierlebens (Equiden und Rinder für die Fleischerzeugung). Abseits dieser Regelung seien allerdings zufällige oder technisch unvermeidbare Beimengungen in Futtermitteln bis zu 0,9 Prozent sowie der Einsatz von Futtermittelzusatzstoffen und Tierarzneimitteln einschließlich Impfstoffen, die mit Hilfe gentechnischer Verfahren hergestellt wurden, auch bei der „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung erlaubt, so Busch. Er betonte, dass die Kennzeichnung grundsätzlich eine freiwillige Angabe sei und der Inverkehrbringer entsprechend selbst entscheiden könne, ob ein Produkt diese tatsächlich tragen solle oder nicht.
Entscheide er sich dafür, müsse er aber in jedem Fall belegen können, dass sein Produkt die Voraussetzungen hierfür erfülle, unterstrich der Experte. Möglich sei dies etwa über verbindliche Erklärungen von Zulieferern, Begleitdokumente oder Analysenberichte. Generell sei der Lebensmittelunternehmer für die Kennzeichnung eines Produktes verantwortlich, führte Busch weiter aus, jedoch unterliege die Überprüfung und Einhaltung der Vorgaben eines freiwilligen Siegels privatrechtlichen Vereinbarungen. Im Fall der „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung - der einzige Wortlaut, der gemäß EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz überhaupt verwendet werden darf - sei die Lebensmittelüberwachung hierfür zuständig.
Hohe Vielfalt bei Kennzeichnung
Seit August 2009 gibt es ein offizielles „ohne Gentechnik“-Logo, das als Warenzeichen rechtlich geschützt ist und den Wiedererkennungswert gentechnikfreier Produkte erhöhen soll. Interessierte Firmen, die das Logo für ihre Produkte nutzen wollen, können sich an den Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e.V. (VLOG) wenden, dem im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft die Vergabe und Verwaltung der Nutzungslizenzen obliegt. Busch wies darauf hin, dass neben dem offiziellen Logo derzeit auch noch andere, firmenspezifische sowie unterschiedlichste Arten der Auslobung (z.B. „gentechnikfrei erzeugt“ oder „frei von Gentechnik“) im Umlauf sind. Der Hinweis „ohne Gentechnik“ werde dabei von einer großen Bandbreite an Firmen, von Bio-Betrieben über Käse- und Molkereien bis hin zum konventionellen Einzelhandel, für die Werbung eingesetzt, so Busch. Besonders häufig erfolge bislang die Auslobung von Bio-Produkten als gentechnikfrei. Trotz der vorhandenen Vielfalt an Logos und Auslobungen setze sich der korrekte Wortlaut "ohne Gentechnik" immer mehr durch, ergänzte der Experte. In der amtlichen Überwachung habe man festgestellt, dass zwischen 2011 und 2013 bereits mehr als 75 Prozent der Proben diesen verwendeten, so Busch. Zwischen 2008 und 2010 lag dieser Wert noch bei knapp 63 Prozent.
Problematisch: „ohne Gentechnik“ entspricht nicht immer den Tatsachen
Trotz Auslobung gebe es immer wieder Fälle, in denen gekennzeichnete Produkte Gentechnik-Spuren aufwiesen, fuhr Busch fort. Allerdings seien diese durchweg so gering gewesen, dass sie selbst bei der Auslobung "ohne Gentechnik" toleriert werden konnten. Ein weiteres Problem der "ohne Gentechnik"-Kennzeichnung bestehe zudem darin, dass zum Teil Werbung mit Selbstverständlichkeiten gemacht werde, in denen die Kennzeichnung dazu geeignet sei, den Verbraucher zu täuschen, so Busch. Der Tatbestand der Irreführung könne beispielsweise bei Bier erfüllt sein, das mit der „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung wirbt und damit den Eindruck erweckt, andere Biere seien gentechnisch verändert - nach dem deutschen Reinheitsgebot ist dies jedoch grundsätzlich ausgeschlossen.
Beprobung: Repräsentativität muss gewährleistet sein
Im Anschluss an Busch wandte sich Hans-Ulrich Waiblinger (Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg) speziell den analytischen Fragen der „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung zu. Aus Sicht der Überwachung sei es besonders entscheidend, ausreichende und repräsentative Probenmengen erhalten zu können, betonte er. Für die Beprobung sei dabei ein frühes Stadium in der Produktionskette oft besonders effektiv, da dann zum Beispiel die Analytik bei pflanzlichen Rohmaterialien zumeist gute Ergebnisse liefere. Die derzeitige Übereinkunft für eine repräsentative Beprobung bei gentechnischen Untersuchungen liege bei mindestens 10.000 Partikeln pro Laborprobe, erklärte Waiblinger.
Dies entspreche z.B. zwei Kilogramm Sojabohnen oder drei Kilogramm Mais. Ein Anteil von 0,03 Prozent gentechnisch veränderter Körner könne noch mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, sofern eine homogene Verteilung der Verunreinigung vorliege, so Waiblinger weiter. Jede Anwendung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) im Verlauf eines Herstellungsprozesses löse eine Kennzeichnungspflicht aus, ergänzte er. Die analytische Nachweisbarkeit sei hierfür nicht allein maßgeblich. Eine Quantifizierung erfolge mittels real-time PCR, bei der die Menge neu eingefügter (transgener) DNA im Verhältnis zu Referenzgenen der jeweiligen Spezies betrachtet werde. Entscheidend sei dabei die praktische Nachweisgrenze, das heißt der Anteil genveränderter DNA an der Gesamt-Spezies-DNA, welche je nach Zutat bzw. Rohstoff unterschiedlich ausfalle.
Botanische Verunreinigungen und tierische Lebensmittel: Wie behandeln?
Ein gesondertes Thema in der Überwachung stellen botanische Verunreinigungen in Lebensmitteln (z.B. Raps in Senf) dar. Treten diese auf, greift prinzipiell eine Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht für die betreffenden Produkte. Waiblinger betonte, dass davon auszugehen sei, dass eine Verunreinigung zufällig oder technisch unvermeidbar ist, wenn der Anteil der Spezies, welche genveränderte Anteile enthalte, weniger als 0,1 Prozent betrage. Im Hinblick auf die Analytik bedeute dies, dass zunächst der Anteil der Spezies im Erzeugnis abgeschätzt werden müsse. Im Hinblick auf Lebensmittel tierischer Herkunft erläuterte Waiblinger, dass bei diesen keine analytische Überwachung im Endprodukt möglich sei. Als Ansatz könne deshalb nur die stichprobenartige Rückverfolgung bis zum Erzeuger oder Futtermittelhersteller dienen. Dort würden dann die gängigen Futtermittel (Soja, Mais, Raps) beprobt. Für eine funktionierende Überwachung müsse deshalb ein Informationsaustausch zwischen Futtermittel- und Lebensmittelüberwachung stattfinden. Abschließend wies der Experte darauf hin, dass demnächst ein bundesweiter Leitfaden zur Kontrolle gentechnischer Veränderungen in Lebensmitteln verfügbar sein wird.
Lesestoff:
Die Tagungsunterlagen mit den Skripten aller Vorträge der Fresenius-Konferenz können zum Preis von 295,- EUR zzgl. MwSt. unter www.akademie-fresenius.de bezogen werden.
Stefanie Johannsen (Fresenius)