Was schmeckt neu?
Ernährung
Erfolgreiche Start-ups in der Ernährungsindustrie
Mehr als 40.000 neue Produkte kommen jedes Jahr in die Regale des Lebensmittelhandels. Nach einem Jahr sind mehr als 90 Prozent wieder verschwunden, weil sie nicht gekauft werden. Die Essbranche ist der innovativste Wirtschaftssektor Deutschlands. Jedes Jahr können sich rund 400.000 Messebesucher der Internationalen Grünen Woche davon überzeugen. Wie wäre es mit den „Frechen Freunden“, Snacks für Kleinkinder aus Obst und Gemüse, 100 Prozent Bio, frei von Zusätzen und für unterwegs?
Die urbane Bevölkerung erfindet das Essen neu und hat heute mehr Gelegenheiten als jemals zuvor. Regionale Produkte, nah am eigenen Geschmack und den Bedürfnissen verabschiedet sich die Branche von traditionellen Klößen mit Rotkohl und Schweinekotelett. Die junge Branche nimmt die Gestaltung von Lebensmitteln, mobil, neu exotisch, aufregend und experimentierfreudig, in die eigene Hand.

Wenn nur nicht das Lebensmitterecht und das Copyright wären. Viele Ideen scheitern bei der Markteinführung, weil sie keine Zulassung haben, der Schriftzug einer großen Gesellschaft zu ähnlich ist oder die Herstellung nicht den Qualitätsstandards genügt.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie berät junge Lebensmittel-Start-ups, damit ihre Produkte auch eine Zukunft haben. Was die BVE an ihrem Messestand präsentiert, ist zum Teil schon seit zwei Jahren auf dem Markt. Caté geht sogar in das vierte Jahr. Der natürliche Wachmacher enthält so viel Koffein wie zwei Espresso und wirkt nachhaltig wie grüner Tee, heißt es. Da das Getränk zu 93 Prozent aus dem Tee der Kaffeefrucht hergestellt wird, spiegelt es das Fruchtaroma vollkommen wider. Alles Bio-zertifiziert.
Die BVE hat ihren Messeauftritt in diesem Jahr verändert. Standen in den letzten Jahren Sachinformationen und Verbraucheraufklärung im Vordergrund, holt „die Industrie“ die Verbraucher mit emotional aufspielenden Kleinunternehmen ab. Auch ein Zeichen, dass die Branche vor allem aus kleinen und mittleren Unternehmen besteht und sich um den Nachwuchs sorgt.
Damit fallen die Verbraucherthemen nicht unter dem Tisch. Unter dem Stichwort „Reformulierungen“ können Besucher einen Pudding mit verschiedenen Zuckergehalten probieren und selbst überprüfen, welcher ihnen am besten schmeckt. Die Branche wehrt sich nach wie vor gegen das „Diktat der Politik“, wie Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff die Idee, Rezepte vorzuschreiben, vor dem Start der Grünen Woche, benannte. Die Reformulierung hat bislang jedes Sondierungsgespräch überdauert. So wie die große Rewe den Zuckergehalt ihrer Eigenmarken senken will, tun es bereits die vielen kleinen Start-ups. Das zeigt auch die Lebendigkeit der Branche.
Im letzten Jahr ging „Hey Qnut“ an den Start. Die Erdnusspaste wird als „frischeste Nusscreme aller Zeiten beworben“ und ist noch immer am Markt. Die Creme ist frei von Zusatzstoffen und günstigen Füllstoffen. Mit der Creme wird „Ehrlichkeit“ gegessen und die Verbraucher können selbst entscheiden, wie viel sie davon essen wollen. Beworben wird die Creme ausschließlich auf sozialen Medien und widersetzt sich damit den traditionellen Werbekanälen.
Von diesen Produkten gibt es künftig mehr. Der Rückumzug auf das Land findet nicht statt. Wer in einem Hochhaus wohnt, der hat im 16. Stock Sehnsucht nach einer ländlichen Idylle und deren Geschmack, die es kaum mehr gibt. Das sichert den Pionierunternehmen eine Zukunft, wenn sie auch bislang nur Nischenmärkte besetzen.
Für die Großen der Branche können die vielen Start-ups das Image verbessern helfen. Denn, im streng geregelten Lebensmittelmarkt braucht es eine sichere Rechtsberatung. Und mit Pioniergeist haben alle Unternehmen einmal angefangen.
Roland Krieg; Fotos: roRo
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