Wasser zwischen Ethik und Wirtschaft
Ernährung
Weltwasserforum mit Licht und Schatten
„Marseille Water Ethics“ ist eine neue Initiative, die das Weltwasserform in Marseille, das nach einer Woche am Samstag zu Ende ging, hervorgebracht hat. Nach Kathryn Kintzele, stellvertretende Vorsitzende der Biosphere Ethics Initiative, sei die ethische Betrachtung der Ressource Wasser als dynamischer Erfahrungsprozess die nachhaltigen Einstellungen und Verhaltensweisen zu Wasser und seiner Nutzung verändern. Das löse zwar nicht die Wasserknappheit, könne aber zu pragmatischen Lösungen der Wassernutzung und gerechten Aufteilung der knappen Ressource führen.
Virtuelles Wasser
In der Konsumgüterindustrie und beim Anbau und Verzehr
von Nahrungsmitteln ist die Wassernutzung den Konsumenten nicht gewärtig. Doch
braucht es rund 3.900 Liter Wasser um ein Kilogramm Geflügelfleisch zu
erzeugen, während für ein Kilogramm Getreide lediglich 1.300 Liter notwendig
sind.
Das Zentrum für Lebensmittel und Ernährung in Barilla1)
hat die Zusammenhänge in einer Doppelpyramide dargestellt. Sie kombiniert neben
dem ernährungsphysiologischen auch den Umweltzusammenhang einzelner
Nahrungsmittel. So gewinnt die mediterrane Ernährung nicht nur wegen ihrer
diätetischen, sondern auch auf Grund ihrer positiven Wirkung wegen eines
geringen Wasserverbrauchs.
Der Wasserabdruck gilt aber auch für die Industrie. So
verbraucht ein Kilogramm Baumwolle rund 5.260 Liter Wasser, ein Kilo Papier
2.000 Liter. Auf einen einzelnen Konsumenten berechnet ergeben sich weite
Unterschiede in der Welt.
In Asien verbraucht ein Mensch durchschnittlich 1.400
Liter Wasser im Jahr, ein Europa und Nordamerika sind es nach Angaben der FAO
rund 4.000 Liter. Maurice Berard, Direktor der Abteilung für Nachhaltige
Entwicklung der französischen Entwicklungshilfe Agentur AFD warnt angesichts
steigenden Konsums und steigender Bevölkerung vor Zunahme des Wasserverbrauchs.
Werde der Wasserabdruck der Güter als virtuelles Wasser
in die Import- und Exportstatistiken einberechnet, könnten die Handelsbilanzen
neu interpretiert werden. So sind Exporte aus Ländern mit einer ausreichenden
Wasserversorgung in der virtuellen Wasserbilanz positiv, gehen die Exporte in
Länder, die unter Wasserstress stehen. Das könnte zu einem Umdenken des Konsummusters
führen.
Brennpunkte der Welt
Aus verschiedenen Aspekten heraus gibt es weltweit
verschiedene Brennpunkte zum Thema Wasser. Obwohl seit 1990 mehr als 1,8
Milliarden Menschen Zugang zu einer Abwasserversorgung erhalten habe, fehlt sie
noch immer bei 2,5 Milliarden Menschen auf der Welt. Bei 1,1 Milliarden
Menschen, rund 15 Prozent der Weltbevölkerung, gehen die Abwässer vollkommen
ungeklärt in die Natur.
Die Hälfte der weltweiten Abwasseranschlüsse wird
derzeit in Indien und China erstellt, in Afrika südlich der Sahara fehlt noch
bei 40 Prozent der Haushalte ein ordentlicher Trinkwasseranschluss. Das ist ein
wichtiger Beitrag, Krankheiten wie beispielsweise Cholera zu vermeiden. Nach
Thierry Vandevelde von der Veolia Stiftung könnte eine Verbesserung der
Anschlussquote Krankheiten durch unsauberes Wasser um 80 Prozent senken.
In der Arabische Welt leben rund fünf Prozent der
Weltbevölkerung, doch besitzt sie nur ein Prozent der weltweiten
Trinkwasserreserven. Spätestens ab 2050 soll die ganze Region unter
Wasserstress stehen, prophezeite Dr. Abid Thyab Al Ajeeli auf dem Arabischen
Wasserparlament des Forums in Marseille. Eine Lösung ist der Ausbau
erneuerbarer Energie für die Meerwasserentsalzung.
Oman will in den nächsten vier Jahren 200 MW erneuerbare
Energie erzeugen, um hauptsächlich Meerwasser zu entsalzen. 80 Prozent des
Trinkwassers stammt aus dem Meer, erläuterte Zaher bin Khalid Al-Sulaimani,
Generaldirektor der Behörde für Wasser und Strom im Oman.
Reicht Marseille für Rio?
Martin Geiger, Leiter des Bereichs Süßwasser beim WWF,
sieht viele kleine Fortschritte. Posotiv sei die Umsetzung des Menschenrechts
auf Wasser und der Erhalt von Feuchtgebieten und Flüsse. Zudem hätten die
Teilnehmer die vielfältigen Aspekte des Wassers hinsichtlich der ökologischen,
sozialen und ökonomischen Komponenten erkannt, die von einer nachhaltigen
Nutzung abhängen.
Als Beschlussgrundlage für die im Sommer stattfindende
Konferenz Rio +20 tauge das Weltwasserforum in Marseille allerdings nicht,
resümierte Geiger am Samstag.
Lesestoff:
Roland Krieg; Grafik: Barilla Center for Food & Nutrition