Weichen für die Gesundheit sind früh zu stellen

Ernährung

Ungesunde Ernährung, gesunde Schulessen und Clean Label

Die Dosis macht´s

Mediziner des Imperial Colleges in London verfolgen die Lebensläufe von Kindern aus Westengland, die in den 1990er Jahren geboren wurden. Sie haben Ernährungstagebücher zwischen dem 7. und 24. Lebensjahr, die in verschiedenen Altersstufen drei Tage lang ausführlich angelegt wurden, ausgewertet. Zusammen mit dem Body-Mass-Index (BMI), Hüftumfang und Anteil an Fettgewebe haben Mediziner um Eszter Vamos Essverhalten und Gewichtsentwicklung nachzeichnen können.

Im Fokus standen sehr hoch verarbeitete Produkte wie TK-Pizza, Limonaden, verpacktes Industriebrot und einige Fertigmahlzeiten. Die Produkte zeichnen sich dadurch aus, dass sie in Geschmack, Farbe, Konsistenz und Haltbarkeit modifiziert wurden. Die Verbindung zu späterem Übergewicht, Herz-Kreislauferkrankungen, Ausbildung von Diabetes Typ II und Krebs war in Abhängigkeit der Verzehrmenge sichtbar, wie eine Arbeit im Fachmagazin JAMA Pediatrics aufzeigt.

Die Kinder und Jugendlichen haben rund 40 Prozent ihrer Nahrung und bis zu 60 Prozent ihrer Tageskalorien in Form der beschriebenen Nahrungsmittel zu sich genommen. Jedes fünfte Kind kam auf 78 Prozent seiner Kalorien durch Pizza, Limo und Fertiggerichte. Christopher Millett ist Leiter der Fakultät für öffentliche Gesundheit an der Universität und fordert die Politik zu einer Regulierung auf, die Diät der Kinder besser auszubalancieren. Die betroffenen Haushalte zeichnen sich durch seltener traditionelle Essenszubereitung aus. Die gesünderen Kinder verzehren deutlich mehr an Naturjoghurt, Wasser und Gemüse. Die unterschiedliche Entwicklung der Kinder mache sich im Alter von neun Jahren bereits bemerkbar, ergänzt Koautorin Klara Chang.

Zu den politischen Forderungen gehören eine Neuformulierung der Ernährungsregeln, eine höhere Besteuerung von Fertigprodukten, Werbeeinschränkung und verpflichtende Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite der Verpackungen.

Die Ernährungsmediziner wollen die Forschung erweitern. Sie fragen sich, ob Fertigprodukte weniger satt machen und ob Zusatzstoffe eventuell mit biologischen Prozessen interagieren, die hormonell und auf den Glucose-Spiegel wirken. [1]

Gesunde Gemeinschaftsverpflegung

Die gesunde Gemeinschaftsverpflegung macht Kinder gesünder und führt zu einem drei Prozent höherem Lebenseinkommen. Das hat Ökonom Petter Lundborg von der schwedischen Lund Univesity gerade in der Review of Economic Studies veröffentlicht. Die Weichen für ein gesundes Leben werden in der Jugend gestellt und wirken bis in die wirtschaftlichen Zusammenhänge ihres Erwachsenenlebens hinein.

Schweden hat kostenfreie Schulmahlzeiten auf der Basis von Ernährungsempfehlungen bereits in den 1940er Jahren in den Vorschulen eingeführt. Auch Finnland und Estland blicken auf eine langjährige kostenfreie Schulverpflegung zurück. Unter den skandinavischen Ländern bringen lediglich die norwegischen und dänischen Kinder ihre eigenen Mahlzeiten zur Schule mit. In den USA und in Großbritannien sind Schulessen lediglich für ärmere Familien kostenfrei.

Schweden die gesunde und kostenfreie Verpflegung zwischen 1959 und 1969 für alle weiteren Schulformen umgesetzt. Die Analyse der Experten zeigt, dass die Investition in gesunde und kostenfreie Mahlzeiten bei den Parametern Gesundheit, Ausbildung und Einkommen langfristig bezahlt gemacht habe, erläuterte Sozialwissenschaftler Dan-Olof Rooth von der Universität Stockholm. Es haben zwar alle Kinder von den Schulessen profitiert, doch die Kinder von ärmeren Bevölkerungsschichten am meisten. [2]

Konsumenten sind technologieoffen

An Convenience-Mahlzeiten kommt die Menschheit nicht mehr vorbei. Die Arbeits- und Freizeitaktivitäten haben sich so geändert, dass Fertigprodukte in die Zeitabläufe passen. Sie haben allerdings wegen langer Zutatenlisten und hoher Prozesstiefe ein negatives Image. Konsumenten sind bereit, tiefer in die Tasche zu greifen, wenn Fertigprodukte ein so genanntes „Clean Label“ tragen und nur wenige Zutaten aufweisen. Das ist bei konventionellen Produkten schon allein wegen der Haltbarkeit kaum möglich – es sei denn, die Hersteller greifen auf moderne Technik zurück.

Eine davon ist die thermische Sterilisation mit Mikrowellen (MATS). Der Wissenschaftler Jumin Tang von der Washington State University (WSU) nutzt diese Methode zur Beseitigung von Verderbniskeimen und erhält dabei Inhaltsstoffe und Aromen, als wäre die Mahlzeit gerade erst frisch zubereitet worden. Das kommt bei Konsumenten gut an, wie Karina Gallardo, ebenfalls von der WSU, ausgewertet hat. Kunden wägen Aufwand und Vorteil für sich persönlich ab und zahlen für MATS-sterilisierte Fertigprodukte mehr. Sie benötigen keine konventionellen Konservierungsstoffe mehr. Vorteile liegen auch auf Seiten der Hersteller, die mit einem geringeren Aufwand an Zusatzstoffen ein „Clean Label“ nutzen können.

Die Auswahl der Lebensmittel ist aber sehr komplex. „Frei von künstlichen Zutaten“ wird als weniger gut erkannt als „Gluten-frei“, sagt WSU-Ökonomin Jill McCluskey. Bei der MATS-Technologie hat die verwendete Mikrowellentechnik einen positiven Klang, weil die Konsumenten zu Hause eine stehen haben und ihnen vertraut ist [3].

Lesestoff:

[1] Chang K. et al. Association Between Childhood Consumption of Ultraprocessed Food and Adiposity Trajectories in the Avon Longitudinal Study of Parents and Children Birth Cohort: JAMA Peditrics DOI: 10.1001/jamapediatrics.2021.1573 https://www.imperial.ac.uk/news/223573/urgent-action-needed-reduce-harm-ultra-processed/

[2] Lundborg, P et al. Long-Term Effects of Childhood Nutrition: evidence from a School Lunch Reform, The Review of Economic Studies 11 May 2021 https://doi.org/10.1093/restud/rdab028

[3] Gallardo, K et al. Cosnsumers will pay more for ready-to-eat meals made with fewer ingredients: Agribusiness, 27 May 2021 https://doi.org/10.1002/agr.21705

Roland Krieg

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