Welche Ernährung rettet die Welt?

Ernährung

Essen, Landwirtschaft und der Planet Erde

Es gibt viele Diäten, die als gesund gelten: Die Mittelmeerdiät, The New Nordic Diet und viele regionale, traditionelle Ernährungsgewohnheiten. Im Zusammenhang mit den Ernährungswissenschaften wird die Kostzusammenstellung von Fleisch, Obst und Gemüse, Getreide und ihren Inhaltsstoffen immer besser bewertet. Rotes und zu viel Fleisch, zu viel Zucker, Fett und Salz sind mit dem metabolischem Syndrom verbunden. Mit diesem Komplex bezeichnen Ärzte eine Vielzahl an Gefäß- und Herzerkrankungen, die mit der Zivilisation und der veränderten Ernährungsweise einhergehen.

Was der einzelne ist, hat die Verantwortungsebene des Individuums längst verlassen. Im Jahr 2050 müssen rund zehn Milliarden Menschen ernährt werden. Die westliche Ernährungsweise lässt sich nicht mehr auf diese Größenordnung skalieren. Nicht nur, weil sie die Menschen offenbar krank macht, sondern einfach auch nur aus Sicht der verfügbaren Ressourcen. So viel Wasser und Futterfläche wie für die Western Diet benötigt wird, sprengt die planetaren Grenzen. Eine Ernährungswende ist unausweichlich und wurde auf der Weltleitmesse für den ökologischen Landbau BioFach 2019 in Nürnberg diskutiert.

Alternativen mit großen Ähnlichkeiten

Die neue nordische Kostzusammensetzung mit mehr Obst, mehr Fisch aus den Neeren, mehr Beeren aus Wildsammlung ist nach Susanne Bügel von der Universität Kopenhagen eine der letzten Empfehlungen aus der Wissenschaft. Mindestens 75 Prozent der Nahrung sollen ökologischen Ursprungs sein, weil die Rückstände an Pflanzenschutzmitteln und anderen Schadstoffen dort geringer sind. Hat das Essen lange Zeit satt machen sollen, müsse die Landwirtschaft Produkte liefern, die den Nährstoffanforderungen der Menschen genügen.

Die so genannte Western Diet mit viel Fleisch setzt sich weltweit entlang der Wirtschaftsentwicklung durch. Dr. Carola Strasser von der Fachhochschule Münster macht das an den Anteilen für den Außer-Haus-Konsum fest. In Ost- und Südafrika liegt der Anteil für Kantinen und der Gastronomie bei 15 Prozent des Haushaltseinkommens. In Deutschland liegt er bei 33 Prozent und in den USA bei satten 50 Prozent. Umgekehrt zeigen die Zahlen, wie wichtig der Sektor für den Biolandbau ist. Über private und öffentliche Kantinen, Mensen und Einrichtungen lasse sich ein großer Teil der Menschen über eine Ernährungswende gut erreichen. Ernährungsinterventionen haben in diesem Bereich einen deutlichen Einfluss auf die Volksgesundheit.

Essen und die Landwirtschaft

Jostein Hertwig berichtete von dem Forschungsprojekt „Diets for a Clean Baltic“. Ziel des zweistufigen Projektes in der Zeit von 2003 bis 2013 war die Ausarbeitung einer regionalen Kost, für deren Produktion die Landwirtschaft deutlich weniger Düngenährstoffe braucht. Ausgewaschene Nährstoffe aus der Landwirtschaft sind zur Hälfte alljährlich für die großflächige Algenblüte in der Ostsee verantwortlich. Das flache Meer sterbe langsam. Daraus hat sich die Initiative “Building Ecological Regenerative Agriculture and Societies” (BERAS) gebildet [1]. Sie versucht mit einer “Diet for a green Planet“ die Ernährungswende entlang der ganzen Wertschöpfungskette bis hinunter zur Landwirtschaft umsetzen. Hertwig steht mit der Aufgabe nicht allein da. Die EAT Lancet Kommission aus 30 Wissenschaftlern hat im vergangenen Jahr eine gesunde Kostzusammensetzung aus nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktionssystemen vorgestellt [2]. Sie entspricht in etwa den Vorstellungen der FAO und Weltgesundheitsorganisation WHO. Der systemische Ansatz soll auf die ganze Welt übertragbar sein.

Was ist gesund?

Was „gesund“ überhaupt bedeutet, ist umstritten. Dr. Ewa Rembialkowska von der Universität Warschau hat Meta-Analysen vorgestellt, die ökologischen Lebensmitteln Vorteile bei Schadstofffreiheiten, Anteil phenolischer Substanzen und geringerem Nitratgehalt ausweisen. Aber die Menschen miot einem hohen Anteil ökologischer Lebensmittel pflegen auch generell einen gesünderen Lebensstil, rauchen weniger und treiben mehr Sport. Gegenüber konventioneller Kost verzehren sie mehr pflanzenbasierte Produkte und nähern sich der mediterranen Diät an, die schon lange als gesunde Kost gilt. Der nachhaltige Lebensstil ist für Dr. Rembialkowska der entscheidende Treiber für eine gesunde Ernährung und Achtsamkeit auf nachhaltige Produktionsbedingungen. Welche Einzelfaktoren am Ende den Ausschlag für mehr Gesundheit geben, lasse sich empirisch nicht beurteilen.

Der „ökonomische Mensch“ müsse gegen den „ökologischen Menschen“ ausgetauscht werden, forderte Hertwig. OB die Kostzusammensetzung ökologisch sein muss, sei zweitrangig. Diese Betonung schlage bei einigen Menschen gleich die Türe für weitere Kommunikation zu. Der ökologische Ansatz könne aber in der Folge als der bessere Ansatz erwähnt werden.

Muss es „bio“ sein?

Schließlich gehe nichts über den Geschmack. Nur was schmeckt, überzeugt die Menschen für den Kauf, ergänzt Dr. Strasser. Die alten Sorten im Ökoanbau können bei diesem Punkt ihren Vorteil ausspielen. Die Herausforderung ist schließlich komplex. Polen verstehen unter „besserem Essen“ mehr Fleisch in der Kost, sagte Dr. Rembialkowska. Das erfordere einen ganz einfachen Ansatz für die Aufklärung, der auch in den Ländern notwendig sei, die sich wirtschaftlich gerade entwickeln und ihre lokalen Ernährungsweisen in die ungünstige Western Diet wandeln.

Welche Strategie für die Umsetzung?

Für Dr. Strasser sind für die Agrar- und Ernährungswende sowohl top down als auch bottom up-Strategien notwendig. Von der Landwirtschaft aus und von der Konsumentenseite heraus. Freiwilligkeit durch Aufklärung und Vorgaben für die Gemeinschaftsverpflegung. Am Ende fehlen Wissenschaftlern noch immer die Daten, was genau die Menschen zur Zusammensetzung ihrer Kost antreibt, ergänzt Susanne Bügel. Bei den jungen Menschen ist es offenbar der Umweltgedanke. Einen ganz anderen Ansatz verfolgen die Modelle der wahren Kosten, bei denen die negativen Umweltauswirkungen aus der Produktion und Verarbeitung in den Lebensmittelpreis einberechnet werden. Zu oft sind die gesünderen Alternativen zu teuer. Bügel will daher keine Zuckersteuer erheben, sondern die gesunden Alternativen durch Herabsetzen des Steuersatzes preiswerter machen. Hertwig ergänzt: Preiswert sind nur die einzelnen Bestandteile. Wenn die gesamte Kost von den Nährstoffen und gesundheitlichen Erfordernissen her beurteilt wird, sei die gesündere Nahrung nicht teurer als die konventionellen Fertiggerichte. Außerdem setzt er auf die Zusammenarbeit mit den großen Nahrungskonzernen. Ohne sie finde eine Ernährungswende nicht statt. Stattdesseen müssen die Akteure die Firmen mit einbeziehen.

Lesestoff.

[1] http://beras.eu/

[2] https://eatforum.org/eat-lancet-commission/

Roland Krieg

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