Welternährung: Der Weg beibt strittig

Ernährung

Herausforderungen Politik und Wirtschaft

Vor dem ersten Agrarministergipfel in Berlin diskutierten einige Minister auf dem Forum Internationale Grüne Woche bereits über Lösungswege. Diese gibt es, aber welcher der Richtige ist, bleibt strittig.

Unstrittig sind die Herausforderungen
Brasiliens ehemaliger Agrarminister Robert Rodrigues stellte in seinem Impulsreferat vier Lösungsansätze vor, die steigende Weltbevölkerung mit einem steigenden Bedarf an knapper werdenden Ressourcen zu ernähren. Vor allem müssten die armen Länder die gleichen Wettbewerbschancen haben wie die reichen. Neben dem Transfer von technischem Fortschritt, müsse das Management des Ackerbaus auf dem Lehrplan stehen. Um die Kleinbauern am wirkungsvollsten zu partizipieren müsse das Genossenschaftswesen deutlich ausgebaut werden. Die dänische und die deutsche Agrarwirtschaft stünden heute nicht so gut da, hätten die Genossenschaften nicht ihre Stärken bei der Betriebsmittelbschaffung, der Ausbildung und Vermarktung ausgespielt.

„Es ist genug für alle da“, lautet das Motto von Brot für die Welt, die auf der Grünen Woche ihr 50. Jubiläumsjahr einläuten. „Wir sehen das auch an den riesigen Mengen von Lebensmitteln , die allein in unserem Land weg geworfen werden. Kein Mensch müsste hungern. Das erforder keine unmenschlichen Anstrengungen, sondern einen fairen Zugang zu Boden, Saatgut, Krediten und Wasser.“
Brot für die Welt: Halle 6.2A / Stand 113

Nationale Aufgabe von der gemeinschaftlichen trennen
Russland könne nach eigenen Schätzungen rund 450 Millionen Menschen ernähren. Das ist dreimal mehr als die eigene Bevölkerung, sagte Russlands Agrarminister Alexej Gordejew. Die Agrarwirtschaft stehe vor zwei konkurrierenden Aufgaben. National folge die sie Gewinnzielen, während die Sicherung der Welternährung eine gemeinsame, humanitäre Aufgabe ist. Russland und die USA hätten 2008 viel Getreide produziert, was aber niemand hat haben wollen. Das zeige, dass die Welt neue Mechanismen braucht. Gordejew schlägt vor, die Agrarwirtschaft aus der kommerziell orientierten WTO in die FAO zu überführen. Ein weiterer Vertreter aus dem russischen Parlament forderte eine eigene Weltagrarbank, die sich ausschließlich um die Förderung des ländlichen Raums und den landwirtschaftlichen Betrieb kümmert.
Für Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner ist das Problem, neun Milliarden Menschen ernähren zu müssen, zunächst ein Bewusstseinsproblem. Nicht nur die meisten Menschen könnten sich derzeit nicht vorstellen, was neun Milliarde Menschen an Ressourcen benötigen, sondern auch in der Politik sei das noch nicht angekommen. Aigner verwies auf die noch zur Verfügung stehenden ungenutzten Flächen. Wie in Russland. Dort stehen bis zu 30 Millionen Hektar nicht in Kultur.

„Doch die Zahl der Hungernden (zwischen Welternährungsgipfel 1996 und FAO-Zwischenbericht 2006) blieb wegen der raschen Bevölkerungsentwicklung nahezu konstant. Als Ursachen arbeiten die Wissenschaftler Dr. Martina Brockmeier und Dipl.-Ing. agr. Rainer Klepper vom Johann Heinrich von Thünen Institut im vom Senat der Bundesforschungsinstitute die folgenden Ursachen heraus: Steigende Lebensmittelpreise. Je ein Prozent Teuerung verschlechtert sich die kalorische Versorgung der Bevölkerung in unterentwickelten Regionen um ein halbes Prozent. Die Zahl der an Unterernährung leiden Menschen nimmt um 16 Millionen zu. Trotz steigender Preise ist die Produktion nicht ausgeweitet worden. Zum einen waren die schlechten Witterungsbedingungen wiederholt Schuld an geringem Angebot. Durch die langjährigen niedrigen Preise ist die Reaktionszeit schleppend verlaufen. Das Vertrauen in die Stabilität der Preise fehlte. Es fehlten Lagerungsmöglichkeiten, mehr ernte aufzunehmen und auf Grund mangelnder Infrastruktur hat die Nachricht von steigenden Preisen nicht alle Menschen erreicht. Nicht alle Bauern hätten aber auch auf das Angebot reagieren können, denn gelichzeitig sind auch Kosten für die Betriebsmittel nach oben gegangen.
Auf der Nachfrageseite gibt es jährlich 82 Millionen Menschen mehr, die mit Nahrung versorgt werden wollen. Die Verwestlichung der Ernährungsstile trägt für ein steigende Marktnachfrage genauso bei, wie die Verstädterung, bei der die Menschen sich nicht mehr selbst versorgen.
Politisch spielen die Abwertung des Dollar und Spekulationen ihre preistreibenden Rollen. Reagiert die Politik regional mit Exportrestriktionen, verknappt sich das Angebot auf dem Weltmarkt.
Forschungsreport 2/2008 (Heft 38); ISSN 1863-771X

Teller oder Tank?
EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel machte deutlich, das die Diskussion des vergangenen Jahres über Teller und Tank endlich vorbei sein solle. In einigen Ländern mit Preisunruhen war das nur ein vorgeschobenes Argument. Wir haben alle zusammen die Verantwortung für die Welternährung und bei Verwendung der zweiten Generation an Biokraftstoffen und Nutzung der Erntereste für stoffliche und energetische Zwecke, können beide Ziele realisiert werden. Auch Indonesiens Agrarminister sieht keine Konkurrenz zwischen Nahrungs- und Energiepflanzen. Die Indonesier essen Reis und Getreide, was zusätzlich auf vielen Inseln angebaut werden kann. Die Palmölindustrie sieht Minister Apriyantono davon vollständig getrennt.
Ein Problem, das nicht alles lösen, aber vieles leichter machen könnte nannte Fischer Boel: Die Verstädterung müsse aufhören. Die Landflucht sollte, wen nicht gestoppt, doch zumindest verlangsamt werden.

Zum Schluss nannten die Minister noch ihre drängendsten Aufgaben, die Zahl der Hungernden zu verringern:
Gordejew: Hohe Rohstoffpreise und Entwicklung des ländlichen Raums
Aigner: Stabilisierung der politischen Verhältnisse vor Ort und des aktuellen Wirtschaftssystems.
Fischer Boel: Das Ende diktatorischer Regierungen und Transfer von know how
Chen Xiaohua: Steigerung der Produktivität

roRo

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