Welternährung nur durch Ökolandbau?
Ernährung
Welternährung: Ökolandbau, Bevölkerungspolitik und Landbesitz
Für die einen ist der Ökolandbau das einzige Mittel der
Wahl, die Welt mit neun Milliarden Menschen zu ernähren1), Jacques
Diouf, der in diesem Jahr von Graziano da Silva als General-Direktor der FAO
abgelöst wurde, sagte im Jahr 2009 hingegen, dass der Ökolandbau zwar ein
großes Potenzial besitze, aber nicht das, alle Menschen zu ernähren.
Auf der Biofach fasste Andre Leu, Präsident der
International Federation of Organic Movements (IFOAM) noch einmal zusammen, um
wen es in der Zielrichtung Welternährung überhaupt geht. 80 Prozent der
Hungernden sind Bauern, 50 Prozent davon so genannte Kleinbauern.
Die Kleinbauern produzieren 70 Prozent der
Weltlebensmittel. 7,5 davon sind Stadtbauern, 12,5 ernähren sich durch Jagen
und Sammeln und 50 Prozent sind die „klassischen Bauern“. Das Agrobusiness
erzeugt lediglich ein Drittel der Weltlebensmittel. Zur Stärkung der
Kleinbauern muss der Rio+20 – Gipfel in diesem Jahr ein
Kleinbauern-Aktionsprogramm auf den Weg bringen, forderte Leu.
Trockengebieten Einhalt bieten
Landwirtschaft braucht Boden und Boden braucht Wasser.
Wer Trockengebiete nur mit Wüsten in Verbindung bringt, beschreibt lediglich
die „Hyper-ariden Gebiete“ wie die Sahara oder Atacama in Chile. Angrenzend umfassen
aride und semiaride Gebiete schon große Teile Afrikas, fast ganz Australien,
den Mittleren Osten und die Osthälfte der USA. Trockenregionen zeichnen sich
generell dadurch aus, dass der Niederschlag kleiner als die Verdunstungsrate
ist. Zusammen mit trockenen subhumiden Klimabedingungen erreichen die Regionen
auch Teile Kanadas, die Mittelmeerregion, Osteuropa und in Deutschland Bundesländer
wie Brandenburg.
52 Prozent der Weltackerfläche sind Trockengebiete oder
von Trockenheit bedroht, erläuterte Louise Baker von der United Nations
Convention to Combat Desertification (UNCCD) mit Sitz in Bonn. Nach Ermittlungen
der UNCCD verschwinden jeden Tag 24 Milliarden Tonnen fruchtbare Erde von den
Feldern. 12 Millionen Hektar Ackerfläche gehen jährlich für den Anbau von
Nahrungs- und Energiepflanzen verloren, auf denen etwa 20 Millionen Tonnen
Getreide, die Hälfte der deutschen Ernte, angebaut werden könnten. Geht es
ungebremst so weiter, wird die Menschheit in den nächsten 25 Jahren 12 Prozent
ihrer landwirtschaftlichen Produktionskapazität verlieren, was einen Anstieg
der Lebensmittelpreise um 30 Prozent nach sich ziehe, so Baker.
Schon 1977 hat die UN auf der Wüstenkonferenz in
Nairobi die Gründe für die Ausbreitung von Wüsten und Trockenregionen
beschrieben. „the process
entails a reduction in biological activity and plant biomass, in
livestockcarrying potential of land, in agricultural yields and a decline or
degradation in man's living conditions."
Seit dem hat sich nicht viel getan. Louise Baker warnt
eindringlich, dass die Vermeidungskosten um den Faktor drei unter den
Folgekosten der Wüstenbildung liegen.
Einer unter vielen
Der Ökolandbau ist unbestritten ein Weg,
Trockenregionen wieder nutzbar zu machen. Es muss nach Baker aber nicht ausschließlich
der Ökolandbau sein, denn viele Gründe bilden den Komplex, der zur Wüste führt:
Darunter fallen Entwaldung, Umweltmigration, Klimawandel, Geschlechterungleichheit
und Armut.
In der Diskussion auf der Biofach fügten mehrere
Diskussionsteilnehmer den britischen Naturforscher Sir David Attenborough an,
der im letzten Jahr den Fokus auf die Bekämpfung der Weltbevölkerung legte. Für
Attenborough werde dieses Thema tabusiert – und hat auch nichts mit dem
Ökolandbau zu tun.
Zudem ist die pfluglose und damit auch Bodenschonende Bodenbearbeitung
nicht ausschließlich dem Ökolandbau zuzuordnen. Rund die Hälfte der sächsischen
Felder wird pfluglos bearbeitet, betont regelmäßig das
Landwirtschaftsministerium in Dresden.
Rio +30
Zwanzig Jahre nach dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro wird in diesem Sommer der Gipfel „Rio +20“ einen Zwischenstand über die Erfolge aufzeichnen. Martien Lankester von der niederländischen Organisation „Avalon“, die seit der Wende den Ökolandbau in Osteuropa populär macht und umsetzt, will schon an die Zeit für den Gipfel „Rio +30“ denken. Sein Credo: Umweltschonender Ökolandbau muss nicht klein sein. Was der Ökolandbau brauche sei ein Paradigmenwechsel zu mehr Ressourcen schonender Produktion. Der soll im Sommer in Rio starten.
Lesestoff:
FAO zur Desertifikation: www.fao.org/docrep/V0265E/V0265E01.htm
Eine kleine Animation über die Veränderung der Klimazonen zwischen 1981 und 2100 finden Sie an der Veterinär-Universität Wien: http://koeppen-geiger.vu-wien.ac.at/
1) Wir müssen uns ökologisch
ernähren – oder gar nicht: Food Crash
Roland Krieg
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