Welthunger-Index 2012
Ernährung
Welthungerhungerhilfe stellt Welthunger-Index 2012 vor
Am Donnerstag haben Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe, und Dr. Klaus von Gebmer vom Internationalen Forschungsinstitut für Ernährungspolitik, den Welthunger-Index 2012 vorgestellt. Der mittlerweile im siebten Jahr veröffentlichte Index wird noch von „concern worldwide“ und zwei jüngst hinzugekommenen Nichtregierungsorganisationen aus Frankreich und Italien unterstützt.
Der Maßstab
Drei gleichgewichtete Faktoren bilden den Welthunger-Index: Der prozentuale Anteil der Unterernährten an der Bevölkerung, der prozentuale Anteil von Kindern unter fünf Jahren, die untergewichtig sind und die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf. Die Summe wird durch drei geteilt und klassifiziert. Je höher der Index, desto gravierender die Hungersituation.
Haiti, Eritrea und Burundi liegen mit einem Wert von über 30 im Bereich der gravierendsten Mängel, bei 37 Ländern ist die Situation ernst, bei 17 sehr ernst.
Die Einschätzungen decken sich mit den Trends, die von der FAO im jüngst veröffentlichten Welternährungsbericht 2012 aufgedeckt wurden [1]. Der WHI fokussiert mit seinen Kennwerten die Situation auf einzelne Länder und zeigt große regionale Unterschiede gibt. Haiti hatte einige Fortschritte gemacht, bis das Erdbeben alle Anstrengungen annullierte. Der Kongo taucht nicht mehr in den roten Zahlen auf, weil das Land die Daten nicht mehr veröffentlicht, erläuterte Dr. von Gebmer.
Insgesamt zeigt der Welthunger-Index eine durchschnittliche leichte Verbesserung. Gegenüber dem Ausgangsjahr sank der Durchschnittswert um 26 Prozent auf 14,7, was aber noch immer mitten in der „ernsten Kategorie“ liegt. „Es hat sich etwas bewegt. Aber wir wissen: Zu wenig und zu wenig rasch“, unterstreicht Dr. von Gebmer.
Land, Wasser und Energie
Er verweist auf die anliegenden Herausforderungen: Der Wettbewerb in der Landwirtschaft um Land, Wasser und Energie wird immer größer. Das Bevölkerungswachstum wird durch zusätzliche Konsumveränderungen den Wettbewerb verschärfen. Doch werden die einzelnen Bereiche, auch in Europa, einzeln betrachtet. Es fehle der integrative Ansatz: „Wir möchten, dass die drei Politiken zusammengeführt werden“, forderte von Gebmer.
Werde das herkömmliche Wirtschaftsmodell beibehalten, werden Land, Wasser und Energie ineffizient genutzt und eine unkoordinierte Politik führe lediglich zu kurzfristigem Gewinnstreben. Das Ergebnis sei eine Welt, in der eine unkontrollierte Ressourcennutzung die Ernährungssicherheit gefährde.
Dagegen führe eine ganzheitliche Nutzung von Land, Wasser und Energie zu einer Welt, in der alle Menschen ausreichenden Zugang zu den Ressourcen haben.
Dazu gehört auch die Abschaffung von Subventionen für Wasser in den Entwicklungsländern selbst, so von Gebmer. Sie stehe einer „vernünftigen Nutzung“ im Wege.
Wirtschaft ohne Durchschlagskraft
Der Welthunger-Index zeigt eine leichte Verbesserung. Bärbel Dieckmann betont das. „Ein Stück Erfolg“ will sie nicht klein reden. Der Erfolg sei auch auf die wirtschaftliche Verbesserung in den Ländern zurückzuführen. Doch das nur wenig Verbesserung eingetroffen ist und weil bald neun Milliarden Menschen den Druck auf die natürlichen Ressourcen werden erhöhen können, zeige, dass wirtschaftliches Wachstum alleine nicht zur Sicherung der Ernährung beitrage. Indien zählt beispielsweise längst zu den Schwellenländern, hat aber in absoluten Zahlen die meisten Hungernden. Der wirtschaftliche Erfolg, so Dieckmann, erreicht nicht die Armen und den ländlichen Raum.
FDI vs. Land Grabbing
Bärbel Dieckmann erläutert am Beispiel des Land Grabbing, auf welche Aspekte geachtet werden müssen. Land Grabbing unterscheidet sich von dringend nötigen ausländischen Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment; FDI [2]) der Privatwirtschaft dadurch, dass die Menschen vor Ort in die Entscheidungen nicht eingebunden sind, die privaten Investoren Produkte für den Export anbauen, Gewinne aus dem Land abführen und die Arbeiter sozial nicht abgesichert sind.
Dabei liegen vom BMZ, der UNO, der UNCTAD und zuletzt mit den freiwilligen Richtlinien der FAO Kataloge vor, wie Investitionen in das Allgemeinwohl kanalisiert werden können [3]. Die Menschen müssen vor Ort an den Investitionen partizipieren können, die Investition muss transparent erfolgen und die Investoren müssen einen Rechenschaftbericht abgeben. Die Menschen sollten bevorzugt Genossenschaften und Kooperationen für die Produktion und Vermarktung aufbauen können. Erst das werde zusammen mit Einkommensmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft Einkommen generieren, damit die Menschen sich Nahrungsmittel kaufen können. Denn im ganzen Wirkgeflecht von Hunger, Biokraftstoffe, Wasserverbrauch und Bodendegradation ist Armutsüberwindung der Schlüssel für die gesunde und individuelle Entwicklung.
Die EU hat mit ihren Agrarimporten Anteil an der weltweiten Ressourcenverknappung, aber Bärbel Dieckmann spricht ebenso die lokalen Regierungen vor Ort an: „Wir brauchen Regierungen die Verantwortung zeigen!“
Lesestoff:
[1] Welternährungsbericht der FAO 2012
Roland Krieg; Foto: roRo