Werden Obst und Gemüse zum Luxusgut?
Ernährung
Die Besteuerung von Lebensmittel
Die meisten Lebensmittel kommen in Deutschland mit dem begünstigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent davon. Der Regelsatz liegt bei 19 Prozent. Mit dem günstigeren Mehrwertsteuersatz wird der Versorgungssicherheit Rechnung getragen. Dabei gibt es zwei Dinge zu beachten: Einmal sind landwirtschaftiche Produkte Witterungsverläufen und damit Knappheiten mit steigenden Preisen ausgesetzt, zum anderen gibt es Geringverdiener und Hartz-IV-Empfänger, die sich mit der Finanzierung einer ausgewogenen Ernährung generell schwer tun.
Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK Verena Bentele blickte Ende vergangener Woche auf die Statistik für Lebensmittel und warnte, dass für Geringverdiender und Hartz IV-Empfänger Obst und Gemüse zu einem Luxusgut würden. Salat wurde im August um fast 40 Prozent teurer.
Hartz-IV
In der Kritik steht die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes um „lächerliche drei Euro“, sagte sie dem Berliner Tagespiegel. Bislang stünden den Empfängern sowieso nur fünf Euro am Tag für Lebensmittel zur Verfügung. Da gibt es nur wenig Spielraum bei Preissteigerungen. Die Höhe des Regelsatz zeige, „wie konsequent die Regierung lebensnotwendige Bedürfnisse von Menschen in Grundsicherung ignoriere.“
Wie teuer wurden Obst und Gemüse?
Das die Lebensmittelpreise gegenüber dem Vorjahr deutlich höher ausfallen, liegt zum Teil an der Reduzierung der Mehrwertsteuer in der Pandemie, erklärte die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) Anfang September. Es gab aber 2021 auch schon mehrere Preisrunden im Lebensmittelhandel. Für frische Lebensmittel zahlten die Verbraucher im August durchschnittlich 4,6 Prozent mehr als im August 2020. Preistreiber waren überwiegend Kartoffeln und Eier. Obst, wenn auch als einzige Warengruppe war sogar preiswerter als im Vorjahr. Gemüse insgesamt fiel mit 8,8 Prozent teurer aus. Vor allem betroffen waren Eissalate (+52 Prozent) und Kopfsalate (+47 Prozent), die witterungsbedingt später als üblich und knapper auf den Markt kamen. Gurken und Möhren waren preiswerter als im Vorjahr.
„Frisches Obst und Gemüse sind in Deutschland auf keinen Fall ein Luxusgut, sondern gehören zu den preiswertesten, leckersten und vor allem gesündesten Konsumgütern“, beeilte sich Andreas Brügger zu sagen. Er ist der Geschäftsführer des Deutschen Fruchthandelsverbandes (DFHV). Die Preise von Obst und Gemüse werden nicht nur aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage gebildet, sondern auch aus den Produktionsbedingungen, Erntemengen, Wetterextreme und Transportkosten. Deutliche Preisschwankungen im Jahresverlauf seien normal.
Fleisch und Zucker teurer machen?
Die Mehrwertsteuer ist einer der am einfachsten umsetzbaren Steuermöglichkeiten. So soll der hohe Konsum von Fleisch durch den Regelsteuersatz eingedämmt werden. Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) hat diesen Sommer für besonders zuckerreiche Getränke einen Sondersteuersatz von 29 Prozent eingefordert. Neben einigen positiven Erfahrungen, den Konsum über eine Steueränderung zu korrigieren, gibt es zahlreiche Erkenntnisse, die das weder belegen noch unterstützen. In Großbritannien hat die Getränkeindustrie nach einer Zuckerbesteuerung den Gehalt an Zucker gesenkt. In Mexiko wurde nach Einführung einer Zuckersteuer mehr Wasser getrunken. In Frankreich, Belgien und Ungarn geht die Steuer rauf, sofern Zucker hinzugesetzt wurde.
Es geht hierbei aber nur um die zuckerhaltigen Softdrinks, wie das Kompetenzzentrum für Ernährung in Bayern betont. Ob die eigentlichen Ziele, wie die Verringerung des Übergewichtes und der Diabetes tatsächlich erreicht werden, darüber gibt es keine fundierten Erkenntnisse.
Umgekehrt heißt das auch, es bleibt offen, ob eine Steuerbefreiung von Obst und Gemüse zu mehr Verzehr von Frischware führt.
Neben den zahlreichen anderen Aktivitäten wie Ernährungsbildung ist die Anpasssung der Grundsicherung an eine ausgewogene Ernährung eine Alternative.
Lesestoff:
https://www.kern.bayern.de/themen/188568/index.php
Roland Krieg
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