Wie ernährt China seine Städte?

Ernährung

Über Großmärkte kommen Lebensmittel in Chinas Städte

China ist mit mehr als 1,3 Milliarden Menschen einer der bedeutendsten Märkte für Agrarprodukte. 20 Prozent der Weltbevölkerung müssen jedoch mit 10 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche und mit sechs Prozent der weltweiten Wasservorräte auskommen. China ist gigantisch: Im Reich der Mitte gibt es 170 Städte mit mehr als einer Million Einwohner. Der Großraum Shanghai beherbergt 23 Millionen Menschen. Gleichzeitig sind in den letzten zehn Jahren rund 900.000 Dörfer verschwunden. China will aus den Wanderarbeitern Städter machen und setzt auf zunehmende Urbanisierung. Mit 162 Millionen Hektar Ackerland werden lediglich 17 Prozent der Landesfläche landwirtschaftlich genutzt. Zwei Drittel davon werden mit Getreide angebaut.

Der „Länderbericht China“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft weist eine Aufforstung von 30 Millionen Hektar zwischen 2008 und 2013 auf. Gleichzeitig leidet das Land unter fortschreitender Wüstenbildung auf 2,62 Millionen Quadratkilometern. Das sind mehr als ein Fünftel der landwirtschaftlichen Flächen und betrifft rund 400 Millionen Menschen.

Dennoch kann China sich leidlich selbst ernähren und der Import von Agrargütern ist auf wenige ausgewählte Rohstoffe begrenzt. Getreide für die menschliche Ernährung wird nahezu selbst produziert, Futtergetreide hingegen überwiegend importiert. Chinas Mechanisierungsgrad liegt bei 50 Prozent der Landwirtschaft in den Industrieländern.

Technik und Management sind daher der wichtigste Modernisierungsbedarf, den China im Agrarbereich festgelegt hat, berichtete Chinas Botschafter bei der FAO Niu Dun. Er hat ebenfalls mit Deutschland zehn Jahre lang Arbeitsgespräche zur Modernisierung der Landwirtschaft begleitet. Auf dem China-Forum des Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) der Grünen Woche in Berlin diskutierten Experten das Thema Ernährung für die Stadt.

Nach dem Vorsitzenden der Agricultural Wholesale Markets Association, Ma Zengjun, kanalisieren Großmärkte den Fluss der Lebensmittel in die Stadt. Ihre Bedeutung zur Versorgung der Stadtbevölkerung wachse, während die Bedeutung des Lebensmittelhandels relativ zurückbleibe. Allein in Peking existieren mehr als 100 Großmärkte, landesweit sind es 4.000. Logistik ist eine der künftigen Herausforderungen. Der Unterschied zu Europa bestehe darin, dass „die Chinesen mit dem Mund und die Europäer mit dem Gehirn essen“, wie Ma Zengjun beschreibt. Chinesen lieben Vielfalt, die es nur auf dem Großmarkt gebe. Weniger als zehn verschiedene Salatsorten in einem Supermarkt gelten als „kleines Sortiment“

Nicht erst der Skandal um Melamin in der Milch im Jahr 2008 hat das Grundvertrauen in heimische Produkte zutiefst erschüttert. Auch die Umweltverschmutzung ist zu einem großen Thema geworden. In den Städten hat sich deshalb eine Gegenbewegung formiert, die mit einer Community Supported Agriculture (CSA) die Bindung zwischen Kleinbauern und Verbrauchern forciert. Shi San, Direktorin der Shared Harvest Ecolocigal Agriculture in Peking, beschreibt, dass die Städter selbst mit dem Bus bis zu 40 Kilometer aus der Stadt herausfahren, um „bessere“ Lebensmittel zu bekommen. Die Menschen pachten um die 30 Quadratmeter Land auf den Bauernhöfen und bauen ihre Lebensmittel selbst an oder lassen die Nutzpflanzen von „ihren“ Bauern betreuen. Hintergrund sei die Beobachtung, dass die Bauern auf ihren eigenen Parzellen keine Pflanzenschutz- und Düngemittel einsetzen. Die kommen nur auf den Flächen für die Vermarktung zum Einsatz. CSA-Produkte finden auch im Handel Käufer. Sie sind nach Angaben von Shi San zwischen 50 und 100 Prozent teurer als konventionelle Lebensmittel, aber 50 bis 60 Prozent preiswerter als Bioprodukte.

Dieser Trend darf nicht überschätzt werden. Auch wenn CSA-Kooperativen bis zu 800 Menschen versorgen können, bleibt die Versorgung der Stadtbevölkerung Aufgabe der großen Betriebe. Verschiedene Projekte haben gezeigt, dass chinesische Landwirte auch mit der Hälfte der Inputs höhere Qualitäten zu besseren Preisen erzielen können.

Eine Schlüsselrolle spielt das im letzten Jahr eröffnete deutsch-chinesische Agrarzentrum. Für Dr. Franz-Georg von Busse, dem Vorsitzenden der German Agribusiness Alliance, ist das ein Signal für beide Seiten. Der Austausch von Informationen und Dienstleistungen kann die Modernisierung der chinesischen Landwirtschaft ohne schädliche Nebenwirkungen vorantreiben. So betreibt die aquagroup AG Versuchsfelder für den Ökolandbau, um den Einsatz von Kupfer gegen Pilzerkrankungen im Pflanzenbau zu minimieren, erklärte Geschäftsführer Markus Zetzelmann. Neue Produkte und Fruchtfolgen haben den Einsatz von Kupfer auf insgesamt 400 Hektar Demonstrationsfeldern von Kleinbauern von 3.000 auf 300 Gramm je Hektar reduziert.

Neue Landbewirtschaftungssysteme, Landtechnik und Bewässerungstechniken: Das betrifft nicht nur die Vielzahl der Kleinbauern, sondern auch die Landwirtschaft im Norden mit großen Betrieben. China hat die Landwirtschaft als Treiber für Wachstum und Wohlstand auf dem Land erkannt und verfolgt eine Politik der „rural reconstruction“, sagt Kasper Thormod Nielsen, Handelsdirektor von Arla Foods.

Das GFFA-Forum hat aber auch gezeigt, dass Lebensmittelsicherheit ein vordergründiges Thema ist. Nur durch das Wiedergewinnen von Verbrauchervertrauen kann die Landwirtschaft in den Städten wieder punkten. China hat 2011 Rückverfolgbarkeitssysteme für Fleisch und vegetarische Produkte aufgebaut und wird noch an seinen Kontrollen arbeiten müssen. Eine Schlüsselstelle wird dabei der Großmarkt sein, verspricht Ma Zengjun.

Roland Krieg

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