Wie Frostschutz bei Organismen funktioniert

Ernährung

Hyperaktive Proteine schützen Algen besser vor Frost

Eiskristall unter Lichtmikroskop
Ein reiner Eiskristall im Lichtmikroskop zeigt deutlich die Morphologie der Kristalle und das Wachstum der Dendriten

Nein, es ist nicht überall gleich heiß. Während Deutschland im Würgegriff der Trockenheit ist, müssen sich Algen in den Polargebieten vor tiefen Temperaturen schützen. So genannte Frostschutzproteine haben die Kälte im Griff und sorgen dafür, dass sich keine Eiskristalle innerhalb der Organismen bilden. Das kann tödlich enden. Die Kristalle beschädigen Zellorganellen und binden Wasser, was unter anderem zur Schädigung von Proteinen führt. Die dreidimensionale Struktur der Proteine und damit deren Wirkung, wird durch eine Hydrathülle stabilisiert.  

Eiskristallforscherin

Dr. Maddalena Bayer-Giraldi am Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung beim Alfred-Wegener-Institut (AWI) hat die Kristallbildung von Eis an der Eisalgen-Kieselalge Fragilariopsis cylindrus studiert. Und ein dritte Art der Eisbindung gefunden.

Die Wissenschaft klassifizierte eisbindende Proteine bisher in zwei Gruppen: Der hyperaktive Typ heftet sich an mehrere Flächen von Eiskristallen und senkt die Gefriertemperatur so um sechs Grad Celsius ab. Der gemäßigte Typ heftet sich nur an die Seiten der Kristalle und nicht an die basalen Flächen und senkt die Gefriertemperatur so lediglich um weniger als ein Grad. Die Erkenntnisse resultieren auf der Basis biochemischer Vorgänge. Die Eiskristallforscherin hat sich aber unter dem Mikroskop das Wachstum der Eiskristalle am Institut für Niedrigtemperaturforschung im japanischen Hokkaido angeschaut. Einen speziellen Blick richtete sie auf die Morphologie und die Wachstumsgeschwindigkeit von Eiskristallen.

„Überraschenderweise konnten wir die eisbindenden Proteine, die das Eiswachstum hemmen, neben der basalen auch an der seitlichen, prismatischen Fläche der Eiskristalle sehen“, sagt AWI-Eisforscherin Maddalena Bayer-Giraldi. „Bei Temperaturen nahe des Gefrierpunktes sahen die Eiskristalle durch Facettenbildung wie sechseckige Platten aus – ein Phänomen, das in reinem Wasser nicht beobachtet wird“, ergänzt Professor Gen Sazaki von Universität in Hokkaido. Bei ausreichend tiefen Temperaturen traten die typischen verzweigten Kristalle auf. Durch die Bindung der Proteine an die basalen und prismatischen Flächen wurden die Kristalle flach und an der Spitze der Verzweigungen sehr dünn. Dadurch konnte die Wärme leicht abgegeben werden und die Spitzen der Kristallzweige sind sogar schneller gewachsen als in reinem Wasser.

Die Frostschutzproteine der untersuchten Alge heften sich an Basis und Seiten (basale und prismatische Fläche) von Eiskristallen an. Jedoch können sie den Gefrierpunkt des Wassers lediglich um weniger als ein Grad Celsius heruntersetzen. „Damit widersprechen unsere Beobachtungen der bisherigen Klassifizierung, denn obwohl die von uns untersuchten Proteine an mehreren Seiten der Eiskristalle heften und diese praktisch vollständig bedecken, senken sie den Gefrierpunkt weniger stark ab als der bisher beschriebene hyperaktive Typ“, resümiert Bayer-Giraldi. Die Aktivität von eisbindenden Proteinen könne demnach nicht ausschließlich danach unterschieden werden, ob sie an der Kristallbasis anhefteten.

Um den Einsatz von Frostschutzproteinen in der Lebensmittelindustrie oder der Medizin zu verbessern, müssen die molekularen Mechanismen noch besser erforscht werden.

Cremnig statt kristallin

Frostschutzmoleküle wurden in den 1950er Jahren vom schwedischen Tierphsysiologen Per Fredrik Thorkelsson Scholander vermutet. Der Gefrierpunkt für Fischblut liegt bei minus 0,9 Grad Celsius. Aber untersuchte Fische lebten noch bei Wassertemperaturen von minus 1,8 Grad Celsius. Seine Vermutung konnte erst zehn Jahre später der Zoologe Arthur DeVries bestätigen, der Frostschutzproteine aus arktischen Fischen isolieren konnte. Rund 30 dieser Proteine sind heute bekannt. Sie verhindern oder verlangsamen die Bildung von Eiskristallen. Unilever hat mit Frostschutzproteinen einen Weg gefunden, sein Magnum-Eis bei der Herstellung cremig zu lassen. Beim Gefrieren des Magnum-Eises entstehen  nach Beimischung entsprechender Proteine keine Eiskristalle mehr. Da diese Proteine durch gentechnisch veränderte Bakterien hergestellt werden, braucht das Magnum-Eis eine Zulassung, die für die USA, Australien und Neuseeland bereits vorhanden sind.

Lesestoff:

Bayer-Giraldi M., Sazaki G., et al., Growth suppression of ice crystal basal face in the presence of a moderate ice-binding protein does not confer hyperactivity. Proceedings of National Academy of Science, July 2, 2018. DOI: 10.1073/pnas.1807461115

Roland Krieg; Foto: Maddalena Bayer-Giraldi 

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