Zoonosen-Tagung des BfR

Ernährung

Med-Vet-Net tauscht Erfahrungen aus

Toxoplasmose gondii ist ein kleiner Parasit, der den Weg über unzureichend gegartes Fleisch oder kontaminiertes Wasser oder kontaminierten Boden zum Menschen gelangen kann. Schwangere übertragen den Parasiten auf das ungeborene Kind, dass mitunter erst Jahre später erkrankt. Listeria monocytogenes erreicht die Menschen über Weichkäse oder unverarbeiteter Milch. Allein in Deutschland erkranken jährlich 52.000 Menschen an Salmonellose. Allen Erkrankungen ist gemein, dass sie vom Tier auf den Menschen übertragen werden können und daher als Zoonosen gelten. In diesem Jahr fürchteten die Menschen teilweise auf dramatische Weise den Sprung des H5N1-Virus vom Geflügel auf den Menschen. An manche Zoonosen haben wir uns „gewöhnt“: Die Masern sprangen etwa 6.000 v. Chr. vom Rind auf den Menschen.
Alleine in der EU verursachen Zoonosen jedes Jahr Kosten in Höhe von über 6 Milliarden Euro und Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), schätzt die Risiken, an diesen Erregern zu erkranken und zu sterben höher ein als durch Dioxin und PCB.

Drei Tage Wissenschaftsansatz
Seit gestern versammeln sich internationale Wissenschaftler zu einer dreitägigen Konferenz in Berlin, die von den europäischen Med-Vet-Net-Experten zusammen mit Kollegen des amerikanischen Food Safety Research Consortium (FSRC) organisiert wird. Das mittlerweile im zweiten Jahr bestehende Med-Vet-Net bringt Human- und Tiermediziner zusammen, um vor allem neue Risiken für den Menschen zu identifizieren. Gelingen soll das, so Dr. Arie Havelaar vom niederländischen National Institut for Public Health in Bilthoven, gestern auf der Eröffnungspressekonferenz, durch Datensammlungen. „Manches Risiko wird erst durch eine Krise bestimmt“, so der Experte. Manche Krankheiten sind sehr selten, aber sehr letal, andere Krankheiten haben nur geringe Auswirkungen. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sollen die politisch und durch die Öffentlichkeit bestimmten Risiken austarieren und Kosten ermitteln, die eine Krankheit verursacht.
Die USA sieht es genauso. Dr. Elaine Scallan bezifferte in ihrem Vortrag die Zahl der über Nahrungsmittel übertragenen Erkrankungen in Amerika auf 76 Millionen. Daraus werden 325.000 Krankenhausaufenthalte und 5.000 Tote – jedes Jahr. Prof. Michael R. Taylor von der Universität in Maryland (Baltimore) möchte ein weltweites Foodbourne Illness Risk Ranking Model aufstellen, damit Politiker für ihre Entscheidungen, wo sie Ressourcen zur Vermeidung und Bekämpfung, sowie Vorsorge gegenüber Zoonosen, eine Handlungsanleitung haben. Er möchte sogar die verringerte Lebensqualität und verlorenen Arbeitstage in die Bewertung mit einbeziehen.

Zoonosen im Wandel der Zeit
Früher lebten Menschen und Tiere viel enger zusammen, als es heute der Fall ist. Manche traditionellen Bauernhäuser zeigen, dass beide unter einem Dach lebten. Hat die moderne Agrarproduktion die Zahl der Zoonosen zurückgedrängt? Sind die Auswirkungen der Erkrankungen heute größer als früher, weil der globale Handel und die industrielle Fertigung von Lebensmitteln mehr Menschen erreicht als früher?
E Coli by VLAVor über 200 Jahren standen Zoonosen wie der Milzbrand im Vordergrund, erklärte Dr. Hensel. Die Medizin hat in der jüngeren Vergangenheit viele dieser Erkrankungen in den Griff bekommen – was aber vor allem daran gelegen hat, dass damals diejenigen Krankheiten im Blickpunkt standen, die bei den Tieren klinische Symptome ausgelöst hatten und daher sichtbar gewesen sind. Heute kämpfen die Human- und Tiermediziner vor allem gegen Krankheiten, die bei den Tieren zwar vorhanden, aber nicht erkennbar sind. Sie sind „klinisch inapparent“, sagen die Experten.
Dr. Taylor sieht auch nicht die räumliche Enge in der Vergangenheit zwischen Menschen und Tieren als Problem an, sondern vor allem die heutige räumliche Enge der Tiere untereinander. Das Zusammensein großer Produktionseinheiten erfordere einen Vorsorgeansatz, der bereits auf den Betrieben greifen muss. Dr. Havelaar ergänzt, dass auch heute noch in vielen kleinen Betrieben und Hinterhofhaltungen, Tiere und Menschen eng zusammen leben. Eine Freilaufhaltung alleine, garantiere noch keine Gesunderhaltung der Tiere, denn gerade Schweine sind anfällig für die Aufnahme anderer, neuer Krankheiten. „Da steckt eine Menge Dynamik in dieser Betrachtung“, sagte er.
Die industrielle Verarbeitung der Rohprodukte hat in den letzten Dekaden den Fokus auf einen anderen Bereich gelegt. Keime können sich bei jedem einzelnen Verarbeitungsschritt vermehren, warnt Dr. Hensel. Daher muss jede Verarbeitungsstufe auch zur Verantwortung gezogen werden können. Und dazu gehört als letztes Glied der Verwertungskette der Verbraucher selbst: „Hände waschen nicht vergessen!“ – Diese einfache Vorsorge gehört genauso wie die Befolgung des Ratschlags, Geflügelfleisch getrennt von Salaten zuzubereiten, zur hohen und doch so einfachen Küchenhygiene dazu.

Gerade jetzt in den heißen Tagen
Wer gerade jetzt draußen den Sommer genießt, der wird festgestellt haben, dass in der Küche etliche Punkte zu beachten sind: Biomüll am besten täglich runter, damit die Wohnung nicht stinkt, alles sofort in den Kühlschrank, damit es einigermaßen frisch bleibt und die fliegenden kleine Plagegeister finden sich schneller ein, als man denkt. Die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) hält einige Tipps für die heißen Sommertage bereit:
Durcherhitzen tötet Keime zuverlässig ab, Temperaturen unter acht Grad verhindern, dass sie sich vermehren. Zum Einkaufen deshalb Kühltaschen mit gefrorenen Kühlelementen verwenden und zu Hause alle Lebensmittel gleich in den Kühlschrank räumen. Bei Gartenpartys Tiramisu oder andere Speisen mit rohen Eiern oder Eischnee direkt aus dem Kühlschrank servieren und sofort genießen. Auch zur Zubereitung von Eistee zum Aufgießen unbedingt kochend heißes Wasser verwenden, denn selbst im Teebeutel können Erreger lauern. Hackfleisch und Bratwurst noch am selben Tag zubereiten und ganz wichtig: Beides unbedingt gut durchgaren. Das gilt auch für Schweinefleisch, Geflügel und Wild. Diese Sorten nie roh, etwa als Tatar oder Carpacchio zubereiten. Und auch beim Grillen gilt: Im Fleischinneren soll die Kerntemperatur des Fleisches etwa 70 Grad erreichen. Nach dem Anfassen von rohem Fleisch die Hände waschen, um den Keimen keine Chance zu geben, auf andere Lebensmittel zu springen. Küchenbretter und Messer, die mit Fleisch in Berührung gekommen sind, gleich nach jedem Arbeitsgang gründlich reinigen und die Arbeitsplatte abwaschen. Nicht nebensächlich auch der Tipp der CMA: Küchen- und Spültücher noch häufiger wechseln als sonst. Kommen Gäste später als angegeben, dann sollen Sie die Speisen nicht warm halten, sondern im eisgekühlten Wasserbad zügig abkühlen, kühl stellen und dann noch einmal kurz aufkochen oder durchbraten.

Lesestoff:
Das BfR finden Sie im Internet unter www.bfr.bund.de
Das auf fünf Jahre gegründete europäische Netzwerk mit 16 Partnerorganisationen und 300 Experten gibt es unter www.medvetnet.org
Neuseeland experimentiert bereits mit einem Risikoranking. Das finden Sie unter www.nzfsa.govt.nz/science/riskprofiles/index.htm
Das die Menschen nicht alleine auf der Welt sind und mit Pathogenen auskommen müssen, bemerkte Prof. Robin Weiss im letzten Jahr in Berlin.

Roland Krieg
Foto: Veterinary Laboratories Agency (VLA), London – aus dem Jahresbericht 2005 Med-Vet-Net

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