Zwei Jahre „Taste the Waste“
Ernährung
Zweijahresbilanz von Filmemacher Valentin Thurn
Der Film „Taste the Waste“
von Valentin Thurn hat vor zwei Jahren ein Erdbeben ausgelöst. Dass
Wegschmeißen von Lebensmitteln wird auch heute noch von den Konsumenten
unterschätzt. Die Verbindung zum dem Gebot „Das tut man nicht“, war den meisten
Menschen aber bekannt. Das schlechte Gewissen in einer Welt mit mehr als 800
Millionen Hungernden hat Emotionen ausgelöst und, so die Bilanz von Valentin
Thurn, eine ganze Bewegung.
Auf der ANUGA in Köln zeigte Thurn sich noch heute überrascht, welche Welle sein Film auslöste. Vor seinen Recherchen gab es kaum Datenmaterial, wie viel Lebensmittel auf dem Müll landen. In Großbritannien und Österreich erschienen die ersten Studien. Thurn rechnete hoch und kam auf zehn bis 20 Millionen Tonnen, die in Deutschland auf dem Müll landen. In der ganzen EU sind es 90 Millionen Tonnen im Jahr. Mittlerweile haben Studien auch in Deutschland seine Berechnungen bestätigt.
Was für den Einzelnen wenig erscheint ist allerdings eine handfeste Summe. In Treibhausgasen umgerechnet verursacht der Lebensmittelabfall mit seiner Produktion rund zehn Prozent der deutschen Treibhausgasbilanz. Der Verkehrssektor liegt mit 12 Prozent nur unwesentlich höher.
Das hat Menschen und Politik
bewegt. Nach Nordrhein-Westfalen hatte sich die letzte Bundesministerin für
Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz, Ilse Aigner, bei Thurn gemeldet
und mit der Initiative „Zu gut für die Tonne“ den Kampf gegen die
Lebensmittelverschwendung gestartet.
Das trifft den Nerv der Konsumenten. Es haben sich mittlerweile „start ups“ gegründet, die aussortierte Lebensmittel verkaufen. In den Niederlanden heißt die Bewegung „ugly food“.
Der Film hat bewusst auf eine schwarz-weiß-Zeichnung verzichtet, so Thurn. 45 Prozent des Abfalls falle zwar auf Verbraucherseite an, doch sei es gelungen, die geteilte Verantwortung entlang der Wertschöpfungskette aufzuzeichnen. Der Handel habe bereits Ende der 1990er Jahre begonnen, die Tafeln zu versorgen, heute ist er mit Wissenschaftlern auf der Spur, die Müllmengen zu reduzieren.
Zehn Prozent der Lebensmittel landen weltweit durchschnittlich im Müll. Auch in Malaysia. Mit dem System der Supermärkte beginne die Verschwendung. Wer auf dem Land lebt und noch Kontakte zu den Bauern hat, der schmeiße weniger weg. Das erfordere angesichts des convenienten Lebensstil offenbar andere Kommunikationsstrategien.
So hat die EU ihre Verordnung über die Gurkenkrümmung zwar gestrichen – aber der Handel stapelt noch immer gerade Ware in die Kisten: Die krummen Gurken passen nämlich noch immer nicht.
Lesestoff:
In Deutschland hat sich im vergangenen Jahr mit www.united-against-waste.de ein breites Bündnis gegen die Lebensmittelverschwendung gegründet. Auf der ANUGA in Köln sind sie mit einem eigenen Stand vertreten.
Stuttgarter Studie gegen Lebensmittelverschwendung
Für die Lebensmittelindustrie kalter Kaffee:
Roland Krieg, Fotos: roRo