Achtung: Kontrolle!

Handel

Immer mehr Hofkontrollen

Auch der aktuelle Pferdefleischskandal wird den gewohnten Gang gehen: Entdeckung, Aufregung, Analyse: Schuldigen und Ursache gefunden. Am Ende steht ein neues Gesetz, eine neue Betriebsanforderung, ein neues Zertifikat. Es ist komisch: Je mehr Siegel es gibt, umso mehr Kontrollen durchgeführt werden, desto mehr fragt sich der Verbraucher: „Wem kann ich eigentlich noch trauen?“

Offenbar führen Siegel, Zertifikate und Betriebskontrollen nicht zu mehr Sicherheit – oder umgekehrt nur zu dem Gefühl, dass alles so sicher ist, das absolut nichts mehr passieren kann. Dann ist bei einem Lebensmittelskandal die Fallhöhe beim Verbraucher besonders hoch.

Wechsel der Perspektive: Die Bauern wollen Traktor fahren, Kühe melken, Geflügel füttern oder sich Gedanken um die neue Anbausaison machen. Doch weltweit kämpfen sie mit Papier und Inspekteuren. Eine italienische Genossenschaft für Obst und Gemüse beklagte kürzlich, sie habe 120 Prüftage im Jahr. Ein Kleinbauern aus Lateinamerika beschwert sich, dass er 15 Mal im Jahr kontrolliert wird.

Die eigentliche Kontrolle ist dabei das geringere Problem. Doch jedes Kilogramm Dünger, Futter, der Verbleib der Nachzucht, jeder Kauf- und Verkaufsvertrag muss so dokumentiert und vor allem abgelegt sein, dass jederzeit der Warenstrom für den Kontrolleuer nachvollziehbar ist. Wenn nicht, drohen empfindliche Strafen und der Verlust eines Siegels, das dem Bauern einen bevorzugten Zugang zu einem Markt gewährt.

Das Problem betrifft den konventionellen und den ökologischen Markt. Global G.A.P, ISO 9000, demnächst abgelöst von ISO 22000, Demeter, EU-Bio, Gentechnikfrei oder soziale Standards… Die Prüfliste wird immer länger.

Zumindest die Biobranche macht sich Gedanken, die Prüfungen zu vereinfachen und zu verringern, ohne dass die Qualität der Kontrolle leidet. Gruppenzertifizierungen sind so ein Beispiel, die auf der BioFach vorgestellt wurden.

Dabei musste erst einmal definiert werden, wer überhaupt zu einer Gruppe gehört. Das sind nicht nur die Bauern in einer Kooperative, sondern auch Vertragslandwirte, die beispielsweise für große Exportunternehmen Kaffee anbauen.

Katherine DiMatteo, frühere IFOAM-Präsidentin und heute in den USA für Zertifizierungen zuständig, gab einen Einblick in die komplizierte Diskussion für das strenge National Organic Program (NOP) in den USA. Bedeutet die Kontrolle jeder Produktionseinheit auch die jährliche Prüfung der Subeinheiten, oder reicht ein Prozentsatz an Kontrollen für die Gruppenzertifizierung aus? Nach mehrjähriger Definition gab es eine Lösung. Die Gruppenzertifizierung ist nur für die Prozesse der obersten Produktionseinheit zuständig. Wer ein Gruppenzertifikat haben will, der muss mit einer interne Kontrolle die Standards für die vorgelagerten Bereiche sicher stellen. Das System funktioniert aber nur, wenn die vorgelagerten Einheiten in einem abgegrenzten einheitlichen geografischen Bereich liegen und ein homogenes Gut in einer definierten Prozesskette verarbeiten.

Frank Gerriets von Organic Services stellte ein EDV-basiertes Zertifizierungssystem vor, das diese Zweiteilung abzubilden vermag. Von einem großen System heraus, kann dieses von lokalen Partnern auf die lokalen Bedürfnisse angepasst werden. Alle bereits vorhandenen Vorzertifikate können als Bild oder PDF-Datei eingespielt werden. Damit gehe nichts verloren. Die Inspekteure werden zwar noch weiterhin vor Ort mit Papier und Bleistift unterwegs sein, künftig aber auch nur noch online arbeiten.

Der Vorteil ist das Aufsetzen verschiedener Standards. Manche Betriebe haben vier bis fünf Zertifizierungen zu erfüllen, die sich oftmals nur in Details unterscheiden. Vor allem der Drittstaatenmarkt wird sich weiteren Kontrollen ausgesetzt sehen. China hat im letzten Jahr eine neue, strengere Ökozertifizierung eingeführt, die einen 17-stelligen Betriebscode für die Rückverfolgbarkeit bereit hält. Eine in China tätige Zertifiziererin sagte auf der BioFach zu Herd-und-Hof.de, dass mehr Kontrollen, auch unangemeldete Kontrollen auf die Betrieben zukommen werden.

Steffen Reese, Geschäftsführer von Naturland, sagte zu Herd-und-Hof.de, dass das vorgestellte System zeigen wird, wie viele Prüfungen und wie viel Zeit eingespart werden kann. Die zurückliegenden Skandale auch im Biobereich lassen einen Verzicht auf Kontrollen nicht zu. Sie dienen vor allem, die schwarzen Schafe ausfindig zu machen. Naturland habe beispielsweise schon Zertifizierungen zusammengelegt, um Doppelarbeiten zu vermieden. Aber, so Reese, wer an dem „Mehrwert-System“ Naturland teilhaben möchte, der muss sich auch kontrollieren lassen.

Roland Krieg

[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige BioFach mit dem Suchbegriff „ BF-13“ im Archiv anzeigen lassen]

Zurück