Addis mahnt die reichen Länder

Handel

Multilateraler Handel muss auch umgesetzt werden

International hat die UN-Finanzierungskonferenz in Addis Abeba in der letzten Woche den Auftakt zu den Folgekonferenzen in New York über die Sustainable Development Goals und die Klimakonferenz in Paris gegeben. Da aber die Ergebnisse in New York und Paris vom globalen Geldbeutel abhängen, musste Addis Abeba gleichermaßen ein Fundament für die nächsten Dekaden legen. Ob das funktioniert hat, wird sich erst nach den großen Konferenzen wirklich abbilden lassen.

Den Rahmen setzen

Auch Addis Abeba hat überwiegend Rahmenbedingungen für die Stärkung der Sozialsysteme und die Beendigung des Welthungers gesetzt. Geld für die Schließung der riesigen Infrastrukturlücken sollen die neuen Entwicklungsbanken AIIB der Chinesen und der NDB der BRICS-Länder bereit stellen [1]. Diesbezüglich hat die UN-Finanzierungskonferenz ein Bekenntnis zu privaten Wirtschaftskooperationen abgelegt. Ohne Unternehmer läuft nichts. Anders lassen sich die jährlich 1,5 Billionen US-Dollar allein für den Aufbau von Infrastruktur gar nicht aufbringen. Das Abschlussdokument von Addis Abeba allerdings setzt nicht nur auf multinationale Konzerne, sondern will vom Mikrounternehmer im ländlichen Raum bis zu Kooperativen möglichst viele Menschen an der Entwicklung teilhaben lassen. „Alle Geldquellen, öffentliche und private, heimische und internationale werden benötigt“, sagt Helen Clark, Chefin des UN-Programms für Entwicklung (UNDP). Die Quellen müssen sich ergänzen und verstärken, sie dürfen nicht gegenläufig eingesetzt werden.

Die Europäische Entwicklungsbank (EIB) hat in Addis Abeba die Zusammenarbeit mit der FAO verstärkt, um vor allem den Agrarsektor außerhalb der EU stärker zu fördern. „Landwirtschaft und Agribusiness sind Schlüsselelemente für Entwicklung, da sie für das Leben, die Lebensstile und soziale Stabilität zentral sind“, begründet EIB Vizepräsident Pim van Ballekom das Engagement.

Von den großen Konzernen will die Weltgemeinschaft etwas Besonderes. Sie will endlich die Steuerflucht und Steuerhinterziehung beenden und hat sich bis 2030 die Marke fünfzig Prozent gesetzt, um den Anfang in das Ende der Geldentziehung zu setzen. „Den armen Staaten entgehen durch Steuerhinterziehung und legale Steuervermeidung mehr Mittel, als die gesamte Entwicklungszusammenarbeit umfasst“, mahnt Uwe Kekeritz (Bündnis 90/Die Grünen) die Notwendigkeit eines funktionierenden Steuersystems an. Deutschland und die EU jedoch blockieren das, weil sie ein zwischenstaatliches Gremium bei der OECD lassen wollen. Hingegen fordert die Gruppe der G77, die Entwicklungs- und Schwellenländer, die Stärkung eines UN-Steuerkomitees.

Nicht aus der Verantwortung lassen wollen die Südländer die Reichen bei ihrem Versprechen, mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in die Entwicklungshilfe zu stecken, wobei 0,15 bis 0,2 Prozent in die am wenigsten entwickelten Länder fließen sollen. Vor allem deren Hilfe ist rückläufig. Die Bundesregierung hinkt um 50 Prozent hinterher. Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller habe nach Uwe Kekeritz keinen Aufholplan, das wichtige Signal für den Süden umzusetzen.

Addis Ababa Action Agenda

Addis ist ein Bekenntnis zum Handel und erkennt die neuen Realitäten an. Die Stärkung der Süd-Süd-Kontakte soll den Nord-Süd-Handel nicht ersetzen. Damit alle nach den gleichen Regeln spielen soll die nächste WTO-Konferenz zur Doha-Runde, die einst als Entwicklungsrunde begann und von den bilateralen Handelsabkommen in den Schatten gestellt zu werden droht, Ende des Jahres endlich einen Schritt weiter kommen.

So will die „Addis Ababa Action Agenda“ der Politik hauptsächlich den Weg zu Finanzquellen aufzeigen. Immerhin sind vier neue Initiativen entstanden, die Hoffnung auf mehr geben:

Steuern: Das Entwicklungsprogramm der UN (UNDP) wird zusammen mit der OECD Steuerinspektoren ohne Grenzen gründen, 18 Industrieländer werden nach der Addis Tax Initiative ihre Hilfe für den Aufbau von Steuersystemen in den Südländern verdoppeln und vergleichbares wollen die Weltbank und der Internationale Währungsfonds umsetzen.

Entwicklungsbanken: AIIB und NDB werden nicht die letzten Gründungen von Entwicklungsbanken sein. Industrie- und Entwicklungsländer sollen in den nächsten Jahren weitere Banken gründen, um die riesigen Lücken in der Infrastruktur zu schließen und Menschen vor allem in den ländlichen Räumen eine Chance zur Einkommensgenerierung zu geben.

Sozialausgaben: In Addis sind neue Partnerschaften für soziale Aspekte gegründet worden. Unter anderem gibt es jetzt einen 12 Milliarden US-Dollar-Fonds für die Gesundheit von Frauen und Kindern. Die Gates-Stiftung hat zusammen mit der islamischen Entwicklungsbank einen 2,5 Milliadren US-Dollar Fonds aufgelegt und mit UNITLIFE werden Lizenzgelder als innovativer Finanzmechanismus für die Sicherstellung der Ernährung in Afrika übertragen. Die G7-Länder haben ihre Versprechen erneuert, bis 2030 mehr als 500 Millionen Menschen von Hunger und Unterernährung zu befreien.

Umwelt: Für den Bereich der erneuerbaren Energien wurde nach einem vorgestellten Bericht der „Sustainable Energy for All“ – Initiative das Potenzial zur schrittweisen Erhöhung eines jährlichen Investments für 120 Milliarden US-Dollar bis 2020 vorgestellt.

Risikostreuung

Am fehlenden Geld hängt die Verbesserung der Welt nicht; Addis Abeba hat gezeigt, dass es am Willen fehlt, die vorhandenen Quellen gemeinschaftlich im Sinne für alle auszugeben. Gelingt das, wird das Wort von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon wahr: „Die Addis Abeba Action Agenda ist ein großer Schritt vorwärts, Würde und Wohlstand für alle Menschen zu erreichen.“

Fehlendes Investment resultiert aus hohem Risiko, das Finanzgeber zurückhält, sagt Grete Faremo, Exekutivdirektorin der UN-Organisation für Projektservices (UNOPS). Eine faire Risikoverteilung könne hier der Schlüssel für die Freisetzung von Ressourcen sein. So stehen beispielsweise Gesetze und Vorgaben dem Aufbau netzunabhängiger Energieversorgungen im Wege. Oft habe die Gesetzgebung nicht mit dem technischen Fortschritt mitgehalten.

Arancha Gonzales, Exekutivdirektorin des International Trade Centres (ITC), erinnert an die alten Werte der Entwicklungspolitik: Kleinunternehmer sind in manchen Ländern bis 80 Prozent der Beschäftigten verantwortlich. Nicht nur die Politik muss daher die Bildung von Kleinunternehmen fördern, auch die Großkonzerne tragen globale Verantwortung für den Aufbau von klein- und mittelständischen Unternehmen. Sie haben die Erfahrungen, von denen kleine Geschäfte profitieren können. Ohne sie können Kleinunternehmen die Komplexität von neuen Standards nicht mehr bewältigen und sind vom Markt ausgeschlossen. Hilfe für die Mikrounternehmen kann Selbsthilfe sein, erklärte Gonzales. So hat mit Hilfe des ITC Bosch mit kenianischen Lebensmittelverarbeitern zusammengearbeitet. Die arbeiten jetzt produktiver und sind wettbewerbsfähig, was am Ende über ein erhöhtes Einkommen zum Kauf von Bosch-Geräten führen kann.

Möglichkeiten

Graziano da Silva, Generaldirektor der FAO, hält ein Ende des Hungers bis 2030, dem Zeithorizont der nachhaltigen Entwicklungsziele für möglich. Für jeden Menschen in extremer Armut sind umgerechnet lediglich 160 US-Dollar pro Jahr notwendig. Der Aufwand für die Beseitigung der Unterernährung ist niedriger die Kosten, die Unterernährung für die Weltwirtschaft verursacht. Für Sozialsysteme und Ernährungssicherheit muss die Weltgemeinschaft bis 2030 jährlich rund 267 Milliarden US-Dollar aufbringen.

Mehr Glaubwürdigkeit

Norbert Neuser von den europäischen Sozialdemokraten kritisiert nach der Konferenz, dass nur die Europäer mit 2030 einen festen Zeitplan für das 0,7 Prozent-Ziel aufgesetzt haben. „Kanada, Japan, Australien und die USA geben jetzt schon wesentlich weniger Mittel als die EU und werden durch diese weiche Absichtserklärung in absehbarer Zeit kaum mehr geben.“

Lesestoff:

Die Schlussdokumente finden Sie unter www.un.org/esa/ffd/ffd3/

[1] Stellen die BRICS-Länder den G7-Club in den Schatten?

Roland Krieg

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