Afrika: Armut im Überfluss
Handel
Defizite der inneren Entwicklung in Afrika
Die FAO hat in ihrem jüngsten Bericht zur Welternährungssituation Afrika als Hotspot ausgemacht. 27 von 34 Ländern, die auf den Import von Lebensmittelimporten angewiesen sind, liegen in Afrika [1]. Armut ist jedoch nicht nur vom Umfang ein Problem auf dem Kontinent. Weltbank-Vizepräsident für Afrika, Makhtar Diop, formuliert es inhaltlich so: „Trotz landwirtschaftlicher Fläche im Überfluss und trotz mineralischem Wohlstand bleibt Afrika arm.“ [2]. Die UNCTAD hat mit ihrem Entwicklungsbericht 2013 über Afrika eines der großen Problemfelder ausführlich analysiert: Der innerafrikanische Handel findet kaum statt [3].
Defizit Binnenmarkt
In der EU nimmt der Binnenmarkt rund 70 Prozent der Exportgüter aus den eigenen Mitgliedsländern auf. In Asien sind es 50 Prozent, in Lateinamerika 21 Prozent. In Afrika liegt die Quote am Gesamthandel lediglich bei elf Prozent. Es gibt verschiedene Wirtschaftsblöcke, die sich in den letzten Dekaden formiert haben. Doch der Handel mit dem Nachbar bleibt unterentwickelt. Das spüren vor allem die Unternehmen und liegt in der Verantwortung der Regierungen. Die Entwicklung des innerafrikanischen Handels sollte auf der politischen Agenda stärker in den Fokus rücken und Bestandteil der Regionalentwicklung werden. Nicht, dass Afrika nicht handelt. Das Handelsvolumen mit der restlichen Welt stieg von 251 Milliarden US-Dollar im Jahr 1996 auf 1.151 Milliarden im Jahr 2011. Der Export- und Importumsatz innerhalb Afrikas allerdings sank sogar leicht von 582 auf 569 Milliarden US-Dollar.
Fehlende Resilienz
Der Handel in Afrika ist nicht nachhaltig. Das Wachstum
in der wirtschaftlichen Beziehung zu „Drittstaaten“ hat keine nachhaltigen
Effekte, so die UNCTAD. Es hat nur wenig Arbeitsplätze und Wohlstand
geschaffen. Die Abhängigkeit von den globalen Märkten hat Afrika empfänglich
für Krisen wie in den Jahren 2008 und 2009 gemacht. Hingegen könne der Ausbau
des innerafrikanischen Handels unabhängig von den Weltmarktschwankungen machen
und mehr Arbeitsplätze und Wohlstand generieren. Für einige Binnenländer und
das südliche Afrika sind die Märkte im Nachbarland zudem dauerhaft besser zu
erreichen als Nordamerika, Asien und Europa.
Studien zeigen, dass ein Ausbau des innerafrikanischen
Handels, beispielsweise der West African Economic and Monetary Union (WAEMU),
ein dreifach höheres Handelsvolumen bescheren könnte, wenn alle überregionalen
Verbindungsstraßen befestigt wären. Eine Verkürzung der Handelswege miteinander
würde den innerafrikanischen Handel um 173 Prozent erhöhen. Steigt das
Sozialprodukt eines Landes um ein Prozent, steigt dessen bilateraler Handel mit
einem Nachbarland um zwei Prozent.
Verbesserung der Ernährungssituation
Die UNCTAD legt Wert auf den Agrarhandel. Nur 25 der 53 afrikanischen Nationen hat unter den ersten drei Exportprodukten ein landwirtschaftliches Gut auf der Rechnung stehen. Dabei weist der Kontinent 27 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche auf. Rund 733 Millionen Hektar Land sind zu verzeichnen. Das dichter bevölkerte Asien muss mit 628 Millionen Hektar auskommen und das dünn besiedelte Lateinamerika bewirtschaftet nur 570 Millionen Hektar Land. Der Weltbankbericht hat einen Zehn-Punkte-Plan für die Erschließung der eigenen landwirtschaftlichen Ressourcen aufgestellt [2]. Der wichtigste Punkt ist die Erstellung eines Katasters für alles Gemeinde- und private Land. Weil die Verstädterung in Afrika voranschreitet, müssen auch Regularien über die Nutzung öffentlichen Landes in den Außenbezirken und Slums festgelegt werden. Die Regierungen müssen schwache Rechtsumsetzung und Korruption energischer bekämpfen und der Aufbau eines politischen und Finanzrahmens für die Mobilisierung der Landreserven für die eigene Bevölkerung und Auslandsinvestitionen umsetzen. Die Weltbank hat auch die Kosten dafür berechnet: Die Umsetzung dieser Punkte für alle afrikanischen Länder beträgt demnach lediglich 4,5 Milliarden US-Dollar für die nächsten zehn Jahre.
Auf Bestehendes aufbauen
Die afrikanischen Länder müssen aber nicht bei Null anfangen. Die ökonomische Blockbildung ist nach Ansicht der UNCTAD ein günstiges Fundament für die weitere Entwicklung. Die Ökonomie steht mit 39 Prozent auch als Hauptmotiv für die zahlreichen Zusammenschlüsse. Die Politik folgt mit 31 Prozent, geografische oder historische Gründe werden nur zu 16 und sechs Prozent genannt.
Warum klappt es dennoch nicht?
Zwei Gründe hat die UNCTAD herausgearbeitet, warum die
innerafrikanische Entwicklung dennoch hinterher hinkt. Zum einen sind die
Ökonomien sehr klein.
24 der 53 afrikanischen Länder haben weniger als zehn
Millionen Einwohner. 17 davon sogar weniger als fünf Millionen - gerade einmal
doppelt so viele Einwohner wie Berlin. 29 Länder weisen ein Bruttosozialprodukt
von weniger als zehn Milliarden US-Dollar auf und 18 davon müssen mit weniger
als fünf Milliarden US-Dollar auskommen. Das entspricht in etwa dem
Euro-Haushalt der Stadt Berlin aus dem Jahr 2012.
Kleine Staaten bedeuten auch kleine Unternehmen. 266 afrikanische
Firmen unter den Top 500 erzielen ebenfalls weniger als zehn Milliarden
US-Dollar Umsatz. Zu viele kleine Ökonomien mit kleinen Firmen haben es nicht
nur am Weltmarkt, sondern auch in einem überregionalen Binnenmarkt schwer, so
die UNCTAD.
Mit dem zweiten Grund nimmt die UN-Organisation für Handel
und Entwicklung die Ergebnisse der Weltbankanalyse über mangelnde Infrastruktur
auf [4]. Die Transaktionskosten sind das zweitwichtigsten Hindernis für einen
innerafrikanischen Handel. Heute ist das Straßennetz in Afrika kleiner als noch
vor 30 Jahren. Die Frachtkosten in Zentralafrika liegen zwischen Kamerun und
dem Tschad mit 0,11 US-Dollar pro Kilometer doppelt so hoch wie in Westeuropa.
In Pakistan werden Güter für 0,02 US-Dollar je Kilometer transportiert. Die
Kosten sind für einen regionalen Handel hinderlicher als Zölle und
nichttarifäre Handelshemmnisse. Die Transportkosten machen rund 7,7 Prozent der
gesamten Frachtkosten aus, was doppelt so hoch ist wie der Weltdurchschnitt mit
3,7 Prozent.
Entwicklungsagenda
Die Voraussetzungen für einen innerafrikanischen Hanel sind
da. Agrar- und andere Güter könnten in verschiedenen Binnenmärkten
Verfügungsdefizite ausgleichen. Eine Stärkung der eigenen Unternehmen würde manche
sogar wettbewerbsfähig für den Weltmarkt machen. Wirtschaftssonderzonen könnten
ein Element regionaler Entwicklung sein. Einer der ersten Wirtschaftskorridore
wurde 1996 in Südafrika eingerichtet und verbindet die Gauteng-Provinz mit dem
Hafen Maputo in Mosambik. Nördlich davon engagiert sich die EU in dem
Wirtschaftskorridor Beira [5].
Hier ist nach Empfehlung der UNCTAD die Politik gefragt,
die neben der Infrastruktur auch die Rahmenbedingungen für einen innerafrikanischen
Handel stärken sollte. Am besten gelänge das, wenn die Länder die
Regionalentwicklung als Baustein für die gesamte Entwicklung begreifen würden.
Das würde Afrika auch stärken, um einmal wie andere Schwellenländer einen Platz
auf dem Weltmarkt in Augenhöhe zu finden. Dazu gehören aber auch, wie die
UNCTAD in ihrem letzten Abschnitt des Reports schreibt, ganz andere sichernde
Rahmenbedingungen: Frieden und Sicherheit.
Lesestoff:
[1] FAO: Die meisten Importländer für Lebensmittel sind in Afrika
[2] Byamugisha, Frank: Securing Africa´s Land for Shared Prosperity, Africa Development Forum, The World Bank 2013
[3] UNCTAD: Economic Development in Africa: Intra-African Trade: Unlocking Private Sector Dynamism (2013) www.unctad.org
[4] Weltbankstudie 2009 zu Afrikas Infrastruktur
[5] Ausbau der EU-Partnerschaftmit Mosambik
Roland Krieg