Afrika liegt vor dem Mond
Handel
Wettlauf um Ressourcen in Afrika
Der März überraschte mit der Ankündigung, dass Deutschland auf den Mond will. Die mythischen Geheimnisse um den Mann auf unserem Trabanten sind längst gelüftet und die bemannte Raumfahrt hatte den Mond schon lange nicht mehr im Visier. Der Berliner Planetenforscher Gerhard Neukum jedoch fokussierte in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel das Interesse auf einen andern Mittelpunkt: „Der Mond ist eine Rohstoffquelle“.
Von Kanada bis Australien und von Russland bis Argentinien kommen Steinkohle, Erdöl, Bauxit, Zink, Mangan und Silizium nach Deutschland. Ohne diese Rohstoffe könnte Deutschland keine Industrie erhalten und künftig stehen sogar erneuerbare Energien aus Afrika im Mittelpunkt der Versorgung. Die Euroform-Konferenz „Rohstoffmärkte“ im November des letzten Jahres zeigte, dass die seit sechs Jahren anhaltende Hausse an den Rohstoffmärkten die Preise für Industriemetalle und Energierohstoffe nach oben treibt. Und der Superzyklus bei Rohstoffen ist noch nicht vorbei und dürfte mit neuem Schwung in der zweiten Jahreshälfte 2007 zurückkehren, meinen Finanzexperten der französischen Investmentbank Credit Suisse. Stratege Philipp Vorndran sagte in der Financial Times Deutschland Mitte März: „Die Rohstoffnachfrage der Emerging Markets wird unserer Einschätzung nach mindestens fünf Jahre lang einen Schlüsselfaktor darstellen“. Afrika rückt dabei immer mehr in den Mittelpunkt.
Der Wettbewerb hat begonnen
Die Chinesen sollen Angola 35 Milliarden Dollar an Krediten zugesagt haben. Sie bauen ganze Stadtteile, Brücken und Straßen und kümmern sich nicht um Umweltgutachten oder Menschrechte. Im Gegenzug liefert Angola Öl in das Reich der Mitte – Energie, die der wachsende Riese dringend braucht. Beim bisher größten Gipfeltreffen zwischen China und Afrika im vergangenen Jahr sagte Staats- und Parteichef Hu Jintao: „China schätzt seine Freundschaft mit Afrika.“ Einige Tage später konterte EU-Kommissar José Manuel Barroso mit einer „strategischen Allianz zwischen Afrika und der europäischen Union“. Afrika erhalte jährlich 16 Milliarden Euro Entwicklungshilfe von der EU und exportiere 85 Prozent seiner Agrarprodukte in die Gemeinschaft.
Was aber genau ist Afrika? Afrika ist der Untertasse große 20 cm hohe Becher, wie er bei Bundespräsident Horst Köhler auf dem Schreibtisch steht, und die Wochenration Hirse im Zentrum für schwangere Frauen in Mali beinhaltet. Afrika ist die Savannenlandschaft der Serengeti, die weltweit das höchste Biomassewachstum aufweist und damit die Fruchtbarkeit des Kontinents symbolisiert. Afrika ist aber auch die Hochtechnologie der Kohleverflüssigung in Südafrika. Der Reichtum an Mineralien und teils günstige klimatische Faktoren des gesamten Kontinents geraten in den Fokus der Industrieländer.
Haben und Nichthaben
Seit gestern konferieren internationale Gäste der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin über ein Memorandum, dass im Mai auf dem African Partnership Forums der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll. Im Mittelpunkt steht Afrika, dass „nicht auf einem Rohstofflieferanten reduziert“ werden darf, resümierte Barbara Unmüßig, Vorstand der Böll-Stiftung. Nicht nur der Klimawandel erfordere eine Abkehr von der fossilen Ressourcenpolitik, sondern insgesamt muss auf eine „ressourcenleichtere Wirtschaft“ umgestellt werden. Beim Handel mit den rohstoffreichen Ländern, die Energie und Holz, sowie Minerale und Agrarprodukte liefern, komme es hinsichtlich des anstehenden G8-Gipfels auf sozialverträgliche und ökologische Rahmenbedingungen des Handels an. Derzeit werde die „geopolitische Diversifizierung der Erdöllieferungen“ noch mit Waffengewalt, Drohungen und milliardenschweren Investitionen vorangetrieben. Bei der Konzessionsvergabe gibt es Korruption und die erzielten Gewinne fließen außer Landes. „Die afrikanischen Zivilgesellschaften arbeiten unter schwierigsten und lebensgefährlichen Bedingungen, um Transparenz zu schaffen“, stellte Unmüßig fest.
Global Witness |
Mit Rohstoffreichtum geht noch immer Armut einher. Patrick Alley, Direktor von Global Witness fasste kurz zusammen: Unter den Ländern, die ihre Ressourcen exportieren müssen, befinden sich 50 Entwicklungsländer, haben 1,2 Milliarden Menschen weniger als zwei Dollar am Tag zum Leben; 26 von 36 Erdöl exportierenden Länder befinden sich in der unteren Hälfte der Korruptionsskala und Afrika trifft es trotz des Ressourcenreichtums am häufigsten. Es besteht die Gefahr, dass die neuen Wirtschaftsmächte „das Auto des Kolonialismus“, das Amerikaner und Europäer mit laufendem Motor haben stehen lassen, einfach weiter fahren.
Geld für die eigene Entwicklung erwirtschaften
Oft stehen Handel und Entwicklung im Gegensatz, aber Entwicklung ist nur durch Handel zu bewerkstelligen. Sofern die Rahmenbedingungen so ausgelegt sind, dass Gewinne für die Entwicklung ländlicher Räume, zur Krankheitsbekämpfung, Ausbildung und Ernährungssouveränität wieder eingesetzt werden. Das will die „Extractive Industries Transparency Initiative“ (EITI) erreichen, der Peter Eigner, Gründer von Transparency International, vorsteht. Im März 2005 wurden die Grundsregeln und Prinzipien für den Wohlstandstransfer in einem Handbuch zusammen gefasst. Mittlerweile haben sich bereits über 20 Staaten freiwillig diesen Regeln angeschlossen.
Auf Grund von Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen wurde im Mai 2000 im südafrikanischen Kimberley zwischen der Diamantenindustrie und den Regierungen die Vereinbarung getroffen, dass aus Konfliktzonen keine Diamanten auf den Weltmarkt gehandelt werden. Das Ergebnis war das Kimberley Process Certification Scheme, dass bis zum August 2003 von 52 Regierungen voll ratifiziert wurde. |
Diese Regeln kann man bereits verfolgen, obwohl man noch keine Ressourcen ausbeutet, wie Sumayya Athmani, Gesellschafterin der National Oil Cooperation of Kenya offenbart. In ihrem Land wurden zuletzt 39 Probebohrungen zur Erdölförderung abgeschlossen – aber ohne Erfolg. Trotzdem will Athmani die Realisierung der EITI-Regeln in ihrem Land vorantreiben, „damit man vorbereitet ist, wenn man auf Öl stößt.“ Aber sie sagte auch, dass es nicht nur um fossile Rohstoffe geht. Kenias florierendes Geschäft ist der Tourismus und auch in diesem Bereich ist die Verteilung der Gewinne nicht transparent ausgelegt. Gesetze und Strafen hält sie für die richtige Strategie und erinnert an den Südafrika-Boykott der 1980er Jahre.
Die eigene Nase nicht vergessen
Patrick Alley ermahnte gestern im Berliner Kronprinzenpalais auch die Afrikaner: Die Eigenverantwortung der Nationen könne nicht unter dem Deckmantel der kolonialen Geschichte versteckt werden. Ohne die eigene Regierung, so ein Diskussionsteilnehmer aus Afrika, können die ausländischen Organisationen nur wenig ausrichten. Peter Eigner hingegen sieht in den Industrieländern ausreichend Handlungsbedarf: Wenn Manager, wie bei Siemens, mit der Grundhaltung, ohne Bestechung könne man international keine Geschäfte betreiben, ausgestattet sind, dann müssen auch die Industrieländer ihre Hausaufgaben machen.
Es könne keine doppelten Standards geben. Die großen Unternehmen müssen in Übersee die gleichen Standards beachten, wie sie es zu Hause auch tun. Daraus schöpft Alley Hoffnung: Moralischer druck auf die Märkte und Kontakt der Nichtregierungsorganisationen zur Politik. Man könne sich aber nicht auf freiwillige Selbstvereinbarungen verlassen, sondern müsse Gesetze schaffen. Zum Handeln sei jetzt die richtige Zeit, denn Kriege und Klimawandel warten nicht.
Lesestoff:
Die Heinrich-Böll-Stiftung kann unter www.boell.de im Internet besucht werden. Die NGO der Referenten finden Sie unter:
www.eitransparency.org
www.globalwitness.org
Einer der größten Internetseiten mit Nachrichten aus und über alle afrikanische Staaten ist www.allafrica.com.
Roland Krieg