Agrarausfuhren auf Höchststand
Handel
Brexit ist die größte Herausforderung
Der Handel in Deutschland brummt, die Weltwirtschaft wächst. Im Vorfeld der Grünen Woche in Berlin konnten die meisten der in der German Export for Food and Agriproducts (Gefa) vertretenden Verbände auf ein erfreuliches Jahr 2017 zurückblicken und optimistisch auf die kommenden 12 Monate schauen.
„Made in Germany“ gilt in den sich ausweitenden Mittelschichtend der Welt als Qualitätsmaßstab. Kekse, Schweinfleisch, Milch und Käse, aber auch Landmaschinen werden ihrem guten Ruf gerecht. Auch wenn das kein Selbstläufer ist, denn mit China und Frankreich sind bei den Top Ten der Hauptexportländer gleich zwei neue Mitbewerber aufgerückt. Deutschland hat sowohl bei den Exporten als auch bei den Importen seinen Status gehalten. Auch wenn die letzten Wochen des vergangenen Jahres noch nicht ausgewertet sind, hat die Branche um weitere 3,8 Prozent zulegen können und einen Umsatz von 78,3 Milliarden Euro erwirtschaftet. Allein die Landtechnik hat wieder um sechs Prozentpunkte auf 5,7 Milliarden Euro zulegen können.
Mengenmäßig ging der Export allerdings zurück. Bei Weizen um 16,9 und bei anderen pflanzlichen Erzeugnissen um 11,1 Prozent. Dagegen wuchs der Umsatz um vier Prozent. Das heißt: Die deutschen Agrarexporteure haben mehr veredelte Ware in die EU und in Drittländer verkaufen können. Einen leichten Rückgang in der Summe haben nur Süßwaren (- 0,8 Prozent) und Bier (- 4,1 Prozent) erleiden müssen. Molkereiprodukte und Fleisch und Wurst stehen bei den Ausfuhren weiterhin an erster Stelle.
Etwas mehr als zehn Prozent der Agrarexporte gehen in Drittländer. China und Saudi Arabien haben im vergangenen Jahr dem bundesdeutschen Export Einbußen gebracht. Bernd Wirtz, stellvertretender Sprecher der Gefa und Exportleiter der Vion GmbH, fürchtet, dass die neuen Importzertifikate für China den Handel ab 2019 zusätzlich erschweren. Die deutsche Politik trifft die Ankündigung aus Peking unvorbereitet. Denn wer die Zertifikate ausstellen muss, ist zwischen Bund und Länder derzeit umstritten.
Dafür ist aber Russland als Agrarexportziel „wieder da“. Der Handel hat im letzten Jahr um 12,8 Prozent zugelegt. Die sanktionierten Märkte allerdings sind weg. Da macht sich in der Exportbranche niemand mehr Illusionen.
Fleisch und Veterinärzertifikate
Die einzigen, die in allen Sektoren Verluste hinnehmen mussten, war die Fleischindustrie. Bei Schweinefleisch haben die Chinesen in der zweiten Jahreshälfte 45 Prozent weniger abgenommen und auch Italien hielt sich quantitativ mit 3,1 Prozent zurück. Die Hälfte der 2,2 Millionen produzierten Tonnen Schweinefleisch geht in den Export.
Bei Rindfleisch sind es insgesamt 6,6 Prozent und bei Geflügel 1,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Geschäftsführer von German Meat, Steffen Reiter, spricht dabei ein wundes Thema an. Auch wenn beispielsweise ein neues Freihandelsabkommen mit Japan unterzeichnet wurde, gibt es nach wie vor kein Veterinärabkommen für Rindfleisch mit Tokio. Genauso wenig wie mit China und Südkorea. Auch für Geflügelfleisch fehlen dort die wichtigen Handelszertifikate. Das ist aus Sicht der Gefa eindeutig die Politik gefragt
Doch neue Abkommen stoßen nicht bei allen Branchen auf Verständnis. Björn Börgermann vom Milchindustrie-Verband spricht sich gegen ein Handelsabkommen mit Neuseeland aus. Die EU würde damit ihren gesamten Milchmarkt öffnen, um Zugang zu einem Markt mit 4,4 Millionen Neuseeländer zu erhalten. Neuseelands Milchwirtschaft würde das Aus für 2.000 deutsche Milchbetriebe bedeuten.
Brexit
Solange Großbritannien zum Binnenmarkt gehört, ist die Verzahnung mit der Wirtschaft sehr eng verbunden. Je nachdem, wie der Ausstieg aus der EU verläuft, macht sich das Verlassen auch wirtschaftlich bemerkbar. Ein harter Brexit mit Zollkontrollen und Wartezeiten an der Grenze wird die veredelten Produkte treffen. Ein weicher Brexit mit Assoziierungsabkommen wie mit Norwegen oder Schweiz, verleitet andere Staaten ebenfalls zu einem wirtschaftlichen Alleingang, warnt Willi Meier, Gefa-Sprecher und Exportleiter der Niederegger Marzipan GmbH. Vor Jahren konnten Exporteure in Großbritannien Rentabilitäten mit dem Faktor drei erwirtschaften. Der Auftritt von Aldi und Lidl hat die Rentabilität gekürzt. Ein harter Brexit hingegen könnte dem heimischen Handel eine Atempause im Wettbewerb mit den deutschen Discountern geben und tatsächlich die eigene Wirtschaft befördern.
Das Exportwachstum nach Großbritannien hat sich in den beiden letzten Jahren bereits abgeschwächt, ergänzt Bernd Wirtz. Polen hat den britischen Platz in der Top Ten deutscher Exportnationen übernommen. Die Süßwarenindustrie befürchtet einen Wandel. Deutschland exportiert Zucker und Schokolade über den Ärmelkanal und die Briten Zucker- und Feine Backwaren. Für die Briten ist es nach Whiskey das zweitwichtigste Exportsegment. Nach dem Brexit treten die Briten gegenüber den Deutschen als neuer Wettbewerber auf Drittmärkten auf, so Carsten Bernoth, Geschäftsführer German Sweets.
Ausblick
Dennoch: Nach zwei Krisenjahren im Agrargewerbe, blickt auch der exportierende Teil positiv in die Zukunft. Die Frage nach Wechselkursschwankungen bewegt Exporteure allgemein. Die Handels- und Steuerpolitik der USA hat noch immer keinen Schrecken verbreitet und neue administrative Hürden in China dürften für Exporteure keine unüberwindbaren Hindernisse darstellen. In den beiden nächsten Jahren ist allein der Brexit das Tagesthema.
Roland Krieg; Grafik: Gefa
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