Agraraußenhandel im Wandel

Handel

Außenwirtschaftstag der Agrar- und Ernährungswirtschaft

Die Märkte sind gesättigt. Die Menschen sind satt. Exporte des Agrar- und Ernährungsgewerbe sind mehr als nur ein Ventil für die Produktion. 50 Milliarden Euro Exportwert sind ein fundamentales Standbein der deutschen Wohlfahrt. Mehr als jeder dritte Euro kommt von jenseits der Grenzen. Zu 80 Prozent aus dem Binnenmarkt der EU und mit wachsendem Anteil aus Drittstaaten1).
Nichts Neues. Dennoch hat der 4. Außenwirtschaftstag am Dienstag in Berlin einen neuen Trend ausgemacht: Die Exportwirtschaft muss sich neu orientieren.

Die Regale sind voll

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat nachhaltige Spuren hinterlassen, die nach Einschätzung von James Walton, Chefökonom des englischen Institutes for Grocery Distribution (IGD), nicht so schnell überwunden sein werden. Ökonomisch gibt es nur schwache Signale für den europäischen Binnenmarkt. Konstantes Wachstum zeigen lediglich Ost- und Zentraleuropa: Das Baltikum, Polen, Tschechien, Ungarn und Bulgarien. Die europäischen Stabilitätskriterien eines ausgeglichenen Haushaltes und einer Verschuldung von maximal 60 Prozent des Bruttosozialprodukts erreichen lediglich Finnland und Lettland.
In den letzten Jahren haben die EU-Mitgliedsländer überwiegend in Aufgaben der sozialen Infrastruktur investiert. Sparkurse bedrohen diesen „sozialen Vertrag“ und schmälern die Kaufkraft. Schmerzliche Eingriffe in das Sozialsystem und mangelndes Wachstum fallen auch auf Deutschlands Exportorientierung zurück: „Deutschland kann nicht wachsen, wenn es anderen schlecht geht“, erläuterte Walton.
Für den deutschen Markt gibt es ebenfalls keinen Ausweg aus der Sättigung. Der demografische Wandel wird die Zahl der benötigten Kilokalorien weiter senken. Nach Walton wird dadurch auch die Preisspirale nach unten ein Ende haben, denn „low price every day“, gelte nur, solange das Volumen unendlich ausgeweitet werden kann.

Drittlandsmarkt und Online-Handel

Ganz anders sieht es in Asien aus. Die Bevölkerung wächst, der veränderte Lebensstil nutzt alle Einkaufsformen und die Menschen verlangen nach steigender Qualität. Nach der Übersättigung des deutschen Marktes und der Eroberung des europäischen Binnenmarktes könnte das Agrar- und Ernährungsgewerbe Kurs auf Asien nehmen.
Für diese Reise muss sich das Gewerbe neu aufstellen, so Walton. Stimmt die Lieferkette, sind die Vorlieben des asiatischen Kunden bekannt, welche neuen Produkte sind erfolgreich und wie nachhaltig sind Erzeugung, Verarbeitung und Handel ausgerichtet?
Laut Walton sind in China und Thailand die Hypermärkte bereits ausgereizt, so dass dieser Vertriebsweg nur noch wenige Vorteile generiert. Hingegen bilden sich in den Metropolen neue City-Märkte heraus. Zwar vor allem im Discount-Bereich, doch gleiche sich der Lebensmittelhandel vom Mindesthaltbarkeitsdatum bis zur Sortimentsvielfalt einander an.
Neu ist der Online-Handel. Der digitale Kunde sei schon dank der mobilen Endgeräte da, sagte Walton. Im Idealfall flaniert er an einer Wand voller Produktbilder entlang und scannt gewünschte Produkte mit seinem Handy zu einem Warenkorb zusammen. Verhandeln müsse der Kunde nur noch die Lieferzeit.
In Asien scheint die Hemmschwelle für solche Modelle gering zu sein. In Deutschland werde der Online-Handel noch immer unterschätzt2).

Lesestoff:

www.igd.com

1) Gefa meldet Höhenflüge bei Exporte in Drittstaaten

2) Online-Handel: Nische mit Potenzial

Auch die Amerikaner glauben an den asiatischen Markt

Roland Krieg

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