Agrarexport: Vorteil Deutschland!?
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Außenwirtschaftstag der Agrar- und Ernährungswirtschaft
Zum ersten Mal hat sich die deutsche Agrar- und Ernährungsindustrie zu einem Außenwirtschaftstag versammelt. Hintergründe sind der gesättigte Binnenmarkt, das Ende der CMA und das Unternehmen durch den Export Geld verdienen wollen. Erfahrungsaustausch, Mut machen und den Strang weben, an dem alle in die gleiche Richtung ziehen.
Mit „Food – Made in Germany“ habe die Politik die Plattform geschaffen, die nun von den Unternehmen genutzt werden soll, sagte Dr. Gerd Müller, Parlamentarischer Staatssekretär aus dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Export ist einziges Ventil
Der Außenwirtschaftstag hat klar gemacht, dass es beim Export nicht um die Welternährung geht. Schlechte Regierungsführung, mangelnde Investitionen in Landwirtschaft und ländlichen Raum sowie Zugang zu Betriebsmitteln werden Auftragsorder nicht korrigieren können.
Nach Jürgen Abraham, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), „müssen wir exportieren, müssen wir ein Ventil schaffen, müssen wir die Auslandsmärkte bearbeiten“. „Wir“, das sind 5.800 Unternehmen der Ernährungsindustrie, von denen 85 Prozent mittelständisch geprägt sind. Jeder beschäftigt im Durchschnitt 100 Mitarbeiter. Daher sei der Außenwirtschaftstag eine wichtige Veranstaltung im Rahmen der mittelständisch geprägten „Food – Made in Germany“ - Offensive. Eine aktuelle Messe in Japan habe gezeigt, dass das neue Logo verständlicher ist, als das alte CMA-Transparent. Mit dieser Exportorganisation habe die Politik gezeigt, dass sie einmal einfacher und effektiver als die Wirtschaft sein kann, die mit „German Food“ als Zusammenschluss von Fleisch-, Milch-, Süßwaren- und Brauereiverbänden sich ein zweites Exportdach geschaffen hat.
Kritik am Außenwirtschaftstag übten die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Campact, FIAN, Germanwatch und Oxfam. „Der Außenwirtschaftstag ist keine Veranstaltung für Bauern, sondern für die Agrarindustrie. Das Versprechen der EU-Kommission, wettbewerbsfähige Milchbauern könnten in entwicklungs- und Schwellenländern rentable Absatzmärkte finden, ist zynisch“, sagt AbL-Milchbauer Bernd Voß. Die weltweite Preisdrückerei bewirke immer niedrigere Preise in der Milchproduktion. |
„Unsere Kühe weiden in der Elbaue“
Wer noch den Spruch „Unsere Kühe weiden am Rio de la Plata“ kennt, mit dem Entwicklungsorganisationen vor rund 20 Jahren auf die Problematik der Futtererzeugung für deutsche Milchkühe in Brasilien hinweisen wollte, könnte sich mit einem künftigen arabischen Spruch „Unsere Kühe grasen in der Elbaue“ anfreunden. Eine Eventualität der Exportvisionen von Prof. Dr. Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank.
Bis es soweit kommt, müsse Deutschland zunächst seine „Schüchternheit“ ablegen, auf den Hinweis seiner „genuinen Stärken“ zu verzichten. Die Zuverlässigkeit der Lieferung, die hohe Qualität der Produkte und vor allem die durch die jahrzehntelang geführte Umweltdebatte geschärften Vorteile im Know How und moderner Technik bringen deutschen Produkten und Untenehmen Wettbewerbsvorteile im internationalen Markt. Nicht nur der heimischen Markt biete den Unternehmen kaum noch Absatzmöglichkeiten. Derzeit wandern mehr Menschen aus als ein und Deutschland verzeichnet jährlich einen Wanderungsverlust von 200.000 Menschen. Aber auch andere europäische Länder weisen keine nennenswerten Wachstumsraten auf. Lediglich Frankreich, England und Skandinavien bieten der Ernährungswirtschaft neue Kunden. Der osteuropäische Markt wird nach einer Aufholzeit auch wegen der sinkenden Geburtenrate gesättigt sein. Wenn also der europäische Binnenmarkt Sättigungstendenzen zeigt, muss die Ware in Drittländer.
Dabei denkt Prof. Walter nicht an die Entwicklungsländer. In Saudi Arabien beispielsweise wird in der Nähe von Riad Milch auf Betrieben mit 37.000 Milchrinder erzeugt. Sie stehen in gekühlten Kellern, die Wüste nimmt weder Mist noch Gülle auf, das Futter wird importiert und das Trinkwasser kommt aus Meerentsalzungsanlagen. Nur ein Zehntel kostete es, würde die Trinkmilch in den Elbauen oder in der Rhön produziert und vom Leipziger Flughafen mit Nachtflugerlaubnis täglich nach Riad geflogen. Die Lösung wäre ökonomischer, ökologischer und erzeugt qualitativere Milch als der Status quo. Walters Vision steht als Beispiel für seinen globalen Plan, die deutsche Agrar- und Ernährungsindustrie in internationale Märkte zu weben.
Einer der möglichen Wachstumsmärkte ist Arabien. Middle East and North Africa (MENA) umfasst 13 Staaten und reicht von Marokko bis zum arabischen Golf. 313 Menschen leben dort und werden durchschnittlich 70 Jahre alt. Das Bruttoinlandsprodukt beträgt rund 850 Milliarden US-Dollar. Ihr gemeinsames Problem: Sie erzeugen nicht genug eigene Lebensmittel. Der Anteil der Getreide an den Importen liegt zwischen neun und 18 Prozent. Saudi Arabien und die Vereinten Arabischen Emirate müssen 85 Prozent ihrer Lebensmittel importieren. Marokko kommt je nach Rohstoff auf Werte zwischen 30 und 70 Prozent. Algerien hat seinen Getreideimport wertmäßig zwischen 2007 und 2008 von 1,9 auf 3,9 Mrd. US-Dollar hochschrauben müssen. Gegenüber der High Tech – Landwirtschaft auf der arabischen Halbinsel, leidet Algerien unter einer ineffektiven Produktion und will jährlich mehr als drei Milliarden US-Dollar in die Modernisierung stecken. Potenzial steckt also nicht nur in der Rohstofflieferung und im Export veredelter Produkte, sondern auch im technischen Bereich. |
Auf dem Absatz kehrt gemacht
Unbestritten: Die Liquidation der CMA hat ein Loch hinterlassen. Nachbarländer wie beispielsweise Frankreich unterstützen ihren Agrarexport abgabe- und steuerfinanziert mit Beträgen um die 60 Millionen Euro, einem Mehrfachem des alten CMA-Etats. Das BMELV hat zwar einen Aktionsplan Exportförderung aufgelegt und steigt mit kleinem Geld in die Förderung ein.
Dr. Karl-Ernst Brauner aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie wies die Branche am Abend auf die zusätzlichen Möglichkeiten aus seinem Ressort hin. Die Unternehmen könnten quasi über einen Ressortwechsel auf Informationen des German Trade and Invest (GTI) zurückgreifen, um Entscheidungen für ein Auslandsgeschäft zu fällen. Es gebe über das Wirtschaftsministerium eine Versicherungslösung für verderbliche Waren, wenn der Joghurt am fremden Flughafen in der Sonne verdirbt.
Allerdings passen die Lösungen der Ausfallbürgschaften nicht auf die mittelständischen Unternehmen, schränkte Gerrit Oltmanns, Geschäftsführer Turm Sahne GmbH, ein. Die Lösungen seien nur für die großen Industrien erschwinglich. Dr. Braune gab auch zu, dass die Hermes-Bürgschaften nur für die Fälle vorgesehen sind, für die eine private Versicherung nicht mehr aufkommt. Weil diese sich mit hohen Beitragsforderungen aus der Wirtschaft zurückziehe, entsteht ein Vakuum nach der CMA.
Für Oltmanns sind die angebotenen Leistungen noch lange nicht ausreichend: „Wir brauchen eine Absatzförderung und keine Prestigesuite im Expo-Pavillon.“
Er könne sich ein Säulenmodell zwischen „Food – Made in Germany“ und „German Food“ vorstellen, wobei auch Steffen Hengstenberg als Vorsitzender des Vereins „Food – Made in Germany“ gleiche Ziele sieht. Doch fordert er schlanke und effektive Strukturen, die er in der Branchenlösung nicht erkennen kann. Sein Verein verfolge die Interessen der kleineren Unternehmen.
Jürgen Abraham hofft, dass im nächsten Jahr das Thema CMA-Nachfolge nicht mehr auf der Tagesordnung steht.
Lesestoff:
Zahlen und Tabellen sowie den Aktionsplan Exportförderung finden Sie unter www.agrarexportfoerderung.de
Roland Krieg