Agrarmacht Brasilien

Handel

Brasilien rückt in den Fokus der Welt

>Zuckerhut, endlose Pampa, Amazonas-Regenwald und weite Sojafelder. Die Schönheit Brasiliens leidet unter den Bildern der Regenwaldzerstörung und der Agrarbranche wird mit dem Stempel „GVO-Soja“ ein Brandmal aufgesetzt. Wer in solchen Stereotypen denkt, dem entgehen Details. Kleinigkeiten, die sich aber schon zu einem ausgewachsenen Megatrend verfestigt haben.
In den nächsten zehn Jahren wird Brasilien seine Getreideproduktion um 23 Prozent und die Tierproduktion um 26,5 Prozent ausweiten. Die genutzte Ackerfläche wird hingegen nur um neun Prozent steigen. Bis 2019 sagen FAO und OECD eine Ausdehnung der Agrarwirtschaft um 40 Prozent voraus.
Brasilien hat in den letzten Jahren ernst gemacht, seinen Regenwald zu schützen. Auch wenn im letzten Jahr erstmals illegale Rodungen wieder zunahmen. So kündete Brasiliens Umweltministerin Izabella Teixeira doch schnell an, die Rinder zu beschlagnahmen, die auf umgewidmeten Weiden grasen1). Die Abgeordnetenkammer hatte diesen Mai mit dem Código Florestal das neue brasilianische Waldschutzgesetz verabschiedet. Die Zustimmung des Senats steht noch aus.

Verarbeitete Waren

Brasilien ist bekannt für seinen Rindfleischexport. Seit 2003 ist das Land in Südamerika der größte Exporteuer, noch vor Australien, den USA und Argentinien. Die vertikale Kontrolle stimmt und prägt die Qualitäten. Betriebe, die den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechen, werden vom Weiterverkauf ihrer Waren ausgeschlossen. Im letzten Jahr wurden 1,2 Millionen Tonnen Rindfleisch im Wert von fünf Milliarden Dollar ausgeführt.


Auf der Anuga präsentierte sich Brasilien mit 70 Unternehmen auf 1.400 Quadratmeter Fläche. Vinicius Estrela, Supervisor für Image und Marktzugang der Brasilianischen Agentur für Wirtschafts- und Exportförderung (APEX) erläuterte Herd-und-Hof.de, dass Brasilien in den letzten Jahren vermehrt verarbeitete Lebensmittel exportieren konnte. Im letzten Jahr waren es Waren im Wert von 38 Milliarden US-Dollar in 197 Länder.
Und Brasilien gibt bei Innovationen den Ton an: Bei der Produktlinie IQF (Individually Quickly Frozen) werden einzelne Fleischteile einzeln eingefroren. Da hat den Vorteil, dass Verbraucher nicht mehr das ganze Paket auftauen müssen und Portionen individuell zubereiten können.

Die süßeste Seite Brasiliens

Weniger bekannt ist, dass Brasilien der zweitgrößte Hersteller von Keksen ist. Mit 1,242 Millionen Tonnen wurden im Jahr 2010 rund 6,47 Milliarden US-Dollar Umsatz erzielt. Für das Jahr 2011 wird ein Umsatzplus von fünf Prozent und ein Exportplus von bis zu drei Prozent erwartet.
585 Kekshersteller gibt es in Brasilien. Die 20 größten Firmen vertreten etwa 75 Prozent des Marktes. Der Boom der Gebäckindustrie resultiert aber nicht nur aus dem Export. Brasiliens Wirtschaft bringt neue Käuferschichten hervor, die ihre neue Kaufkraft auch in das süße Segment tragen.
Auf der Anuga wurden nicht nur Kekse mit gerade einmal 100 Kalorien vorgestellt, sondern auch Bauducco präsentierte sein Sortiment. Das ist der weltweit größte Hersteller von traditionellen italienischen Weihnachtskuchen. Doch mittlerweile gibt es den Panettone auch schon ganzjährig. Bauducco hat in diesem Jahr bereits 60 Millionen Panettone produziert. Jeder zehnte geht ins Ausland, meist in die USA, nach Japan, Portugal und Spanien.

Das brasilianische Jahrzehnt

In den kommenden Jahren rückt Brasilien noch mehr in das Licht der Weltöffentlichkeit. 2012 will die brasilianische Präsidentin Dilma Rouseff nach Deutschland kommen, 2013 findet in Rio de Janeiro der nächste Weltjugendtag statt und Everton Vieira Vargas, Botschafter in Berlin bereitet ebenfalls für 2013 ein deutsch-brasilianisches Jahr vor. 2014 findet in Brasilien die Fußballweltmeisterschaft statt und zwei Jahre später beginnen die Olympischen Sommerspiele.
Da hat sich auch die APEX viel vorgenommen, wie Vinicius Estrela erläutert. Brasilien und seine Produkte haben die Chance den Wandel Brasiliens kenntlich zu machen. Fast ein Drittel des Bruttosozialproduktes stammt aus dem Agrar- und Ernährungsgewerbe.
So hat die APEX gerade mit dem Brasilianischen Verband der Fleischexporteure eine Imagekampagne begonnen, die moderne Tierhaltung in Brasilien aufzuzeigen. „Pecuria do Brasil“, Viehzucht in Brasilien, zeigt die besten Praktiken und stellt die Erfolgsgeschichte der Branche vor. Es geht um Arbeitsplätze, technologische Ressourcen, Effizienz und Nachhaltigkeit.

Brasiliens Welt

Wenn man eine Weltkarte so zusammenschneidet, dass Südamerika in der Mitte liegt, dann ändert sich das Weltbild. Brasiliens Nachbarn sind Afrika, ein Kontinent mit stark steigender Stadtbevölkerung und immer auf dem Sprung Konsumgüter nachzufragen, und Asien, der Tigerkontinent schlechthin. Wer solche Handelsbeziehungen hat, kann doch auf schwierige Märkte wie Europa verzichten: Von dort kommen die Klagen über zerstörten Regenwald und endlose Diskussionen um gentechnisch veränderte Pflanzen.
Auch wenn es nur zehn Prozent sind, so will Brasilien auf den Handel mit der EU nicht verzichten, umschreibt Estrela die Handelspolitik höflich. Das fünftgrößte Land der Erde verzahnt sich vor allem wissenschaftlich und technologisch mit der EU und Deutschland.
Die Geflügelindustrie ist auf der Anuga deutlicher geworden. Sie beklagte den unfairen Handel der EU, die mit Exportsubventionen und Zöllen die Wettbewerbsbedingungen verzerrt2). Die Verhandlungen zwischen dem Mercosur und der EU, die sich auch um Handelsliberalisierungen drehen, sind derzeit in Stocken geraten. Vor allem die Franzosen fürchten Nachteile für ihre Bauern gegenüber den kostengünstigen Produktionsweisen in Brasilien. Offen bleibt aber, wer ohne Einigung am Ende der Verlierer sein wird.

Lesestoff:

www.apexbrasil.com.br

1) Die Welt, Sonderausgabe zu den Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstagen, Herbst 2011

2) Brasiliens Geflügelindustrie

Roland Krieg (Text und Fotos)

Zurück