Aldis Oktober in England

Handel

Die Aldisierung Englands

Verloren stehen die Milchflaschen als Zeichen des Untergangs vor der Tür. Herman´s Hermits haben 1966 mit ihrem Song „No milk today“ den Verlust der Liebsten beschrieben. Heute stehen immer weniger Milchflaschen vor den britischen Haustüren. „Der Milchmann stirbt“ schrieb der Daily Telegraph am 09. Oktober. Aber nicht, weil die Liebste weg ist und keine Milch mehr ordert. Nach 1066, als Wilhelm der Eroberer aus Frankreich mit der Schlacht bei Hastings die britische Insel einnahm, hat Deutschlands geliebter und gefürchteter Discounter die Klippen von Dover überwunden und schlägt die traditionellen englischen Supermärkte in die Flucht. Geschichte wiederholt sich, wie die Berichte über Aldi alleine aus den beiden letzten Wochen zeigen.

Keine Chance gegen Aldi und Lidl

Tesco heißt der Leit-Supermarkt auf der Insel und verliert derzeit wöchentlich eine Million Kunden. 2009 noch geboomt, bot Tesco seinen Mitarbeitern eigene Sparmöglichkeiten und verbilligte Anleihen für Teile ihres Gehaltes an. Der Wert fiel allerdings in den letzten drei Jahren von 88 auf 55 Pence. Die Rendite wird in diesem Jahr wohl schon auf null fallen. Die Mitarbeiter bei Morrison und Sainsbury´s sitzen im gleichen Boot. Auch ihnen laufen die Kunden scharenweise davon. Die neuen Ziele heißen Aldi und Lidl.

Die Ökonomen des Daily Telegraph sind ratlos. Der Verkauf von Lebensmitteln sollte eine stabile Geschäftsidee sein. Doch Tesco habe es geschafft, seinen Firmenwert in den letzten drei Monaten um 30 Prozent zu reduzieren.

Morrison habe mit seinem neuen Programm „Match & More“ eine derbe Bauchlandung hingelegt. Der Supermarkt wollte mehr Kunden anlocken. Durch Preisvergleiche mit anderen Angeboten – hat aber den Kürzeren gezogen, weil Aldi und Lidl mit sehr günstigen Eigenmarken jedem Vergleich standhalten. Morrison wollte die Discounter-Preise mit seinen Waren aus dem mittleren Preisniveau vergleichen und die Qualitäten hervorheben. Wer allerdings Äpfel mit Birnen vergleicht, so der Daily Telegraph, solle sich nicht über die Entscheidungen der Konsumenten wundern. Tesco und Sainsbury´s sind mit ähnlichen Programmen gescheitert, obwohl sie die Discounter aus Deutschland nicht in ihre Vergleiche einbanden.

Sterben demnächst auch die Kühe?

Der Milchmann in seinem Wägelchen, der Milchflaschen in Gitterboxen vor die Haustüre stellt und das Leergut mitnimmt, verliert an Bedeutung. 1980 lieferten seine Kollegen noch mehr als 90 Prozent der Konsummilch aus. Heute sind es nur noch sieben Prozent. 65 Prozent der Milch wird bereits in Supermärkten gekauft und Convenience Stores behaupten 23 Prozent Marktanteil. Der Milchmann wird im Preiskampf zwischen den Einzelhandelsketten zerrieben. In den letzten Monaten ist der Preis für einen Liter Milch um 50 Cent gefallen. Dairy Crest, einer der großen Flaschenabfüller für Milch, wird sein Werk in Hanworth, London, innerhalb der beiden nächsten Jahre dicht machen. Dann sind weitere 1.400 Milchmänner arbeitslos.

Das setzt sich in der Wertschöpfungskette nach hinten fort. Milchbauern müssen Verluste von 20 bis 30 Cent je Liter ab Hof verkraften. Ohne die Entwicklung neuer Produkte stehen der Wertschöpfungskette Milch harte Zeiten bevor, warnt bereits der britische Bauernverband.

Roland Krieg

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