Algerien nach der Wahl
Handel
Nationale Einheitsfront bleibt vorne
Erfolge bei der Demokratisierung begünstigen rechtsstaatliche Rahmenbedingungen für heimische und ausländische Unternehmen. Vor allem, wenn die Länder nahe am europäischen Markt liegen. Mit diesen Stärken kann Tunesien für sich punkten, sind jedoch Schwächen für das Nachbarland Algerien, in dem Ende vergangener Woche gewählt wurde. Die wirtschaftlichen Schwächen Algiers liegen in der geringen Industrialisierung und bei den sozialen Konflikten.
Die Wahl
Rund 23 Millionen Algerier wählten zwar das Unterhaus, doch liegt die Macht bei den Militärs und beim Präsidenten Abdelaziz Bouteflika. Die Wahl fand in einem schwierigen Umfeld einer wirtschaftlichen Krise durch gesunkene Erdölpreise statt. Das vorläufige Wahlergebnis am Freitagnachmittag weist trotz Stimmenverluste eine Mehrheit für Bouteflika aus. Ob er die Schwächen des Landes in Stärken umwandeln kann, wird sich zeigen.
Es ist die zweite freie Wahl nach 2012. Die 1991 abgehaltene Wahl wurde von den Militärs abgebrochen, nachdem sich die Islamisten im ersten Wahldurchgang durchgesetzt hatten. Seit dem überschattet ein zuletzt ruhigerer Bürgerkrieg Wirtschaft und Gesellschaft. Wie wenig die Wahl die Algerier motiviert hat, zeigt das vorläufige Ergebnis der Wahlbeteiligung. Mit 38,5 Prozent lag es nahezu fünf Prozent unter dem Ergebnis von 2012.
Wirtschaft
Chancen bietet das Land reichlich. Algerien zählt zu den größten Automobilmärkten in Afrika. Für den September 2017 organisiert die deutsche Außenhandelskammer eine Geschäftsanbahnungsreise unter Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums. Neben der Autoindustrie gelten Pharmazie und der Textilsektor als Treiber der Industrialisierung. Die sind wichtig, um vom Öl loszukommen.
Algerien muss die meisten Konsumgüter importieren und ist deshalb stark vom Ölpreis abhängig. Noch in diesem Jahr sollen die ersten VW-Fahrzeuge vom algerischen Band laufen. Das algerische Staatsunternehmen Groupe C&H Fashion plant mit dem türkischen Textilfabrikanten Taypa einen Textilkomplex für 500 Millionen US-Dollar.
Welche Industrie in den nächsten Jahren auch immer aufgebaut wird; die Nähe zu Europa bietet der deutschen Maschinenindustrie gute Marktchancen. Nach Ägypten gehen die meisten Investitionsgüter Deutschlands nach Nordafrika in Richtung Algerien. Zwischen 2013 und 2016 stieg das jährliche Volumen von 1,037 auf 1,298 Milliarden Euro.
Agrarbereich
Mittlerweile gilt der Wirtschaftsraum Nordafrika interessanterer als Osteuropa. Auch Algerien hat wie das westliche Nachbarland Marokko einen „Grünen Plan“ für die Modernisierung der Landwirtschaft aufgelegt. Neun Millionen Hektar Ackerfläche hat das Land und damit etwa ein Viertel weniger als Deutschland. Ist aber sieben Mal größer. Zwei Millionen Hektar davon müssen bewässert werden. Algerien importiert jährlich rund 19 Millionen Rinder. Zwei Drittel stammen aus Europa.
Der Agrarexport steht in den Anfängen. Auf der ANUGA 2015 in Köln präsentierte sich mit dem Margarinehersteller Mateg erstmals ein algerisches Unternehmen: Die Suche nach Auslandsmärkten im Norden beginnt. Algerische Agrarexporte gehen meist in Richtung Afrika.
Die Landwirtschaft ist ebenfalls auf importierte Betriebsmittel angewiesen. Die Regierung subventioniert Düngemittel und Maschinen. Für die Pflanzenzüchtung hat das Land nach Angaben der Fachzeitschrift „afrique agriculture“ 80 Pilotbetriebe zur Saatgutvermehrung geplant.
Um die Importe an Milchpulver zu substituieren sucht die staatliche Molkerei Giplait ausländische Partner, bei denen wie in Marokko, französische Firmen eher zum Zuge kommen dürften.
Algerien hat nicht die relativen Vorzüglichkeiten des westeuropäischen Agrarklimas. Doch sind die Anbaubedingungen vor allem was die Flächenausstattung betrifft, noch immer besser als bei den Golfstaaten. So plant die Al Dhara Holding aus den Vereinten Arabischen Emiraten Investitionen in den algerischen Agrarsektor und sucht seit Februar 2017 Investitionsmöglichkeiten im Land. Al Dhara ist ein Agrarkonzern, der Futtermittel und Getreide erzeugt. Al Dhara bewirtschaftet weltweit rund 100.000 Hektar Land selbst, betreibt acht Futtermittelwerke, vier Reis- und zwei Getreidemühlen.
Roland Krieg; Foto: roRo