Amazon-Lebensmittelhandel fällt durch
Handel
Amazon kein Supermarktersatz
Der Online-Handel mit Lebensmittel ist schwierig. Die AFC Management Consulting AG hatte vor kurzem bereits bei der Ankündigung von Otto, wieder in den Online-Hanel einsteigen zu wollen, mehr Problemfelder als Chancen aufgelistet. Jetzt hat die Stiftung Warentest den Anbieter Amazon geprüft – und ihm im Bereich Lebensmittel ein schlechtes Zeugnis ausgestellt.
Fazit
In der jetzigen Form ist das Lebensmittelangebot von Amazon wenig brauchbar. Das Sortiment enthält Lücken, vor allem bei frischen Produkten. Notwendige Produktinformationen wie das Mindesthaltbarkeitsdatum fehlen. Nennenswerte Preisunterschiede im Vergleich zum Einkauf im Supermarkt gibt es nicht. Ärgerlich: Kunden müssen hohe Versandkosten schlucken, wenn sie bei verschiedenen Anbietern bestellen. Und das ist oft nicht sofort ersichtlich. Empfehlenswert ist die Lebensmittelbestellung bei Amazon nur in Ausnahmefällen: bei großen Mengen nicht verderblicher Waren oder Delikatessen und speziellen Lebensmitteln, die vor Ort schwer erhältlich sind.
Im Einzelnen
Nicht so übersichtlich wie im Supermarkt
Erst Bücher, dann CDs, jetzt Salat. Bei Amazon können Kunden nun auch Lebensmittel und Getränke ordern. Über 50.000 Produkte hat der Onlinehändler laut eigenen Angaben im Angebot – mehr als ein großer Supermarkt. So gewohnt übersichtlich wie dessen Regalreihen ist die Webseite jedoch nicht. Zwar gibt es Filterfunktionen für spezielle Produkte wie glutenfreie Lebensmittel, doch nur sehr geübte Internetnutzer finden einfach und schnell das Gesuchte. Zum Beispiel Erdbeeren: Die Produktliste ist unsortiert, Getränkepulver mit Erdbeergeschmack tauchen neben Tierfutter, Marmeladen und vielem mehr auf. Ungeübte können da schon mal verzweifeln.
Unvollständiges Sortiment
Das große Sortiment erweist sich als lückenhaft und teilweise extravagant: Nahezu alle bekannten Mineralwassermarken fehlen. Dafür können Kunden eine 0,7 Liter-Flasche Regenwasser aus Tasmanien für 7,90 Euro bestellen. Das Angebot an Wein ist reichhaltig, an Bier dagegen spärlich. Amazon selbst verschickt vor allem Großpackungen von haltbaren Lebensmitteln und Getränken. Wozu aber einen 12er Pack Salz kaufen, wenn es hochgerechnet nicht viel günstiger ist als im Supermarkt um die Ecke? Dass jegliche Angaben zur Haltbarkeit fehlen, macht Kunden die Vorratsbestellung auch nicht schmackhaft. An Frischeprodukte wagt sich Amazon selbst offenbar nicht heran. Es stehen dafür aber jede Menge Partner zur Verfügung, für die Amazon die Vermittlung übernimmt. Das Problem: Diese Anbieter sind oft Versender von Spezialitäten.
Spärliche Produktinfos
Wenig überzeugend sind auch die Produktinformationen: Angaben zu Nährwerten und Mengen der Inhaltsstoffe fehlen in fast allen Fällen, die Produktbeschreibungen sind in erster Linie Werbung. Dabei böte doch gerade das Internet den Vorteil, mehr Informationen zum Produkt zu liefern als auf eine kleine Verpackung passt.
Versand schnell teurer als Ware
Drei Warenkörbe mit insgesamt 20 Produkten hat test.de für den Schnelltest zusammengestellt. Die Tester bestellten zum Beispiel für einen Singlehaushalt frische Ravioli, Milch, Cherrytomaten, Bio-Eier und Bio-Butter, Toastbrot sowie frischen Serrano-Schinken. Macht zusammen etwa 20 Euro. Erst am Ende des Bestellvorgangs gab es Informationen über die Versandkosten: rund 25 Euro – das ist mehr als der Warenwert. Das Problem: Kein einziges Produkt kommt von Amazon selbst. Der Onlinehändler ist nur Vermittler. Die Tester kauften für den Singlehaushalt über Amazon bei insgesamt fünf verschiedenen Anbietern ein. Und diese berechnen jeweils eigene Versandkosten. Nur der reine Amazon-Warenkorb, bei dem keine fremden Handelspartner beteiligt sind, kommt ab einem Bestellwert von 20 Euro versandkostenfrei ins Haus.
Kein Widerrufsrecht für Lebensmittel
Die Bezahlung klappt nur per Bankeinzug oder Kreditkarte, der Kauf auf Rechnung war selten möglich. Weitere Nachteile der Handelsplattform mit verschiedenen Anbietern: Es gibt keine einheitlichen Bedingungen. Bei eventuellen Reklamationen muss sich der Kunde an die jeweiligen Anbieter separat wenden. Ein zweiwöchiges Widerrufsrecht des Kaufes gibt es bei der Bestellung von Lebensmitteln im Internet ohnehin nicht. Und gleichzeitig bestellte Waren kommen nicht unbedingt zusammen an. Das heißt, wer nicht permanent zu Hause ist, erhöht das Risiko, dass Warenpakete beim Nachbarn landen.
Weiche Butter, ein kaputtes Ei
Trotz Kühlung und Verpackung überstanden Butter und Eier den dreitägigen Transport nicht unbeschadet. Für die Bestellungen waren 15 Lieferungen notwendig. Zehn davon trafen innerhalb von zwei Tagen ein, weitere vier am dritten Tag. Das letzte Paket mit Bio-Eiern und Bio-Butter vom Anbieter amorebio war auch am vierten Tag nach der Bestellung noch nicht da. Die Tester reklamierten dies, eine Ersatzlieferung traf dann nach nochmals drei Werktagen ein. Bei den sommerlichen Temperaturen war das Eis in den Kühlbeuteln jedoch geschmolzen und zum Teil ausgelaufen. Die Butter war dementsprechend deformiert, eins von sechs Eiern angeknackst.
Salat mit brauner Schnittstelle, falsches Salatdressing: Das wäre Kunden im Supermarkt nicht passiert. Meist lieferten die Anbieter die korrekte Ware. Beim Salatdressing hat sich der Onlineanbieter food-shop24 aber in der Marke vertan. Und das exklusive Grillwurst-Probierpaket von Otto Gourmet war in der bei Amazon beschriebenen Form nicht lieferbar. Die Tester erhielten ein leicht abgewandeltes Probierpaket. Nach wie vor steht das Grillwurst-Angebot aber unverändert online. Wenn regelmäßige Aktualisierungen fehlen, müssen Kunden also mit Ersatzlieferungen rechnen.
Senfbecher im Riesenkarton
Überdimensionaler Verpackungsaufwand für nur einen Becher Senf Mit Hilfe von Styroporboxen, Kühlelementen und jeder Menge Packpapier kamen die Lebensmittel größtenteils unversehrt und im gewünschten Zustand an: das Eis noch gefroren, die Bierflasche heil und die Tomaten ohne Druckstellen. Nur der Salatkopf war an der Schnittschnelle braun und einige frische Kirschen überreif. Mitunter war der Verpackungsaufwand aber überdimensioniert: In einem Karton mit Styroporschnitzeln lag noch in einer extra Tüte verpackt nur ein kleiner Becher Senf.
Falsch gelagerte Mandelhörnchen
Die bestellten frischen Bratwürste von der Landmetzgerei Schiessl waren bei Anlieferung 15 Grad Celsius warm. Anlass genug, sie im Labor auf Keime zu testen und verkosten zu lassen. Die mikrobiologische Qualität war noch zufriedenstellend: Sie entsprach der einer durchschnittlichen Wurst am Ende der Mindesthaltbarkeit – allerdings waren es bis dahin noch 18 Tage Zeit. Beim Grillen jedoch platzten die Bratwürste der Länge nach auf. So etwas hatten die Tester nicht mal beim letzten Bratwursttest (test 07/2010) gesehen. Überlagert war kein Lebensmittel, doch der Schokoladenüberzug der bestellten Mandelhörnchen, die von Amazon selbst angeboten und verschickt wurden, hatte einen weißen Belag – eine Folge von zu warmer Lagerung oder von zu stark schwankenden Lagertemperaturen.
Amazon will nachbessern
Die getestete Amazon-Webseite für den Einkauf von Lebensmitteln ist die in der Erprobung stehende Beta-Version. Amazon selbst hat angekündigt, sein Angebot nachzubessern. Um die Versandkosten zu senken, könnten etwa Waren der Handelspartner in den Amazon-eigenen Versandzentren lagern und von dort aus gebündelt abgeschickt werden. Das Sortiment soll wachsen und weitere Filterfunktionen sollen dazukommen. Inwieweit Amazon auf die Servicequalität der Handelspartner Einfluss nimmt, ist aber fraglich.
Stiftung Warentest (Text und Fotos) / roRo