Asien prägt die Weltwirtschaft

Handel

Entwicklungsbericht Asien 2016

„Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert Asiens“, wagte Präsident Marcel Fratzscher die Prognose in seinem eigenen Haus in Berlin. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte Juzhong Zhuang eingeladen, der als Chefökonom der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) den neuesten Entwicklungsbericht für Asien (ADO) präsentierte. Die ADB hatte in ihrem 50. Jubiläumsjahr den Bericht über insgesamt 45 asiatische Länder druckfrisch vorgestellt und wird Anfang Mai in Frankfurt seine Jahrestagung erstmals in Deutschland abhalten.

Kommunale Partnerschaften stärken

Handel ist die neue Entwicklungshilfe. Hans-Joachim Fuchtel, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), zeigte die Dimensionen des Kapitalflusses auf. Lediglich 15 Prozent des Investitionskapitals stamme noch aus der öffentlichen Entwicklungsfinanzierung. Weltweit stammt der „Rest“ von privaten Geldgebern. Die Frage lautet längst nicht mehr, ob Handel oder Hilfe die Staaten weiterbringt, sondern welche politischen Rahmenbedingungen den Handel für eine faire Entwicklungsrichtung kanalisiert. Fuchtel sagte es so: „Das ausreichend vorhandene Geld müssen wir an die richtige Institution binden.“

Für das BMZ gelten die drei folgenden Prioritäten als Entwicklungsziel: Bildung, Ausprägung der internationalen Lieferketten für einen fairen Handel und der Themenkomplex Klima und Energie. Für Fuchtel ist die kommunale Entwicklungspartnerschaft noch ein unerschlossenes Gebiet. Bundesweit gebe es derzeit erst 350 Kommunen, die beispielsweise mit Energiepartnerschaften Übersee-Gemeinden bei der Energiewende begleiten.

Asian Development Outlook 2016

Gegenüber europäischen oder amerikanischen Wachstumsraten von unter zwei Prozent erscheinen die Zahlen in Asien als „Luxusproblem“, so Fratzscher. In der Tat. Asiens Länder erreichten im letzten Jahr ein Wachstum von 5,9 Prozent, für die beiden nächsten Jahre „verringert“ es sich auf 5,7 Prozent. Vor allem Indien und die Länder des ASEAN [1] werden die Stagnation in China mehr als ausgleichen.

Dennoch schauen auch alle Asiaten nach China. Ein Wanken der chinesischen Wirtschaft schlägt Wellen in alle Nachbarländer. China hat sich mit den Ländern eng verzahnt und kauft vor allem Frischeprodukte zunehmend in Südostasien ein. Sinkt in China das Wachstum um ein Prozent, fallen auch die anderen Länder um bis zu 0,5 Prozent zurück. Wichtige Treiber der chinesischen Wirtschaft sind der Wandel von der Exportausrichtung hin zur Binnennachfrage und die kleiner werdende Zahl arbeitender Menschen. Dennoch hat Asien insgesamt zwischen 1990 und 2012 mehr als eine Milliarde Menschen aus der Armut heben können.

Asien umfasst im Wirtschaftsausblick 45 Länder von Usbekistan bis Japan, von China bis zu Papua Neuguinea. Die Heterogenität der Region spiegelt sich auch in den Wirtschaft wider. Aktuell zählt Indien als die große Wirtschaftsregion in Südasien [2]. Die Malediven profitieren von Luxustouristen, während Nepal noch immer unter den Folgen des Erdbebens leidet. Indien wächst seit dem letzten Jahr um die 7,0 Prozent und wird 2017 wahrscheinlich 7,3 Prozent Wachstum aufweisen.

Die Konjunkturlokomotive in Indonesien steht unter Dampf. Vier Jahr in Folge mit über 5,0 Prozent prognostiziert der ADO für 2017 sogar 5,5 Prozent. Das Land soll die anderen ASEAN-Länder mitziehen. Was diese in den letzten Jahren verloren haben, können sie in beiden kommenden Jahren wieder ausgleichen.

Verlangsamtes Wachstum wird es in Ostasien geben. Keine guten Nachrichten sieht der Bericht für Zentralasien voraus. Dort ist die Abhängigkeit von Russlands Wirtschaft eine hohe Bürde. Die hat das Wachstum von 5,3 auf 2,9 im letzten Jahr drastisch verkleinert. Zudem leiden die Länder von Aserbeidschan über Kasachstan bis Usbekistan unter einer zweistelligen Inflation.

Highend-Produkte aus Europa

Risiken für das Wachstum in Asien strömen nicht nur von China aus. Volatilitäten an den Finanzmärkten und drohende Erzeugerpreis-Deflation macht Juzhong Zhuang als globale Risiken aus. Die Rohstoffpreise bessern sich aktuell nur langsam und der ADB-Ökonom prognostiziert für das nächste Jahr einen Ölpreis von weiterhin nur 45 US-Dollar je Barrel [3]. Vergleichbares gilt für alle Rohstoffe. Länder, die auf austauschbare Waren setzen, werden zu den Verlierern gehören. Deutschland hat nach Juzhong Zhuang gute Chancen auf dem asiatischen Markt, wenn es hoch verarbeitete Produkte für die Mittelschicht exportiert.

Potenzielles Wachstum in Asien

Als Themenkapitel hat der ADO das „potenzielle Wachstum“ in Asien verglichen. Ökonomen sind in der Lage mit Modellen eine Art des idealen Wachstums aus den vorliegenden Gegebenheiten zu berechnen. Dazu gehören die Vollbeschäftigung, der freie Zugang der Unternehmen zu allen Ressourcen, die Vermeidung von Fehlallokationen der Ressourcen und stabile politische Rahmenbedingungen. Der Bericht hat die sieben Jahre vor der Finanzkrise 2008 mit den sieben Folgejahren verglichen und lediglich bei Papua Neuguinea, Usbekistan und Pakistan einen Anstieg des „potenziellen Wachstums“ feststellen können. Alle anderen asiatischen Länder haben eine Verkleinerung des „potenziellen Wachstums“ hinnehmen müssen. Das äußert sich in einer Verringerung der Beschäftigungsquote und Arbeitsproduktivität.

Um aber das Wachstum in Asien auf nachhaltige Fundamente zu stellen, muss die Lücke zwischen aktuellem und potenziellem Wachstum verkleinert werden, schließt Juzhong Zhuang seinen Ausblick. Dazu sind Investitionen in Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen notwendig. Verbesserte politische Rahmenbedingungen bis zur gerechten Landvergabe und eine ordentliche Wirtschaftspolitik sind weitere Sicherheitsfaktoren.

Nicht nur Wirtschaft

Vor allem China hat eine Wende in der Umweltpolitik eingeleitet. Die Kosten für verschmutzte Luft, verunreinigtes Trinkwasser und Absinken des Grundwasserspiegels führen zu Unmut und werden in die politische Agenda aufgenommen. „Die Themen stehen in den Schlagzeilen“, unterstreicht Jörg Zeuner von der KfW. Juzhong Zhuang ergänzt: „Dazu brauchen wir Hilfe von den Industrieländern.“

Lesestoff:

Den Asian Development Outlook 2016 finden Sie unter auf der Internetseite der Asiatischen Entwicklungsbank www.adb.org

[1] ASEAN-Länder: Brunei, Indonesien, Kambodscha, Malaysia, Myanmar, Philippinen Singapur, Thailand und Vietnam

[2] EU-Indien Summit in Brüssel am 30.03.2016

[3] Über die Folgen des niedrigen Ölpreises schreibt das Bundeswirtschaftsministerium in einer aktuellen Parlamentarischen Antwort: Für die ölimportierenden Länder entspannt sich die Haushaltslage und begünstigt die energieabhängigen Industrien. Gleichwohl wird die Investitionstätigkeit der Öl- und Gas-Förderindustrie reduziert. Negative Effekte entfallen auf die ölexportierenden Staaten, deren Haushaltseinkommen sinken. Diese Länder müssen von angelegten Reserven leben und haben zum Teil bereits Reform- und Sparprogramme aufgelegt.

Roland Krieg

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