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Handel

19.01.15 Die Tricksereien mit den Health Claims

In einem langen Prozess hat die EU gesundheitsbezogene Aussagen der Ernährungsindustrie überprüft und mit der Health Claims-Verordnung nur noch wenige zugelassen. Kein halbes Jahr später hat das Bundeslandwirtschaftsministerium Ende 2012 die Verordnung in deutsches Recht umgesetzt [1].

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat auf der Grünen Woche nach zwei Jahren eine Bilanz gezogen: Es wird getrickst.

Der Marktcheck

46 Produkte hat der vzbv im letzten Jahr untersucht, um die Umsetzung der Verordnung zu überprüfen. 20 Produkte weisen Claims auf, die in der Form nicht zugelassen sind. Besonders schlecht schneiden Kinderlebensmittel ab. Beispielsweise wurde der erlaubte Wortlaut eigenmächtig geändert. Die EU erlaubt Aussagen wie „… tragen zu einer normalen Herzfunktion bei“. Die PR-Agenturen haben aus der Normalität ein „gesund“ gemacht.

Die Verbraucherschützer stellen fest, dass Deutschland kein Vitaminmangelland ist. Nur bei Folsäure macht ein Zusatz Sinn. Da aber Vitamine nur wenige Cent kosten, werden sie häufig und unnötig zugesetzt, damit die Hersteller mit den Vitaminen werben können. Das verbessert lediglich das Image des Produktes, kritisiert Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Die EU hat auch Symbolbilder, die einen falschen Eindruck erwecken, verboten. Da hat Dr. Anke Zühlsdorf von Agrifood Consulting besonders hingeschaut. Eine Joggerin auf dem Etikett erweckt den Eindruck, dass das Produkt besonders gesund und kalorienfrei sei. Selbst ein Blick auf die tatsächlichen Eigenschaften auf der Rückseite kehren den ersten Eindruck nicht um – auch kaum, wenn das Nährwertprofil ehrlicherweise das Gegenteil beschreibt.

„Ohne Zucker“

Kunden und Lebensmittelhersteller haben sich in den letzten Jahren kaum einander angenähert. Das „Wording“ trennt noch immer zwei Welten. Die Hersteller halten sich bei den Worten „ungesüßt“ und „ohne Zucker“ an die gesetzlichen Definitionen. Verbraucher hingegen verstehen darunter, dass kein Zucker zugesetzt wurde (90 Prozent) oder das Produkt weniger Kalorien enthalte (70 Prozent). Mehr als die Hälfte der Verbraucher glaubt, dass auch keine Süßstoffe zugesetzt wurden.

„Ohne Zuckerzusatz“ beschreibt hingegen nur, dass kein Einfach- oder Zweifachzucker hinzugegeben wurde. Süßstoff oder Austauschzucker sind erlaubt. Auch Früchte enthalten von Natur aus Zucker. Der Zwang zur Angabe besteht nicht. „Ungesüßt“ ist die gleiche Definition wie „“ohne Zuckerzusatz“.

Reduzierter Zuckergehalt: Rechtlich gesehen dürfen mindestens 30 Prozent weniger Zucker im Vergleich zu Zuckergehalten vergleichbarer Lebensmittel enthalten sein. Die Angabe ist nur zulässig, wenn bei dem zuckerreduzierten Produkt außerdem der Energiegehalt gleich oder niedriger ist als der des Vergleichsproduktes.

Zuckerarm: Das Produkt enthält maximal fünf Gramm Zucker auf 100 Gramm ode bei flüssigen Lebensmitteln maximal 2,5 Gramm Zucker auf 100 Milliliter.

Zuckerfrei: Gesetzlich sind noch maximal 0,5 Gramm „Restzucker“ pro 100 mg oder 100 ml Lebensmittel.

Mehr Überwachung

vzbv-Vorstand Klaus Müller sieht vor allem Defizite bei der Verbraucherbildung. Die Politik müsse es den Verbrauchern leichter machen, weil die Kaufentscheidung meist in wenigen Senkungen fällt. Viele positive Beispiele zeige, dass Hersteller die Health Claims-Verordnung auch umsetzen können. Die Firmen müssten selbst darauf achten – es müsse aber auch mehr kontrolliert werden.

Emotionale Werbung

In einer Fernsehwerbung fällt ein Auto aus dem Universum in Richtung Erde und wird von einer riesigen Rampe aufgefangen und sanft auf die Straße gebracht. Nur kurz ist erkennbar, um welche Marke es geht. Kein Wort wird gesprochen. Am Ende steht nur die Einblendung: Keine Science Fiction.

Ein Auto wird rein emotional ohne jegliches Detail beworben. Daran darf der Kunde sich erfreuen. Wie aber müsste eine emotionale Werbung für Lebensmittel aussehen, die vzbv-konform ist?

Da ist Phantasie gefragt, sagt Klaus Müller zu Herd-und-Hof.de. Firmen zeigen, dass auch Lebensmittel mit Emotionen beworben werden können. Voraussetzung ist, dass die Angaben „klar und wahr“ sind.

Dr. Zühlsdorf ergänzt, dass Verbraucher ein Interesse an Differenzierungssegmenten haben. Werden sie vom Produkt enttäuscht, wandern sie ab. Emotionale Werbung, die Inhalte verspricht aber nicht hält, mache den Markt für Differenzierungen kaputt.

Lesestoff:

[1] Aigner setzt Health Claims Verordnung um

Roland Krieg

[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige Grüne Woche mit dem Suchbegriff „IGW-15“ anzeigen lassen]

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