Auf der Suche nach dem richtigen Investment

Handel

Internationale Agrarminister auf der Grünen Woche

Die Ausgangslage ist klar: Der ländliche Raum wurde in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt, rund 900 Millionen Menschen hungern und die nationalen Budgets sind zu klein aufgestellt, als dass die Welternährung gesichert ist. Genug Lebensmittel sind vorhanden, die ungleiche Verteilung birgt den Sprengsatz sozialer Ungleichgewichte und Unruhen und Massenmigration. Der Klimawandel verschärft die Bedingungen.
Petko Draganov, Vize-Direktor der UNCTAD hat am Samstag in einem Husarenritt die ernährungs- und Armutssituation vor dem Treffen der internationalen Landwirtschaftsminister zur Grünen Woche knapp beschrieben.
Rund 83 Milliarden US-Dollar müssen die Länder jährlich in die Landwirtschaft und in den ländlichen Raum investieren, um satten Menschen das Leben auf diesem Planeten zu ermöglichen. Deshalb sind private Investitionen unbedingt notwendig. Doch die helfen nicht immer den Menschen vor Ort, sondern können zu Landraub und Ausschluss von Kleinbauern führen. Auf der Suche nach der Abtrennung von Investitionen mit negativen Effekten arbeitet die UNCTAD an Leitlinien für verantwortungsvolle Investitionen und wird in der Elfenbeinküste, Tansania, Südafrika und Somalia 25 Pilotprojekte fördern, wie vom Kleinbauern bis zum Händler alle Prozessbeteiligten von „richtigen“ Investitionen partizipieren können.
Dabei steht die Weiterentwicklung von Kleinbauern auf dem Programm, so Draganov.

Emotional oder rational?

Für Jürgen Fitschen von der Deutschen Bank ist die Investition ein rationales Geschäft. Die Steigerung der Produktivität brauche Kapital für dessen Bereitstellung eine Rendite fällig werde. „Zum Schluss ist das ein Geschäft“, sagte Fitschen. Das müssten alle erkennen sachlich erkennen.
Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe, kennt die Grenzen der Rationalität: Bei 900 Millionen Hungernden „bin ich emotional“, bekannte sie. Viel Verantwortung liege jedoch bei den lokalen Regierungen.
Mosambik hat einen Weg gefunden, glaubt Landwirtschaftsminister José Condunga Pacheco. Das Land wolle seine Kleinbauern zu kleinen Landwirtschaftsbetrieben verhelfen, die auch für den Agrarexport wirtschaften. Früher habe das Land Zucker, Baumwolle, Tee und Cashew exportiert, heute sind Mais, Bananen und Bohnen dazugekommen. Ziele bei der ländlichen Entwicklung sind die Steigerung der Produktivität, die Ernährungssicherung und der Schutz der natürlichen Ressourcen. Es dürfen zwar ausländische Investoren in das Land, aber weniger, als Fitschen es hätte. Wie Mosambik sie heraushalten will, sagte Pocheca ihm aber nicht.
Bei Landinvestitionen sind in Mosambik zehn Prozent der Fläche für die Eigenproduktion vorgesehen und Ausländer müssten mit ihren Projekten innerhalb von zwei Jahren fertig sein. Inländer haben fünf Jahre Zeit. 30 Prozent der Investitionen sollen mit den Gemeinden abgeschlossen werden, damit sie an der Wertschöpfung partizipieren können. Das ist, so sagte Pacheco nach dem Forum zu Herd-und-Hof.de der afrikanische Weg der Entwicklung. Die meisten afrikanischen Länder reservieren lediglich drei Prozent des Budgets für die Entwicklung des ländlichen Raumes. In Mosambik sind es elf Prozent, so Pacheco.

Kleinbauern einbeziehen

Die Nestlé AG will in den nächsten zehn Jahren sein Kaffeegeschäft verdoppeln, erläuterte Verwaltungspräsident Peter Brabeck-Letmathe. Das gehe nur, wenn die Rohstoffbasis sichergestellt ist und damit auch die Kleinbauern an Nestlé liefern wollen. Der weltweit größte Lebensmittelkonzern besitzt keine Plantagen, sondern arbeitet weltweit mit rund 680.000 Bauern zusammen. Diese haben in den letzten Jahren 220 Millionen neue Pflanzen erhalten, die weniger Wasser und deren Pflege und Ernte 30 Prozent weniger Energie verbrauchen. Die Kleinbauern werden angehalten ihre oft in Familientradition bewirtschafteten Flächen in ein Landkataster einzutragen und damit vor dem Entzug zu schützen, so Brabeck-Letmathe.
Insgesamt müssen aber viele Rädchen in das Werk für die Ernährungssicherung greifen. Die Verringerung der Nachernteverluste und die Lebensmittelverschwendung in den Industrieländern gehören dazu, so der Nestlé-Chef.
Deshalb glaubt Dieckmann auch nicht an die veröffentlichten Zahlen, dass die Nahrungsmittelproduktion bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden muss. Schon allein die Nachernteverluste der heutigen Aussaaten beziffern sich auf 40 Prozent.

Spekulanten und Vitamine

Strittig ist auch die Rolle der Spekulanten. Nach Fitschen haben diese nicht die Hungerrevolten 2008 ausgelöst, weil die Spekulanten zwar für die Volatilität der Preise, aber nicht für den allgemeinen Preistrend verantwortlich sind. Nach Dieckmann ist der Anteil von Spekulanten jedoch unstrittig [1].
Die Welthungerhilfe plädiert auch für eine gesunde Ernährung mit vielfältigerer Kost, so dass eine Nahrungsmittelanreicherung, wie sie Shenggen Fan, Generaldirektor des International Food Policy Research Institut (IFPRI) vorgeschlagen hat, überflüssig wird [2].
Brabeck-Letmathe setzte sich für die Einpreisung aller Kosten in ein Endprodukt ein. Für einen Liter Ethanol werden 9.500 Liter Wasser gebraucht. Hätte dieser knappe Faktor einen Preis, dann kostete der Biosprit einiges mehr.

Das Abschlusskommuniqué

Am Abend haben die Agrarminister ein Abschlusskommuniqué verabschiedet. Investoren werden aufgerufen:

give priority to business models which include farmers, particularly smallholder farmers, in value chains,

pursue fair and genuine economic activity through transparent markets,

respect legitimate tenure rights for both women and men and all applicable laws,

act with due diligence to avoid infringing on human rights and provide remedy,

comply with corporate social responsibility requirements,

take into account national sovereignty over natural resources, as well as environmental sustainability and the well-being of local communities and

promote transparency and accountability in investments related to transactions in tenure rights over land and natural resources;

Investoren sollen sich auch den freiwilligen Leitlinien der FAO halten [3].

Das ist vielleicht nicht viel, aber ein weiteres Mosaiksteinchen auf dem zähen Weg zu weltweiten Standards. Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner will Sorge tragen, dass das Kommuniqué bei den nächsten G8 und G20-Treffen weiter besprochen wird. Kleinbauern, Frauen und lokale Gemeinschaften sind die tragenden Säulen der ländlichen Entwicklung, so Aigner.

Lesestoff:

[1] Finanzmärkte als Hungerursacher

Einstieg in die Finanzmarktregulierung

[2] SAFO-Konferenz in Berlin

[3] FAO-Leitlinien zur Landnutzung

Der Beira-Korridor in Mosambik

Roland Krieg; Fotos: roRo

[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige Grüne Woche mit dem Suchbegriff „IGW-13“ anzeigen lassen]

Zurück