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Handel

Warenströme bleiben global

Die Herausforderungen des Klimawandels und der Welternährung können nach Carl-Albrecht Bartmer, Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, nicht durch den Willen zu einer besseren Welt, sondern nur auf der Basis der Vernunft und des technologischen Fortschritts begegnet werden. Ineffizienz bei 30 bis 40 Prozent Ernte- und Nachernteverlusten zeigen, dass innerhalb der Wertschöpfungskette noch viel Aufholbedarf sei. Man dürfe technologisch nicht untätig sein, um von den Nichtregierungsorganisationen später keine Untätigkeit vorgeworfen zu bekommen. Auch Marktmachtkonzentrationen verknappen das Nahrungsangebot, das eigentlich für die Menschen ausreicht. Ziel sei, so Bartmer auf dem Global Forum for Food and Agriculture während der Grünen Woche in Berlin, einen Warenstrommit minimalen Transaktionskosten aufzubauen. Dazu müssen „Modernisierungspartnerschaften“ weltweit neue Produkte und Prozesse geknüpft werden, ergänzt Dr. Franz-Georg von Busse vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft.
Letztlich geht es darum die Vorteile ökologischer und sozialer Standards in die Breite zu tragen. Wenn mit Kraft Foods, dem größten Lebensmittelhersteller der Welt, 20 Prozent der Kakaoproduktion schon zertifiziert sei, führt das hohe Volumen zu positiven Effekten bei den Bauern. Nach Hubert Weber, Direktor für das Kaffeegeschäft von Kraft in Europa, führt die Zusammenarbeit mit einer Fast Food-Kette, den fair gehandelten Kaffee aus der Nische in den Lebensalltag. Nur in Deutschland entwickelt sich der Markt zurückhaltender, weil die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel eine Ausweitung der fairen Produkte hemme.
Weber kritisiert aber auch den Handel mit Rohstoffen. Heute wechseln Kakaobohnen zwischen Ernte und Rösterei bereits 14 Mal den Besitzer. Im letzten Jahr habe das zu Preissteigerungen von bis zu 45 Prozent geführt. Auch für Weber ist es nicht mehr transparent, wer hinter den Spekulationsgeschäften stehe. Die notwendige Weitergabe gestiegener Preise an den Verbraucher liege auch nicht im Interesse des Nahrungsmittelkonzerns.

Europa ist satt

Auf der Tagung traten auch die Spannungen der Globalisierung auf. Asker Kroogsgaar, Vizepräsident des Danish Agricultural and Food Councils, sieht beispielsweise für den Schweinmarkt keinen heimischen Absatzmarkt mehr. „Wir müssen vom heimischen Markt wegkommen und mit neuen Partnern Ferkel woanders verkaufen.“ Wohin neue Partnerschaften aber auch führen können beschrieb Joachim Felker aus dem vorstand der Düngemittelfirma K + S: Dänemark hat keinen eigenen Düngemittelmarkt mehr und sich an die norddeutschen Vertriebsfirmen gebunden.
Verwerfungen treten aber nur auf, wenn die Handelspartner unterschiedlich groß sind, erklärt Márcio Lopez de Freitas, Präsident der brasilianischen Union der Genossenschaften. Ohne die Beteiligung von Kooperativen und damit der Bauern kann keine Wertschöpfungskette etabliert werden. Die müssten sowieso schon gegen eine Marktverzerrung kämpfen, weil beispielsweise der Düngermarkt zu 80 Prozent von vier Firmen bedient werde.
Die Kooperativen müssten sich nach Freitas neu aufstellen. So kann ein einzelnes Mitglied mit 12.000 Hektar die anderen deutlich überragen, aber sie würden von den Vermarktungskanälen und der eingesetzten Technik besser profitieren, als wenn die Kooperative nur aus Kleinbauern bestünde.

Auf dem Weltmarkt Ordnung schaffen

Nach fast 100 Jahren sinkender Lebensmittelpreise werden die Entgelte wieder langfristig ansteigen, erklärte Ken Ash, Direktor des Handelsreferats der OECD. Die steigende Nachfrage wird die Preise mit sich ziehen, obwohl keiner vorausschauen könne, was in den nächsten Wochen passieren wird. In Europa gibt es wenig Wachstum, die haushalte sind marode, die Rohstoffmärkte volatiler. Exportstopps, wie zuletzt von Russland und der Ukraine verhängt verschärfen die Marktsituation. Steigt der Preis für Erdöl an die 100-Dollar-Marke, dann üben Biokraftstoffe zusätzlichen Druck auf Lebensmittelpreise auf.
Nach Ash gibt es ungenutzte Ressourcen. Die öffentlichen Standards beziehen sich auf Sicherheit und Qualität, die privaten Standards begannen mit Prozessbeschreibungen. Letztere werden wichtiger, müssen aber deutlicher harmonisiert werden. Nach Prof. Dr. Ulrich Nöhle von der TU Brauschweig kommt fast jeden Tag ein andere Prüfer auf den Hof, um die Einhaltung der Standards zu kontrollieren. Würde hier gespart, käme das den Bauern und der ländlichen Entwicklung zu Gute. Vor allem die privaten Standards seien für Bauern eine große Hürde und Prof. wünscht sich die Reduzierung auf den Codex Alimentarius. Kleinbauern, die mit nur wenig Ausbildung auskommen, müssten Hunderte von verschiedenen Standards verstehen und anwenden lernen.
Sei das erreicht, dann können auch weitere, so genannte „weiche Standards“ wie Sozialstandards, Nachhaltigkeit oder ethische Standards eingeführt werden.
Nöhle forderte auch den Aufbau eines Schnellwarnsystems. Die Eu, USA und Australien haben eines, aber entgegen der Warenströme sind sie nicht in einer Datenbank vernetzt.
Bei aller Handelseuphorie gab Hans Reitz, Direktor von The Grameen Creative Lab, zu bedenken, zu bedenken, dass angesichts des jahrzehntelangen Raubbaus, Reserven und Ressourcen zunächst erst wieder aufgefüllt werden müssen, bevor die Produktion auf Nachhaltigkeit umgestellt werden kann.

Roland Krieg

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