Aus der Armut herauskommen

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Neuer Weltbankbericht zur Armutsüberwindung

„Selbstständige harte Arbeit und Glauben an sich selbst kann Menschen weit bringen, wird aber das fehlen ökonomischer Möglichkeiten und den fehlenden Zugang zu Ressourcen nicht ausgleichen können“, sagt Hauptautor Deepa Narayan zur aktuellen Studie über den Weg aus der Armut, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.

CoverWie sehen sich die Beteiligten selbst?
Die Studie ist ein Nachfolger der 2000 erschienenen Studie „Die Stimme der Armut“, die bei 60.000 Menschen in 21 Regionen in 15 Ländern ihre Lebenssituation analysiert hat.
Das Resümee der neuen Studie „Wege aus der Armut“: Auch die Ärmsten der Menschen können ihre Armut verlassen, wenn die regionalen Rahmenbedingungen ihrer Eigeninitiative Raum geben. Die Weltbankstudie hat sich dabei nicht auf die Menschen fokussiert, die arm sind, sondern an die gewandt, die ihre Armut haben überwinden können, um damit die Erfolgsfaktoren herauszuarbeiten.
Armut wird in er Studie nicht als statisch angesehen, sondern als Prozess, dem Menschen entkommen, aber in die Menschen auch erstmalig oder wiederholt geraten können. Die meisten Armen sind gewillt, Eigeninitiative zu ergreifen und werten Freiheit und soziale Beziehungen als mögliche Erfolgsfaktoren. Ihre Armut sehen sie als Folge blockierter Möglichkeiten, die aus ungleichen Marktbedingungen aber auch fehlender Demokratie resultiert.

Tindyata
Das Dorf Tindyata liegt an einem Berghang und leidet unter Überflutungen. Seit 2003 haben Wahlen einen Wendepunkt im politischen Klima eingeläutet. „Die Wahlen waren frei und für alle gleich, jeder hat teilgenommen und ein gewünschtes Resultat hervorgebracht“, sagt eine Frau. Man könne freier sprechen und eigene Interessen wahrnehmen. Der Gewählte ist ein Sprecher aus dem Dorf und die politischen Entscheidungen gerechter als noch vor zehn Jahren.
Trotzdem haben die Wahlen keinen zählbaren Wohlstand gebracht. Tindyata bleibt ein Dorf in der Peripherie, weil die nationalen Entwicklungspläne die Hauptstadt bevorzugen und es keinen regionalen Planungsstab gibt. 1)

Reflexionen
Die Studie formuliert über alle regionalen und kulturellen Differenzen hinweg vier Kernsätze.
„National Wachstum ist alles, aber Politik ist dessen Schlüssel“. Als Einschränkung dieser Maxime stellt die Studie fest, dass Wachstum zwar Möglichkeiten generiert, diese aber nicht zwingend für alle gleich sind. Zudem zeigt sich, dass in einem Land auch regionale Differenzen auftreten können, das Wachstum gleichermaßen zu nutzen.
„Armutspolitik sind soziale Netze und Programme“. Es gibt kein statisches Bekämpfungsprogramm, weil Alter, Ausbildung, Armutsstatus und regionale Unterschiede nur individuelle Programme zulassen. Die der Armut entkommenen geben als Grund ihres Erfolges nur zu 0,3 Prozent Nichtregierungsorganisationen an. Erfolgreicher waren die Schaffung neuer Arbeitsplätze, neue Agrarinitiativen und neue Geschäftsmöglichkeiten.
„Demütigende Armut ist eine Aufgabe für Philanthropen“. Die Weltbank möchte mit der populären Sichtweise in reichen und armen Ländern aufräumen, dass die in Armut lebenden jenseits jeglicher Hilfe nur über Wohltätigkeit zu erreichen sind. Das sei sogar gefährlich, weil es die lokalen Ansatzpunkte vernachlässige.
„Armutsreduzierung muss von außen erfolgen“. Auch diesem Argument will die Weltbank den Zahn ziehen, die in Armut Lebenden als „kraftlose Masse“ zu sehen. Diese Sichtweise vernachlässige die Eigeninitiative der Menschen und spiele die Rolle der Demokratie hinunter.

Anakha
In Anakha regiert eine einzige Partei, die das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben der Region bestimmt. Ein Mann aus dem armen Dorf beklagt das Fehlen einer Opposition. Die Unterstützer der Partei erhielten mehr wirtschaftliche Nutzen, als deren Gegner. Wer die ökonomische und soziale Leiter in der Gesellschaft aufsteigen will, scheint der Partei angehören zu müssen, heißt es. Nur so erhalte man Arbeit, bekommt einen Kredit, kann ein kleines Geschäft aufbauen und mit Betriebsmitteln die landwirtschaftliche Produktion erhöhen. Die Landvergabe ist augenscheinlich an die Zugehörigkeit der Partei gebunden. „Die es für den Lebensunterhalt am nötigsten hätten, sind von der Landvergabe ausgeschlossen.“1)

So kommt die Weltbank nicht nur zu zwei bekannten Empfehlungen, mehr Demokratie in den Ländern zu gewährleisten und einen fairen Markt aufzubauen – mit dem Ruf, mehr Vertrauen in die eigene Stärke der Menschen aufzubringen, bemängelt die Weltbank externe Akteure, Schwierigkeiten zu haben, in lokale Organisationen zu investieren, ohne sie auch gleichzeitig kontrollieren zu wollen.

Lesestoff:
1)Weltbank: „Moving out of Poverty“. Aus ihr stammen die Beispiele aus den Orten Tindyata und Anakha. Tindyata liegt in der Provinz Chichaoua in Marokko und Anakha ist ein Dorf im indischen Westbengalen. www.worldbank.org

roRo; Foto: Weltbank

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