Auskunft mit Beipackzettel und Rechnung
Handel
Das Verbraucherinformationsgesetz tritt in Kraft
Nach langem Anlauf mit emotional geführten Diskussionen tritt am 01. Mai das „Gesetz zur Neuregelung des Rechts zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformationen“ in Kraft. Besser bekannt als Verbraucherinformationsgesetz (VIG).
Verbraucher können sich informieren
Jetzt können Verbraucher sich gezielt bei den Behörden informieren, möchten sie über ein Produkt Klarheit über dessen Kennzeichnung, Herkunft, Beschaffenheit und Verwendung, einschließlich, bei Lebensmitteln, Zusatzstoffe, Futtermittel, ansonsten auch bei Kosmetik und allen Bedarfsgegenständen erhalten. Ein formloser schriftlicher oder mündlicher Antrag reicht und die Behörden haben vier Wochen Zeit, in schwierigeren Fällen bis zu zwei Monaten. Bei Gesundheitsgefahren informieren die Behörden von sich aus. Das Gesetz bietet die neue Möglichkeit, sich über die Risiken und Gefahren eines Produktes zu informieren.
Die Behörden können die Information allerdings auch verweigern, sofern Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse betroffen sind oder wenn sich nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen ergeben oder wenn die Informationen vor mehr als fünf Jahren entstanden sind.
Pestizide in Paprika, Gammelfleisch, Inhaltsstoffe der Hautcreme oder ob bei der letzten Kontrolle der Lieblingsimbissbude alles in Ordnung gewesen ist? Das Fragespektrum ist groß, weswegen Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer das Gesetz als „Meilenstein in der Geschichte des Verbraucherschutzes“ bezeichnet. Prinzipiell ist auch die Verbraucherzentrale Bundesverband mit dem Gesetz zufrieden.
Zwei Jahre Praxistest
Jetzt muss sich das VIG zwei Jahre in der Praxis bewähren und kommt dann auf den Prüfstand. Rechtsanwalt Michael Welsch sagte auf einer Veranstaltung des Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) in Bonn: „Bis heute weiß noch niemand von uns, wie sich das VIG in der Praxis entwickelt.“ Paragraph 5 des Gesetzestextes kann zu einem Knackpunkt werden, führte Donald Jesse-Allgöwer aus dem Ministerium für Ernährung und Ländlicher Raum in Baden-Württemberg aus. Demnach sind die Behörden nicht verpflichtet, die Information auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. „Man sagt etwas mit bestem Gewissen und damit muss der Verbraucher leben“, zitieren ihn Barbara Zimny und Gesa Maschkowski vom aid infodienst. Nur Zweifel am Wahrheitsgehalt muss die Behörde mitteilen. „Das könnte bedeuten, dass es künftig eine Art Beipackzettel zum Gebrauch der Informationen gibt“, so Jesse-Allgöwer.
Gebührenchaos
Informieren kann sich jeder Bürger, egal wo er wohnt. Weniger egal ist es, in welchem Bundesland er sich informiert. Das Verbraucherministerium gibt eine Gebührenspanne von fünf bis 25 Euro je Anfrage an. In schwierigen Fällen kann es zwischen 30 und 250 Euro kosten.
Einige Bundesländer haben noch gar keine Gebührenregelungen. In Brandenburg, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind einfache Anfragen kostenfrei, in anderen wird ein zweistelliger Betrag fällig. In Schleswig-Holstein kann die bis zu 2.045 Euro betragen. Foodwatch hat errechnet, dass im Saarland eine Anfrage theoretisch bis zu 10.225 Euro kosten kann. Erfahrungen liegen nur aus dem Informationsfreiheitsgesetz vor: Da gab es im letzten Jahr 1.200 Anfragen, von denen 115 gebührenpflichtig waren.
BLL
Der BLL sieht das Gesetz in der richtigen Balance zwischen Informationsinteresse des Verbrauchers und praxisgerechter Berücksichtigung betrieblicher Belange. Firmen dürfen sich nicht über ihre Wettbewerber informieren. Dr. Marcus Girnau, Geschäftsführer des BLL sagte am Mittwoch: „Positiv zu bewerten sind vor allem die Regelungen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, die dem besonderen verfassungsrechtlichen Stellenwert dieser Rechtsgüter konsequent Rechnung tragen, ebenso wie die angemessene verfahrensrechtliche Beteiligung der Unternehmen vor der Offenlegung der sie betreffenden Informationen.“
Brandenburg
Brandenburgs Verbraucherminister Dr. Dietmar Woidke hält das Gesetz für einen wichtigen „Schritt zu mehr Transparenz im gesundheitlichen Verbraucherschutz. Jetzt kommt es darauf an, dass die Regelungen bürgerfreundlich und unbürokratisch, zugleich aber unter Wahrung der berechtigten Belange von Unternehmen und Privatpersonen umgesetzt werden.“
Woidke bittet um Verständnis, falls es bei der Anwendung zu Übergangsschwierigkeiten komme, weil einige Regeln und die verfahrensrechtliche Vorgabe unklar sind: „Leider ist der Bund auf einige Forderungen der Länder nicht eingegangen. Vor allem Forderung nach Präzisierung der Regelungen zum Schutz vor Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und zur Abgrenzung zwischen Bund und Länder bei Informationen, die bei mehreren Behörden gleichermaßen vorliegen, ist der Bund bislang nicht nachgekommen und verweist hier auf die Vollzugsständigkeit der Länder. Das ist zu kurz gegriffen und nicht im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher.“
Nordrhein-Westfalen
Minister Eckard Uhlenberg weist darauf hin, dass das VIG in NRW weiter gefasst ist, weil hier auch die Kommunen für die Lebensmittelüberwachung zuständig sind. „Die Gebührenbemessung soll aber mit Augenmaß erfolgen“, appelliert Uhlenberg. „Gerade bei Bürgeranfragen darf die Höhe der Gebühren nicht abschreckend wirken.“
Auch die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner forderte Zurückhaltung bei den Gebühren. Gerd Billen, Vorstand der Verbraucherzentralen, forderte generell kostenfreie Informationen: „Ich halte es für eine Kernaufgabe dieser Institutionen, Verbraucher zu informieren. Dafür zahlen wir ja Steuern.“
Informationen über das VIG
„Wir wollen, dass die Menschen in unserem Land über das Verbraucherinformationsgesetz und damit über ihre neuen Rechte Bescheid wissen“, sagte Seehofer. „Deshalb haben wir eine Informationshotline und die Webseite www.vig-wirkt.de eingerichtet.“ Im Internet sollen Antworten auf häufig gestellte Fragen gesammelt werden. Die Telefonnummer 01805 – 844 544 ist in der Zeit zwischen dem 02. und 31. Mai 2008 von Montag bis Freitag von 09:00 bis 17:00 Uhr frei geschaltet. Die Kosten für einen Anruf aus dem Festnetz betragen 14 Cent pro Minute.
VLE