Azevedo: Die WTO hängt an der Doha-Runde
Handel
Roberto Carvalho de Azevedo wird WTO-General-Direktor
Am kommenden Montag ist es nur noch eine Formalie. Die Welthandelsorganisation WTO wird den Nachfolger von General-Direktor Pascal Lamy offiziell benennen. Das Komitee der WTO hat am Mittwoch bekannt gegeben, dass der brasilianische Bewerber Roberto Carvalho de Azevedo beim Auswahlverfahren in allen Runden am besten abgeschnitten hat und die Mehrheit der 159 Mitgliedsländer hinter sich bringen konnte. In der letzten Runde hat er sich gegen den Mexikaner Hermino Blanco Mendoza durchgesetzt, der von den USA und der EU favorisiert wurde.
Erfahrener Kandidat
Azevedo konnte vor allem die Stimmen der so genannten BRICS-Länder
auf sich vereinen. Das sind die wachstums-intensiven Schwellenländer Brasilien,
Russland, Indien, China und Südafrika, die eine wachsende Rolle in der Welthandels-architektur
spielen. Außerdem soll er von anderen Ländern Lateinamerikas, Asien und Afrika
unterstützt worden sein, die in ihrer Entwicklung der Ausgangspunkt der
BRICS-Staaten sind. Die Wahl Azevedos signalisiert eine neue Blickrichtung in
der WTO.
Der neue General-Direktor kennt die Organisation, die
er seit 1997 als Botschafter für Brasilien und Handelsexperte im Bereich der
Streitschlichtung begleitet. Die WTO ist gerade einmal zwei Jahre älter.
Bei seiner offiziellen Kandidatur am 31. Januar 2013
hat er auf diesen reichhaltigen Erfahrungsschatz abgezielt, die ihn vor allem
für die Beendigung der stagnierenden Doha-Runde geeignet mache. „I know the
issues“, sagte Azevedo. Er hat alle Verhandlungsrunden bis zum vorläufigen Ende
in Bali 2008 intensiv begleitet. Azevedo sagte, er kenne alle technischen und
politischen Verhandlungseinstellungen. Ohne Beendigung der Doha-Runde werde die
WTO marginalsiert, sagte der jetzige Welthandelschef. Auf die Frage eines
Journalisten, warum er sich für den riskanten Job beworben hat, antwortete er: „Das
hat meine Mutter auch gefragt!“ Er habe ihr geantwortet, dass er ohne Risiko in
seinem Leben nicht weiter gekommen wäre. Und sein persönliches Risiko als
General-Direktor sei deutlich kleiner, als das der vielen Menschen auf der
Welt, die auf ein Ende der Doha-Runde warten.
Nicht neu, aber anders verhandeln
Azevedo wird sich am Erfolg der Doha-Runde messen
müssen. Die Umsetzung der WTO-Beschlüsse laufe gut, die Streitschlichtungsverfahren
im Grunde auch. Dort müssten Zeit und Kosten auf den Prüfstand. Das größte
Problem aber sind die unendlichen Handles-Verhandlungen, die bislang kein
einziges Ergebnis hervorgebracht haben, sagte er bei seiner Kandidatur. Über
das Doha-Abkommen müsse die WTO wieder auf die globale Agenda gebracht werden.
90 Prozent der Verhandlungen finden vor der Ministerebene statt. Und dort kenne
er sich aus.
Er will nicht von verpassten Gelegenheiten auf den
verschiedenen Tagungen sprechen. Er glaubt, dass die Delegierten vor dem
Hintergrund der heimischen Vorgaben das Beste herausgeholt haben. Daher, so
sagte er im Januar, will er auch nichts neues machen. Nur besser zuhören und
reden.
Durch ständige Gespräche würden sich „plötzlich“
Lösungen materialisieren. Die Länder müssten die Verhandlungen angehen. Es gebe
kein besonderes Zeitfenster mit günstigen wirtschaftlichen Bedingungen dafür.
Der neue General-Direktor weiß, dass es keine einfache
Lösung gibt. Jedes Land hat seine eigene Balance zwischen wirtschaftlichem
Wachstum, sozialem Ausgleich und Umweltbelangen. Die richtige Balance variiert
zwischen den Ländern. Die WTO könne sich nur schrittweise der Balance für alle
nähern.
Reaktionen
EU-Handelskommissar Karel de Gucht begrüßte die Wahl: „Eine
starke WTO braucht einen starken General-Direktor!“ Er hält Azevedo für den
richtigen Kandidaten, die Doha-Runde zurück auf die Agenda zu bringen. Ein
erster Gradmesser wird die WTO-Sitzung in Bali sein, die Ende des Jahres die
Themen Handelsgestaltung, Landwirtschaft und verschiedene Entwicklungsaspekte
bearbeiten wird.
Auch Wolfgang Steiger, Generalsekretär des
CDU-Wirtschaftsrates, sieht eine gute Wahl. Azevedo sei ein „ausgewiesener
Kenner“ der WTO. Die Erwartungen sind hoch, denn er soll den stotternden Motor
Doha wieder in Schwung bringen, so Steiger. Das helfe auch der deutschen
Exportwirtschaft.
Für Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel allerdings
scheint Azevedo der falsche Kandidat zu sein. Statt Glückwünsche und unter
Vermeidung des Namens, erklärte Niebel am Mittwoch dünn: „Die
WTO-Ministerkonferenz Ende des Jahres muss die Weichen stellen, alle Länder
entwicklungsförderlich in die Weltwirtschaft zu integrieren.“
Roland Krieg; Foto: Screenshot aus der Video-Pressekonferenz am 31. Januar