Backhaus lädt Ökoverarbeiter nach MV ein

Handel

Musterfarm für Bio-Putenhähnchen in Friedrichsruhe

Vor neun Jahren begann Dr. Martin Bohn im bayrischen Fahrenzhausen mit 200 Freiland-Bioputen in einer Strohburg. Der Babykosthersteller Hipp war sein einziger Kunde. Für Schlachtung und Zerlegung greift er auf Betriebe in Sachsen, Niedersachsen und Thüringen zurück. Demnächst kommen Puten-Hähnchen aus Mecklenburg-Vorpommern hinzu.

Platz für 8.000 Tiere
Gestern durchtrennte Agrarminister Dr. Till Backhaus die rote Schleife zur Eröffnung der neuen Mastanlage nördlich von Parchim. In 70 Tagen werden dort 8.000 Hähnchen nach ökologischen Richtlinien der EU gemästet. Es gibt zwei Ställe mit jeweils 400 und 800 Quadratmeter und 4,5 ha Grünland rund um die Gebäude. Die Tiere können in den Ställen herumtoben und würden, wenn es jetzt nicht so heiß wäre, auch den Rasen in Beschlag nehmen.
Die Freilandputen Fahrenzhausen ist quasi die Vermarktungs- und Produktionsmutter der Mecklenburger Landpute GmbH, die jetzt mit der Bio Geflügel Mecklenburg GmbH von Armin Kremer das neueste Wirtschaftskind aufweist. „Durch die Wiedervereinigung hat es Möglichkeiten für unternehmerische Freiheiten gegeben, neue Dinge zu tun“, sagte Armin Kremer vor der Eröffnung. Die „Landpute“ gibt es seit nunmehr 16 Jahren und sucht und findet ständig neue Herausforderungen, wie man jetzt sehe. Die Putenfarm ist ein Musterhof, der dem Verbraucher transparent die Produktion von Hähnchen zeigt.
In der gesamten Vorbereitungszeit für die Ställe gab es zwei schwere Brocken aus dem Wege zu räumen: Die Sicherheitsbedenken der Banken und bauliche Anforderungen. Die Stallböden seien nunmehr so sicher, dass sie auch eine Boing 747 tragen könnten. Zusätzlichen Druck hat die Vogelgrippe gebracht, sagte der Geschäftsführer zu Herd-und-Hof.de. Allerdings ist in der Biobranche der Verbrauch von Geflügelfleisch weniger gesunken und „der lange Atem zeichne sich jetzt schließlich aus“.
Vogelgrippe ist in Mecklenburg kein Thema mehr. „Ich kann es nicht mehr hören“, stöhnte Minister Backhaus. Für ihn ist es wichtiger, dass von der Farm Impulse an andere Unternehmer gehen. Rund 3.000 Menschen verdienen ihr Brot in der Geflügelhaltung. Bundesweit liegt der Anteil des Geflügels an der Landwirtschaft bei 3,9 Prozent, in MV bei 4,6 Prozent. 1991 wurden etwa 16.200 t Geflügelfleisch in dem Bundesland produziert – im letzten Jahr waren es bereits 103.411 Tonnen. „Jede zehnte Tonne deutschen Geflügelfleisches kommt aus Mecklenburg“, stellte Backhaus fest.

Die „richtige Pute“
Geflügelfleisch wurde zu Zeiten der BSE-Krise beim Verbraucher richtig populär. Der Trend hält weiterhin an und auch die Vogelgrippe hat dem Verzehr keine nachhaltigen Einbußen gebracht. Innerhalb dieses Marktsegmentes stellt Putenfleisch mit über sechs Kilo pro Kopf und Jahr eine stabilen Nachfrage dar. Allerdings gibt es keine Putenhaltungsverordnung und die konventionelle Putenhaltung steht unter heftigen Beschuss, weil die überschweren Rassen verschiedene Beinkrankheiten aufweisen.
Die Pute zu finden, die beim Verbraucher neben dem Genuss auch Umwelt- und Tierschutzaspekte befriedigt, ist noch schwer. In Friedrichsruhe gemästet und in Severin geschlachtet weist das Fleisch der ISA-Rasse eine lückenlose Dokumentation vom Erzeuger über den Schlachthof bis zum Vermarkter auf. Diese genügsamen Tiere stammen aus Frankreich und werden in der konventionellen Zucht nicht mehr verwendet. Sie hat keine Beinkrankheiten und weist auch keine Brustblasen auf, sagte Armin Kremer.

Backhaus rät von Grüner Gentechnik ab
Zwischen den Ställen stand ein nagelneuer LKW der eigenes Biofutter nach Mecklenburg bringt. Mit dieser Investition will Dr. Bohn das Problem der unsicheren Vorfracht umgehen. Bei Lohnunternehmen ist nicht immer klar, was vorher mit dem Silowagen transportiert wurde. Jetzt gäbe es keine Zweifel mehr, sagte er mit Blick auf den Chefeinkäufer von Hipp. Der Babynahrungshersteller ist sehr anspruchsvoll und hatte bereits auf der Grünen Woche in Berlin gedroht, dass er seine Produktion ins Ausland verlagere, wenn in Deutschland nicht sicher gestellt werden kann, dass die Rohware frei von Rückständen gentechnisch veränderter Pflanzen sei. Auch Dr. Bohn sieht „eine mittel- und langfristige Bedrohung durch die Grüne Gentechnik“. Und noch etwas anderes: „Sollte der Ökolandbau nicht wachsen, dann drohen Engpässe in der Versorgung“.
Minister Backhaus rät mittlerweile trotz Freisetzungsversuche in seinem Bundesland vom Anbau ab. Die Abstandsflächen von GV-Mais mussten immer wieder auf mittlerweile 150 Meter ausgedehnt werden. „Wir können auf dieser wissenschaftlichen Datenbasis, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen nicht empfehlen“, so Backhaus. Eine Einladung an die anwesenden Händler und Verarbeiter, ihre Aktivitäten in den Norden zu verlegen. In Uecker-Randow und in Müritz seien bereits über 20 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen auf ökologische Wirtschaftsweise umgestellt, wirbt Backhaus.

Roland Krieg

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