Bericht zur "Lage der Welt"

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+++ 12:38 Uhr

Sondermeldung: Worldwatch Institute präsentiert Wege zur Nachhaltigkeit

Das Worldwatch Institute hat heute Morgen seinen Bericht zur „Lage der Welt 2012“ zusammen mit Bundesforschungsministerin Dr. Annette Schavan und Renate Künast, Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen präsentiert. In diesem Jahr zeigt das Institut Wege zur nachhaltigen Wohlfahrt auf.

Die Zeit wird knapp

Schon zur ersten UN Umweltkonferenz 1972 in Stockholm hieß es, dass ein unendliches Wachstum von Ökonomie und Bevölkerung den endlichen Planten überfordern werde. Auch ohne Kenntnis des Klimawandels. Heute läuft die Zeit ab, erklärt Robert Engelmann, Präsident des Worldwatch-Instituts im Vorwort des Berichtes. „State of the World 2012: Moving Towards Sustainable Prosperity“ will keine Blaupause für die Rio +20 – Konferenz im Sommer sein, sondern ein Anregung für den generellen Wechsel, der auch nach der Konferenz weiterlaufen werden muss.
Denn 20 Jahre nach dem Erdgipfel in Rio und 40 Jahre nach Stockholm ist die Menschheit dem ökologischen Kollaps nie näher gekommen als heute. Das Ziel „Nachhaltige Wohlfahrt“ muss für alle Menschen die Befriedigung der Grundbedürfnisse, Würde und die Möglichkeit für Glück beinhalten, ohne kommenden Generationen diese Maßstäbe zu nehmen.

„Herunterwachsen“

Neben der Zustandsbeschreibung der ökologischen Krise, geht es dem Bericht vor allem um die wirtschaftlichen Pfade. Da fällt vor allem das Ungleichgewicht der Besitzverhältnisse auf. Nur ein Prozent aller Menschen besitzt 40 Prozent aller Besitztümer. Vor allem Industrieländer müssen den Pfad des „Herunterwachstums“ beschreiten, der den Überkonsum beendet. Im Jahr 2011 hat die Industrie weltweit 424 Milliarden US-Dollar für Werbung ausgegeben und allein die USA haben 270 Milliarden investiert, um Folgen des Übergewichts und Umweltschäden auszugleichen. Die Industrieländer sollen Steuern anpassen und „ungesunde“ Nahrung, nicht „grüne Finanztransaktionen“ und Werbung für solche Produkte als Steuerungselement belasten.
Das „Herunterwachsen“ bewirke keine ökonomische Depression, sondern initiiere eine mit den irdischen Ressourcen ausbalancierte Ökonomie. Nahrung, Transport und Wohnbedarf sind die Ansätze für den Wandel. Ziel sind kleinere Wohnverhältnisse und Nachbarschaften, die fußläufig und mit dem Fahrrad durchdrungen werden können.
Der Bericht signalisiert den Schwellenländern China, Indien und Brasilien, dass sie ihre eigenen Wachstumspfade finden müssen und die Industriestaaten nicht kopieren sollen. Weltweit soll die Rolle der Umweltdirektion der Vereinten Nationen (UNEP) gestärkt werden.
Auch das sensible Thema Weltbevölkerung wird nicht ausgespart. Einflussnahmen sind vor allem wegen ethischer und religiöser Bedenken schwierig. Doch finden sich „sanfte Parameter“, die das Anwachsen der Weltbevölkerung beeinflussen können. So zeigt sich, dass mit jedem Abschlussjahr höherer Schulen die Geburtenrate um 0,4 Kinder sinke. Es gelte das Selbstbestimmungsrechet der Frauen auf Kinder zu stärken und den Ausbildungsgrad der Menschen zu erhöhen. Dann könnte sich bis 2050 auch ein niedriges Niveau der Weltbevölkerung einpendeln, so der Bericht.
Letztlich hat sich der Bericht auf den ökonomischen Fokus konzentriert, einen Wandel zu beschreiten. Eine grüne Ökonomie, die innerhalb der Grenzen der Ressourcen bleibt, ist auch allumfassend, weil sie die Gleichverteilung und Chancen für alle Menschen berücksichtigt, und Verantwortungsbewusst gegenüber den Rechten und Prinzipien der kommenden Generationen. Das münde in eine nachhaltige Entwicklung und Beseitigung der Armut.

„Die große Transformation“

Für die Bundesregierung legte Forschungsministerin Dr. Annette Schavan die Sicht der Dinge dar. Der Bericht sei ein wichtiger Beitrag für die Orientierung der Forschung, was in den nächsten Jahren geleistet werden soll. Man bräuchte einen „Gesellschaftsvertrag für die große Transformation“1). Dr. Schavan baut darauf, dass vor Ort viele Akteure sind, die das umsetzen und verweist auf das europäische und deutsche Forschungsprogramm, die über internationale Abkommen die Nachhaltigkeit vorantragen.
Deutlicher wird Renate Künast, die „Wohlstand“ im Grundsatz neu definieren will, denn das europäische Modell könne so nicht global übertragen werden. Deutschland habe als Industrieland die Aufgabe, zu zeigen, dass eine Wandlung der Wirtschaft und Gesellschaft funktioniere. Das beginne bereits bei der Reform der Gemeinsamen Fischerei- und Agrarpolitik und der Neugestaltung internationaler Abkommen: „Wir müssen die Wachstumsfrage diskutieren!“.

„Degrowth“

Ein schwieriges Unterfangen, wenn es schon an den Begrifflichkeiten scheitert. Der Bericht von Worldwatch spricht von „Degrowth“. Das kann eine „Rücknahme des Wachstums“ bedeuten, es kann, wie von Herd-und-Hof.de übersetzt, ein „Herunterwachsen“ sein oder ein „Ent“-Wachsen im Sinne der „Entkopplung“ der Direktzahlungen von der Produktionsmenge. Hinter den Sichtweisen verbergen sich unterschiedliche Ansätze und Ängste, mit denen Politik gemacht werden kann. Denn über das „Warum“ streitet niemand mehr.
Geht es um ein sparsames und Ressourcen schonendes Auto oder geht gleich um ein ganzes Mobilitätskonzept? Und wenn, um welches?
Auf jeden Fall blickt Ralf Fücks, Vorstand der grünen Heinrich-Böll-Stiftung, optimistisch in die Zukunft: Es gebe so viele junge Menschen und so viel Forschung mit neuen Entwicklungen – es fehle nur noch an der Umsetzung. So hofft Michael Renner, Projektleiter des Berichtes, dass der kommende Erdgipfel Rio +20 vor allem eine Systemanalyse hervorbringt, was den Wandel hemmt und ihn fördert.

Roland Krieg; Titelbild: Worldwatch

Lesestoff:

Den Bericht können Sie unter www.worldwatch.org bestellen

Die „Umkehr“ hat Konjunktur – oder breitet sich aus. In seltener Eintracht sind innerhalb kurzer Zeit in neuer Allianz ähnlich lautende Erkenntnisse veröffentlicht worden:

Die Weltbank hat einen Bericht zur grünen Ökonomie vorgelegt

Auch WTO-Generaldirektor Pascal Lamy wünscht sich einen Wertewandel in neuer Handelsordnung

Eine Umkehr zu mehr Nachhaltigkeit hat ebenso der Club of Rome veröffentlicht

1) Das hat im letzten Jahr bereits der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) gefordert

Roland Krieg

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