Berlin: Neues Konzept bedroht Ökomarkt
Handel
Mischkonzept auf „Poldi“ bedroht Ökomarkt
Berlins ältester Ökomarkt wurde 1991 durch den Kirchenkreis der Nazareth-Gemeinde auf dem Leopoldplatz gegründet – mitten in Wedding, einem der sozial schwachen Bezirke in Berlin. Die Ökooase gegenüber eines Kaufhauses auf dem stark belebten und sehr beliebten Leopoldplatz ging 1996 an die Nazareth-Kirchengemeinde über, die Eigentümerin des Platzes ist. 2001 genehmigte das Bezirksamt noch zusätzlich einen konventionellen Wochenmarkt. 2006 belebte noch ein Trödelmarkt den „Poldi“, wie die Berliner den Leopoldplatz nennen.
Der Gemeinderat der Nazareth-Kirche hat einem neuen Konzept zugestimmt, das einen Mischmarkt vorsieht. Bei dem also konventioneller und Ökomarkt unter einem neuen Betreiber ein gemeinsames Dach finden sollen.
Ökomarktbetreiber Christoph Ebeling wurde die Kündigung bereits zugestellt, doch auf Grund eines Formfehlers darf er den Ökomarkt noch bis Jahresende weiter führen. Nur der Trödelmarkt ist schon weg. Dann sollen sich Bauern und Händler vom neuen Marktbetreiber übernehmen lassen.
Komplizierte Verhältnisse
Bettina Berndt, Öffentlichkeitsbeauftragte im Evangelischen Kirchenkreis Berlin Nord-Ost, spricht gegenüber Herd-und-Hof.de von komplizierten Platzverhältnissen, da die Gemeinde und der Bezirk den Leopoldplatz gemeinsam und unterschiedlich nutzen. Es habe eine Ausschreibung gegeben, auf die sich auch der Ökomarkt beworben hat, nun soll es eine gemeinsame Marktveranstaltung geben. Das Verfahren sei derzeit noch offen und die Sprecherin hofft, dass sich bis Jahresende die Beteiligten noch einmal an einen Tisch setzen werden. Der Ökomarkt habe sich in Wedding etabliert, weil nicht nur die Nähe der Hochschule und viele Studenten, die rund um den Platz wohnen, dort einkaufen, sondern auch bei Singlehaushalten sich hoher Beliebtheit erfreut. Die Integration der Ökostände müsse nicht das Ende des Ökomarktes sein.
„Nur wenn ein Wunder geschieht“
Christoph Ebeling hingegen sieht den neuen Mischmarkt viel skeptischer. Dienstags und Freitags teilen sich der konventionelle und der Ökowochenmarkt bereits den Platz. Doch was sich in 18 Jahren auf dem Ökomarkt entwickelt hat, ist zu etwas ganz Besonderen geworden, so Ebeling zu Herd-und-Hof.de. Der Ökomarktbetreiber hat zusammen mit den Händlern einen „Ökofachmarkt“ geschaffen, der neben besonderen Produktqualitäten den Kunden auch Beratung und Service anbietet. Wenn sich neue Händler für den Ökomarkt bewerben wollen, dann schaut Christoph Ebeling auch auf das Gesamtbild des Marktes. Es muss passen. So nennt er seinen Markt auch mal Fachmarkt – ohne Öko.
Dieses „Etwas“ wird im Mischmarkt mit einem neuen Marktbetreiber verloren gehen, so die Angst der Händler, die sich geschlossen hinter Ebeling stellen. Es seien nicht so sehr die studentischen Kunden, die den Erfolg des Marktes ausmachen, so Ebeling. Es ist wohl die Balance zwischen einem hochwertigen Angebot in einem Berliner Stadtbezirk, den niemand scheut, offen als „sozial schwachen Bezirk“ auszusprechen und den Kunden. Die Fachkompetenz, die dieses Gleichgewicht erfolgreich hat etablieren können, wird sich nicht auf einen Mischmarkt mit einem neuen Betreiber übertragen lassen. Da gelten dann andere Konditionen und das Profil verblasst.
„Nebenher“ haben die Händler vom Weddinger Ökomarkt in den letzten Wochen 1.000 Unterschriften für den Erhalt des jetzigen Ökomarktes gesammelt, die Ebeling demnächst dem Superintendenten der evangelischen Kirche übergeben will. Ansonsten helfe "nur ein Wunder", so Ebeling.
„Innerhalb der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg stößt das Verhalten der Nazareth-Kirchengemeinde auf Unverständnis“, heißt es in der Pressmitteilung des Ökomarktes. Will hier die Kirche ihre Umweltgruppe loswerden?
Roland Krieg