Berliner Energietage
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Was an der Energiewende noch fehlt
Noch bis heute finden sich mehr als 8.200 Energieakteure in der Berliner IHK zusammen, um sich über den Stand der Energiewende auszutauschen, Technischen Fortschritt zu erläutern und Engpässe zu definieren. Die Berliner Energietage haben sich damit zu einem der wichtigsten Fachkongresse für den Energiebereich entwickelt. Die fachliche Lupe zeigt aber auch, was an der Energiewende noch alles fehlt.
Klimaneutrale Hauptstadt
Berlin hat es besonders schwer. 85 Prozent der Menschen leben in einem Mietverhältnis und sind auf Aktivitäten der Vermieter angewiesen, außer Bioabfall gibt es keine Biomasse, die Gas, Strom und Wärme liefert und es gibt keine Energiekooperation mit Brandenburg. Dennoch: Michael Müller, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, hat den Regierungsplan bekräftigt, Berlin bis 2050 klimaneutral zu machen. Dazu muss der Pro-Kopf-Ausstoß von Kohlendioxid von heute 5,9 auf maximal 1,7 Tonnen im Jahr begrenzt werden.
Berlin fange nicht bei Null an, so Müller. Der Senat setzt auf das Netz als verbindendes Element zwischen einem Hauptstadtgebiet und einem regionalen Versorgungsnetz im Umland. Daher will der Senat Stadtwerke aufbauen, die Strom- und Gasnetze übernehmen sollen. Damit, so die Vision, Straßenbahnen und Elektrobusse bis 2050 den Nahverkehr übernehmen können wird „Berlin Energie“ zu einer zentralen Plattform ausgebaut. Auf den Energietagen wurde der neue Chef, Wolfgang Neldner vorgestellt, der das Berliner Netz aus seiner Zeit bei Vattenfall und das Umlandnetz aus seiner Zeit beim Verbundnetz Elektroenergie, dem zentralen Übertragungsnetzbetreiber der DDR, intensiv kennt. Das Netz soll integraler Bestandteil des Stadtentwicklungskonzeptes bis 2030 werden. Berlin habe seinen Beitrag zur Energiewende geleistet, jetzt stoße man in eine neue Dimension vor, proklamierte Müller.
Vernachlässigte Gebäudesanierung
Die Praxis hält aber unliebsame Überraschungen für große Pläne bereit. Nach Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund (DMB) hat die Energiewende noch immer nicht geklärt, wann, was, wie von wem bezahlt wird. Den DMB treibt die Sorge um, dass ohne Beantwortung dieser Fragen die Energiewende nicht funktionieren wird. Die Verbraucher registrieren gescheiterte steuerfinanzierte Gebäudesanierungen, die Mieter die neuen Gesetze, dass Sanierungskosten umgeschlagen werden dürfen und das immer mehr Firmen von der EEG-Umlage befreit werden. Verbraucher assoziieren die Energiewende mit steigenden Kosten, sie braucht aber den gesellschaftlichen Konsens, mahnt Siebenkotten. Ein „Gestrüpp von Interessen“ verhindere aus Sicht von Dr. Holger Krawinkel vom Verbraucherzentralen Bundesverband Preissenkungen bei Verbrauchern. Stattdessen muss er 0,25 Cent je kWh für die Haftung des teuren Offshore-Ausbaus von Windkraftanlagen mitfinanzieren. Ein regionaler Ausbau von Biomasse wäre kostengünstiger.
Siebenkotten räumt bei dem neuen Mietergesetz mit einem Missverständnis auf. Der Vermieter wird nach einer Gebäudesanierung nicht die Miete zur Refinanzierung um elf Prozent hochsetzen, sondern die tatsächlichen Sanierungskosten umlegen. Da können die elf Prozent schon mal die Hälfte der Miete umfassen. Der DMB fordert, dass eine Gebäudesanierung nach Effizienz bewertet werden muss und dieser Ansatz in die ortsübliche Miete einberechnet wird. Dabei würden die Mieter vor unliebsamen Überraschungen geschützt bleiben. Auch das Contracting sieht Siebenkotten auf Nachfrage von Herd-und-Hof.de skeptisch. Bei diesem Modell übernimmt eine Drittfirma eine Gebäudesanierung oder baut eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Sie übernimmt die Investition und Haftung und der Vermieter wird bei der Energieerzeugung nicht neu als Energieversorger veranlagt. Aber, so Siebenkotten, der vertrag müsse auch die Mieter berücksichtigen, sonst bestehe die Gefahr, dass Vermieter und Contractor unfaire Vereinbarungen treffen.
Sparen statt Wenden
Eine ganz breite Verbände-Gebäude-Allianz aus Umweltschutzverbänden, Klimaakteuren und Firmen im Technikbereich legen Wert auf einen vernachlässigten Punkt. Zu oft werde die Energiewende nur mit der Strombereitstellung in Verbindung gebracht. Einsparpotenziale, bei denen überhaupt erst weniger Energie produziert werden oftmals vernachlässigt. Ein ganz wichtiger Punkt ist die Gebäudesanierung: Ohne Gebäudesanierung keine Energiewende und ohne politische Rahmenbedingungen keine Gebäudesanierung!
40 Prozent der Energie fällt im Gebäudebereich an, sagt Dr. Michael Herma vom Forum für Energieeffizienz in der Gebäudetechnik. Aber, ergänzte Martin Grocholl von den Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschland (eaD), die Technik ist heute nicht mehr das Problem. Für fast alles gibt es bereits Lösungen, oder sind in der Erforschung. Die Politik sei das Problem, weil sie zu wenig Anreize für die Umsetzung gibt, eine inkonsequente Gesetzgebung schafft und ein Beratungsangebot aufgebaut hat, dass kaum noch jemand durchschaut. Jörg –Andreas Krüger vom NABU, bringt es auf den Punkt: Wir sind von der Bundespolitik enttäuscht.
Daher hat das Bündnis einen umfangreichen Handlungsbedarf formuliert, der als „mission statement“ eine Zwischenbilanz der Energiewende widergibt und Verbesserungen vorschlägt. Das Papier finden Sie auf der Seite des NABU (www.nabu.de)
Lesestoff:
Berliner Bürger wollen ihr Stromnetz übernehmen
Steuergeförderte Gebäudesanierung im Bundesrat gescheitert
127 Prozent mehr Firmen von der EEG-Umlage befreit
Roland Krieg