Bio-Boom mit Tücken
Handel
Bio ist ein langfristiger Trend
Auf der Nürnberger BioFach hat die Zentrale Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) die aktuellen Zahlen zum Bio-Boom vorgelegt und auf allen relevanten Marktsegmenten einen zweistelligen Zuwachse verzeichnet. Dabei zeichnen sich Bio-Supermärkte und der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) weiterhin als Markttreiber aus.
Discounter auf der Spannensuche
In Deutschland ist der Wettbewerb im LEH am stärksten, vermerkte Dr. Paul Michels von der ZMP. Daher sind die Gewinnspannen bei vielen Produkten sehr gering. So suchten vor allem Discounter nach neuen Geschäftsfeldern, weil der seit einigen Jahren aufgenommene Non-Food-Bereich sich langsam erschöpft. Bio bietet den Geschäften höhere Handelsspannen. So begann Plus mit der Marke BioBio erstmals ökologische Ware anzubieten. Mittlerweile listen auch Aldi und Lidl Ökoware. Dadurch können Discounter zusätzlich ihr Profil schärfen und ein gutes Image auf sich vereinen, wie es Lidl im letzten Jahr besser gelang.
Allerdings gibt es im Discount immer nur kleine Sortimente, was vor allem bei Obst und Gemüse sichtbar wird. Hier ziehen dann die Vollsortimenter nach und bereichern das Angebot für die Verbraucher.
Am Beispiel eines Fruchtquarks zeigte Dr. Michels welche Auswirkungen das Listen eines einzelnen Produkts haben kann. Von 2005 auf 2006 konnte mit einer einzigen Produktrange in einem Discount der Angebotsteil am Gesamtmarkt von 0,2 auf 0,8 Prozent, also um das vierfache gesteigert werden.
Das die Discounter ihre Lust an Bio verlieren könnten, scheint nicht der Fall zu sein, denn das Verbraucherverhalten folgt dem Langzeittrend Bio: Ein Viertel aller Kunden ist bereit, sich wieder etwas besonderes zu leisten. Im Rahmen der Gesundheitsreform werden die Kosten für die Vorsorge, hier die Ernährungsvorsorge, auf den Verbraucher internalisiert. Das heißt, die Eigenverantwortung in diesen Bereich trägt der Verbraucher. Außerdem bietet der Wellnesstrend nach wie vor die Möglichkeit, sein eigenes Wohlbefinden zu steigern. Das geht zum Beispiel mit Bioprodukte. Erstaunlicherweise wirkt auch die Globalisierung auf den Biomarkt. Verbraucher hätten immer weniger Lust auf „Global Food“ und weckt bei ihnen die Sehnsucht nach Natürlichkeit und regionalen Produkten. Letztlich führen die ständigen Lebensmittelskandale die Kunden immer wieder zum Ökomarkt.
Wachstum führt zum Engpass
Mit 15 Prozent Zuwachs stieg der Umsatz der Ökolebensmittel auf rund 4,6 Milliarden Euro in Deutschland. Das Inlandsangebot aber kann nicht folgen. Die ZMP macht den starken Preisdruck in den letzten Jahren dafür genauso verantwortlich wie auch die unterschiedlichen Signale aus den Ministerien in Bund und Ländern. Mal wird die Umstellung gefördert, mal wieder nicht. So wuchs die bewirtschaftete ökologische Fläche nur um sieben Prozent. Stärker als in den Vorjahren, aber nicht genug, um den inländischen Markt zu versorgen. Rund 17.000 Bauern bewirtschaften rund 5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland – etwa 850.000 Hektar.
Viel ist in den letzten Monaten über Knappheit bei einzelnen Produkten berichtet worden. Die stärksten Auswirkungen hat die Knappheit auf dem Bio-Futter-Markt. 2006 gab es witterungsbedingte Erntausfälle, die bereits zu einer Rallye geführt haben. Vor einem Jahr lagen die Futterweizenpreise noch bei 18 Euro je Tonne – heute liegen sie bei 29 €/t. Brotweizen kletterte von 26 auf 31 €/t.
Die Knappheit wird aber noch verstärkt, weil in Deutschland, den Niederlanden und Dänemark beachtliche Aufstallungen im Schweinebereich durchgeführt wurden. Es wird bereits über Ausnahmengenehmigungen nachgedacht, den erlaubten Anteil von 15 Prozent an konventionellen Futtermitteln auf bis zu 25 Prozent zu erhöhen.
2005 wurde in Deutschland auf 185.000 ha 560.000 t Bio-Getreide geerntet. 2006 kamen maximal 500.000 Tonnen zusammen – ein Minus von mindestens 20 Prozent. Im Wirtschaftsjahr 2005/2006 konnte Deutschland Bio-Getreide exportieren. In diesem Jahr wird alles im Land bleiben, prognostiziert die ZMP.
Umstellungsangst
Dass so wenig Bauern auf ökologischen Anbau umstellen, hat nicht nur mit den fehlenden Fördergeldern zu tun. In der BSE-Krise stiegen viele in die Bio-Rindfleischproduktion ein. Nachdem das Verbraucherinteresse wieder nachließ, mussten die Bauern ihr teuer produziertes Fleisch auf dem konventionellen Markt verschleudern. Ähnlich ging es den Obst- und Gemüseproduzenten, die 1998 umstellten und kurze Zeit später auf der Hälfte ihrer Ware sitzen blieben. Solche Preiseinbrüche stecken den Bauern „noch in den Knochen“ und ist ein zusätzliches Hindernis, die Produktion umzustellen.
roRo
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