Bio Messe Berlin

Handel

Bio-Messe in Berlin erobert die Metropole

Nach der Produktion kommt die Vermarktung. Doch allzu oft finden Produzenten und Abnehmer nicht zusammen. Vor allem kleine Firmen und spezialisierte Angebote haben es schwer. Der Koch hat nicht immer die Zeit auf ländliche Entdeckungsreise zu gehen und die Bauern und Verarbeiter kommen über den Landgasthof nicht hinaus. Die Bio Messe Berlin ist in der Arena am Wochenende angetreten, speziell den Hauptstadtmarkt neu zu erobern. Von der Blütenmarmelade über sortenreine Apfelsäfte vom Niederrhein bis zum kalt gemahlenen Kakao.

Messeprofis in alter Omnibushalle

1927 als Omnibushalle direkt am Spreeufer gebaut, hat sich die damals größte freitragende Halle Berlins seit der Sanierung zu einem Ort der Kultur entwickelt. Markenqualität und Genuss ökologischer Produkte gelten gegenüber der konventionellen Massenware ebenfalls als (Ess)kultur. Diesen Ort haben sich Jiro Nitsch und Benjamin Richter für die erste Bio Messe Berlin ausgesucht. Nitsch arbeitete früher bei einem Naturgroßhändler und belieferte Richters Restaurant. Aus der Geschäftsfreundschaft und der gemeinsamen Arbeit mit Bioprodukten entstand die Idee für eine neue Form der Bio-Messe, die gleich mit mehr als 140 Ausstellern auch aus Österreich und der Schweiz begann.
Auf den großen Standardmessen wie der BioFach, der Grünen Woche und den vielen lokalen Messen1) haben kleine Erzeuger trotz Gemeinschaftsstände nur wenige Chancen teilzunehmen. Hausmessen der regionalen Vermarktungsorganisationen oder der Lebensmitteleinzelhändler2) suchen oftmals nur ein bestimmtes Sortiment. Das Konzept der Bio Messe Berlin besteht zum einen aus dem vertriebsoffenen Konzept und zum anderen aus einer ausschließlichen Schau für das Fachpublikum, erläuterte Jiro Nitsch gegenüber Herd-und-Hof.de. Gegenüber den üblichen Regionalmessen müssen die Anbieter hier keine Mindestabgabemengen fürchten.
Zwei Tage lang und eingebunden in ein Fachforum hatten also zahlreiche Erzeuger Zeit, ihr ganzes Sortiment in Ruhe Großabnehmern und Gastronomen zu präsentieren. Gerade Berlin spielt mit seinem Wachstumsmarkt im Biobereich eine bedeutende Rolle und die Messe bietet das Tor zum Berliner Markt.
Auch wenn das Zeitfenster mit der parallel stattfindenden Brandenburger Landpartie, die manchen märkischen Anbieter das Wochenende der offenen Tür hat vorbereiten lassen, noch etwas unglücklich für die Premiere war, bietet der Juni doch eine ausreichende Lücke im Messekalender. Nitsch und Richter haben sich den genau angesehen.
Bioland ist mit einem großen Gemeinschaftsstand genauso erschienen wie die Marketinggesellschaft aus Mecklenburg-Vorpommern, die Teile ihres BioFach-Standes mit nach Berlin brachte. Der „Messezirkus“ sei schon groß, sagte Stefan Roggenkamp, der mit seinem Bio-Eis und Bio-Suppen den Weg aus Westfalen fand. Für ihn ist das Berliner Messekonzept aber eine „spannende Sache“ und unterstreicht Berlin als wichtigen Standort. Deshalb hat auch Margit Matzl von der Ölmühle Fandler aus der Steiermark den Weg an die Spree gefunden. Sie bietet mit dem Kürbiskernöl nicht nur das Gold der Steiermark, sondern gleich ein breites Sortiment an Speiseölen an. An Speiseölen mangelt es nicht in den Regalen und wer gelistet werden will, der muss seinen Käufer finden. In Österreich und der Schweiz ist Fandler schon gut vertreten und Deutschland ist ein interessanter Markt, erläuterte sie.

Bio: Entdeckungen im Mainstream

„Bio ist Mainstream“ heißt es bei den Händlern. Mittlerweile ist auch der Bio-Fleischmarkt ins Rollen gekommen. Insgesamt boten vier Anbieter ihre Produkte an. Der Biomarkt überrascht dennoch immer wieder mit neuen Produkten und Kreationen.

Lovechock ist ein niederländischer Anbieter von kalt vermahlenem, nicht geröstetem Kakao. Dadurch bleiben alle Aromen und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, wenn auch die Herstellung schwieriger ist: Das Rösten macht das Entfernen der Schale leichter. Die Kakaobauern aus Ecuador nutzen für diese Tradition, das Rösten kam wesentlich später erst hinzu, noch alte Spezial-Maschinen aus den 1920er Jahren. Die gewonnene Kakaomasse ist bei der Kaltvermahlung höher.

Aus Schöneiche bei Berlin präsentiert Martina Kabitzsch Konfitüre, Liköre und Marinaden aus Blüten. Den zerbrechlichen Rohstoff erhält sie über den Arzneimittelversand. Das garantiert nicht nur die Bio-Zertifizierung, sondern auch eine ganzjährige Rohstoffbasis. So kommen die Blüten der Damaszenerrose aus Bulgarien. Nur die Holunderblüten stammen aus Brandenburg und sind als Wildsammlung gekennzeichnet.

Die Vielfalt des Apfelsaftgeschmacks präsentiert die Privatkelterei van Nahmen, die ihre Rohstoffbasis von Streuobstwiesen am Niederrhein gewinnt. Und zwar mit alten Sorten wie dem spritzigen „Elstar“ oder dem „Kaiser Wilhelm“, einer 1875 kultivierten Apfelsorte aus dem Bergischen Land. Im Rahmen eines Aufpreisprojektes haben die Streuobstwiesenbesitzer auch die Rote Sternrennette kultiviert. Dieser Apfel war der knallrote Star in der Adventszeit und wird mit dem Genuss der Apfelsäfte vor dem vergessen bewahrt. Die Intensität des Geschmacks resultiert bei allen Säften aus dem späten Erntezeitpunkt. So spät als möglich liefert das meiste Aroma, erklärte Peter van Nahmen.

Lesestoff:

2013 planen Nitsch und Richter die nächste Bio Messe Berlin: www.biomesseberlin.de

1) Hausmesse pro agro

2) Regionalbörse Edeka

Messen sind keine Selbstläufer. In München ist eine geplante Biomesse einmal gescheitert

Roland Krieg, Fotos: roRo

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