Bio-Milch: Der faire Preis kommt an

Handel

Erklärung zum Bio-Milchmarkt

Der Milchstreik hat im vergangenen Jahr in etwa die Milchmenge vom Markt genommen, die als Überschuss auf die Preise drückte. Derzeit sind die Milchpreise erneut im Sinkflug und die Prognose der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle für 2009 sieht auch nicht ermutigend aus. Milchbauern bietet sich aber eine gute Alternative, denn die Preise von Biomilch, die bislang mit Hilfe eines Zuschlags an die Entwicklung des konventionellen Milchpreises gekoppelt waren, haben sich auf hohem Niveau verselbstständigt. Mit Hilfe der Verbraucher, die den Wert der Biomilch an der Kasse entlohnen. Das ist das Ergebnis der ersten Fachtagung Milch der Ökobranche am Montag in Berlin.

Gemeinsame Verantwortung in der Wertschöpfung
„Der derzeit ruinöse Preiskampf im konventionellen Milchmarkt kann langfristig negative Auswirkungen auf das Preisniveau im Bio-Milchmarkt haben. Faire Preise sichern die hohe Bio-Qualität, Preisdumping gefährdet sie“. Einen verbindlichen Preis kann die von den ökologischen Handels- und Anbauverbänden unterzeichnete Erklärung aus kartellrechtlichen Gründen nicht nennen, so Elke Röder, Geschäftsführerin des Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) Herstellung und Handel. Außerdem sind die Produktionsbedingungen regional unterschiedlich und der Markt bleibt dynamisch. Aber das Prinzip der gemeinsamen Fairness soll die Erklärung dem Verbraucher verdeutlichen.
Warum Milch? In Bio-Supermärkten ist sie das wichtigste Grundnahrungsmittel mit dem höchsten ökonomischen Stellenwert, erklärt Michael Radau vom Verband der Bio-Supermärkte. 2008 hatte sie eine Zuwachsrate von 20 Prozent. Der faire Milchpreis ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Erzeugern, Verarbeitern und Handel.

Biomilchpreis hat sich im Winter 2007/2008 vom konventionellen Preis entkoppelt

Statistik Biomilch

Trotz der Preissteigerungen wuchs die Nachfrage im Naturkosthandel nach Frischmilch (inklusive ESL-Milch) im ersten Halbjahr 2008 um 24,9 Prozent.
Q: BNN September 2008

Die Upländer Molkerei aus Usseln hat mit diesem Prinzip bei den Verbrauchern Karriere gemacht. Vor fünf Jahren begann die Bauernmolkerei mit 12 Bauern, verarbeitet und verkauft mittlerweile ihre Milch mit einem Fairpreiszuschlag von 140 Milchbauern. Das Prinzip erklärt Josef Jacobi: Die Bauern legen ihre Kosten offen und die Verarbeiter die ihrigen. Mit dieser „gläsernen Kalkulation“ geht die Molkerei zum Handel und verlangt einen kostendeckenden Preis. Anders als im konventionellen Markt, wo der Handel den Molkereien vorschreibt, wie viel sie für ihre Milch erhalten. Für Milchbauer Jacobi ist das der gelebte Genossenschaftsgedanke. Hingegen sitzt bei dem neuen Milchriesen Campina und Friesland kein Erzeuger mehr im Vorstand.

Effektivität auf kargen Böden
Everhard Hüsemann ist seit 1992 Naturland-Milcherzeuger im niedersächsischen Nordhorn. Sein Hof umfasst 75 Hektar, 30 davon sind Eigentum. Die leichten Sandböden weisen nur 20 bis 30 von 100 möglichen Bodenpunkten auf, sind daher für den Ackerbau nicht so tragfähig. Zudem liegen 15 Hektar in einem Naturschutzgebiet, in dem mit Rücksicht auf den Brachvogel nicht vor dem 16. Juni gemäht werden darf. Dann ist der erste proteinreiche Futteraufwuchs vorbei und das rohfaserreiche Gras schlechter für die Milchproduktion.
Derzeit hält Hüsemann neben 1.400 Hühnern noch in 40 Jahren alten Ställen 18 Milchkühe. 18 Kühe klingt nicht viel, doch liegt die Leistung mit 7.500 kg Milch Jahresleistung im oberen Leistungsbereich der Biokühe. Aktuell investiert er viel Geld in ein neues Stallgebäude mit Hofladen, sagt er zu Herd-und-Hof.de. Wenn die Kunden dann einkaufen kommen, sehen sie einen Stall, der mit Luft- und Lichtregime den Tieren ein optimales Befinden garantiert und das Beste aus ihnen herausholt. Mit Extensivierung habe das nichts zu tun, weist Bauer Hüsemann zurück. Das Zusammenspiel von vielen Faktoren für die beste natürliche Milchleistung auf kargen Böden und im Naturschutzgebiet setzt „Grips“ voraus.
Hüsemann verzichtet auf getreidereichen Kraftfutterzusätze, die den Kühen Stoffwechselstörungen verursachen. Der Milchstreik habe Verbraucher auf die Grundsensibilität aufmerksam gemacht, dass gute Milch als Synonym für eine nachhaltige Wirtschaft stehe. Darauf will er aufbauen.

Naturkosthandel 2008 mit verhaltenen Umsatzzuwächsen
Der Naturkosthandel spürt die Wirtschaftskrise. Der BNN hat die Zahlen für die ersten drei Quartale veröffentlicht und verzeichnet einen nur schwachen Zuwachse. Der Gesamtumsatz 2008 betrug 592 Millionen Euro (nur BNN-Handel) und legte gegenüber zum Vorjahr (+ 13,7 %) um 7,7 Prozent zu. In den zurückliegenden Sommermonaten sei seit Jahren keine so deutliche Kaufzurückhaltung zu spüren gewesen. Erst der September brachte wieder deutliche Zuwächse. Der BNN rechnet damit, dass die Turbulenzen auch in 2009 anhalten werden, weil die Konjunkturprogramme wohl mehr die langlebigen Verbrauchsgüter unterstützen als die Märkte für Lebensmittel und Kosmetik.

Ökokunden erkennen den Wert
Bio hat für sich schon immer in Anspruch genommen, mit dem Preis mehr als nur das Produkt zu entlohnen. Heute sind die höheren Preise auch nicht mehr so dramatisch wie Anfang der 1980er Jahre. Ob ein Liter Milch im Geschäft 0,99 oder 1,09 Euro kostet macht bei einem Familienverbrauch von 24 Liter im Monat gerade den Gegenwert einer Tasse Capuccino aus. Die Finanzkrise als Ergebnis eines schlechten Wirtschaftens biete, so Hermann Heldberg vom BNN, ein „Zeichen für ein anderes Handeln, für eine andere Wirtschaft, die sich durch Fairness und Gerechtigkeit auszeichnet“.
Und die Ökokunden haben das verstanden und honorieren es – sonst würde der Ökomilchpreis nicht so hoch bleiben.

Ökokäufer: Das Produkt ist mehr als sein Preis
Prof. Dr. Ulrich Hamm, Agrarökonom der Universität Kassel hat am Montag mit den ersten Teilergebnisse einer neuen Studie gezeigt, dass regelmäßige Ökokunden in den Produkten auch mehr als nur den Preis sehen. Die Studie wird in der nächsten Woche in der Deutschen Molkerei Zeitung veröffentlicht.
Vor dem Einkauf wurden die Kunden im konventionellen und im Ökohandel nach ihren Preisvorstellungen und ihrer maximalen Ausgabebereitschaft befragt. Zum Beispiel bei Milch und Molkereiprodukten. Unterschiede zwischen den aufgesuchten Geschäften gab es keine.
Zum einen stellte sich heraus, dass die Kunden selbst bei den oft von ihnen gekauften Milchprodukten nur vage Preisvorstellungen hatten. Bei Trinkmilch lagen die Käufer rund 15, bei Joghurt und saurer Sahne bis zu 20 und 30 Prozent daneben. Lediglich 20 Prozent aller Kunden kannte bei Trinkmilch den richtigen Preis, ein Drittel hat ihn unterschätzt und 48 Prozent dachten, die Milch ist teurer.
Im Rahmen des Forschungsprojekts Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) fragte Dr. Hamm auch, wie viel die Kunden maximal bereit wären, für ihren Einkauf auszugeben. Erstaunlicherweise ließen dann tatsächlich nur 11 Prozent den Einkauf liegen, lag der Regalpreis über diesem Wert. Viele waren bereit noch mehr als ihre maximale Zahlungsbereitschaft zu zahlen.
Die Ergebnisse beziehen sich nur auf regelmäßige Käufer von Ökoprodukten. Bei den (Noch-)Nicht-Ökokunden bleibt der Preis weiterhin die Einstiegsbarriere in den Ökomarkt. Obwohl bei genauer Analyse die Preisdifferenzen zum konventionellen Produkt in den letzten 20 Jahren deutlich kleiner geworden sind. Schließlich dürfe man nicht die H-Milch aus dem Discounter mit Ökomilch vergleichen, sondern, so Dr. Hamm, müsse die gleichen Produkte in der gleichen Vertriebsschiene vergleichen. Dann sind manche konventionelle Premiumprodukte durchaus teurer als die Ökoware.

ESL-Milch
Ohne spezielle Bewerbung verdrängt die für den Handel entwickelte „längerfrische Milch“ im konventionellen Markt die „echte“ Frischmilch. Die Verluste und Transportwege sind für den Handel effektiver. Die Milch mit der verlängerten Regalhaltbarkeit (Extended Shelf Live) findet, so Dr. Hamm vor allem bei Single- und Seniorenhaushalten ihre Nische. Familien mit Kindern hingegen bevorzugen die „echte“ Frischmilch.
Damit Kunden die beiden Milchsorten besser unterscheiden können hat das Bundeslandwirtschaftsministerium im letzten Jahr Gespräche mit den Molkereien aufgenommen, die ESL-Milch eindeutiger zu kennzeichnen. „Für uns ist es wichtig, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher bewusst wählen können, was sie kaufen“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen vergangenen Freitag in Berlin. Es gebe Verbraucher, die eine längere Haltbarkeit bevorzugten, was aber nicht zum Auslisten der „alten Frischmilch“ führen dürfe. Unterstützung bekommt das BMELV von Baringdorf, der auf der Milchtagung die ESL-Milch als „Etikettenschwindel“ bezeichnete. Diese Milch sei haltbarer gemacht und daher nicht mehr frisch. Die Kennzeichnung „Bedingt haltbar gemacht“ charakterisiere das Produkt besser.

Umstellen - Jetzt
Zur Studie gab der Europaabgeordnete Wilhelm Graefe zu Baringdorf zu bedenken, dass Kunden beim Anblick eines Preisschildes eine bessere Preiskenntnis haben, als wenn sie vor dem Einkauf befragt würden. Zudem solle man die Ergebnisse der Studie nicht derart interpretieren, dass Ökoprodukte preislich noch Luft nach oben haben und dadurch einen gerechten Preis erzielten. Wichtig für die faire Wirtschaft bleibe nach wie vor eine bedarfsgerechte Produktion ohne Überschuss.
Wohl aber könnten die hohen Preise am Biomilchmarkt und das Ergebnis der Studie ein Signal für umstellungswillige Milchbauern sein. Doch sie sollten sich beeilen, so Dr. Hamm. Niederländer und Dänen nehmen auch diese Signale wahr und brauchen mit einem Dreivierteljahr nur die Hälfte der Umstellungszeit, die Deutsche Milchbauern für sich beanspruchen.

Roland Krieg

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