Bio und Regionalität

Handel

Bio ist kein Gegensatz zur Regionalität

„Regional ist das neue Bio“, heißt es oft. Dr. Alexander Gerber, Geschäftsführer des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), findet diesen Satz „unmöglich“. Bio ist längst ein globaler Markt geworden und besticht durch kleinräumige Strukturen. Grund genug, um auf der BioFach in Nürnberg einmal beleuchtet zu werden.

Komplexes Verbraucherverhalten

Für Prof. Dr. Ulrich Hamm. Marketingexperte von der Universität Kassel hat diese Frage einen geschichtlichen Hintergrund. Bio war zu Beginn kleinräumig in der Nachbarschaft angesiedelt und wuchs über das Nachahmen des konventionellen Marktes global weiter. Die „Regionalität“, die derzeit gefordert wird, sei eine Art „Renaissance“ der kleinen Strukturen. Der Gegensatz entstehe deshalb, weil Verbraucher immer öfter anonyme Bioprodukte hinterfragen, während konventionelle Produkte schon transparenter erscheinen.
Regionale und importierte Biowaren stehen während und außerhalb der Saison untereinander in einem Wettbewerb. Während der Saison muss die heimische Ware preislich mit den importierten Produkten mithalten. In der Vor- und Nachsaison entscheidet die Qualität über die Auswahl. Bald treffen die ersten Bio-Frühkartoffeln aus Ägypten und Israel auf die Reste der heimischen Lagerhaltung. Verbraucher bevorzugen dennoch die dünnschalige Frischware vor der dickschaligen Lagerkartoffel. Nach Prof. Hamm könne eine Aufklärung der Verbraucher, der heimischen Ware wieder zu einem Vorteil verhelfen.
Lebensmittelhändler Ulrich Walter von Lebensbaum führt an, dass Importe teilweise wirklich besser seien als die heimische. Der Bioweizen aus der Ukraine hat einen höheren Kleberanteil, der die Backqualität beeinflusst, und wird von den Bäckern bereits als Aufmischweizen eingekauft.
Der Preis zwischen In- und Auslandsware werde nur entscheidend, sobald die Qualitäten gleich sind. Sonst gebe es klare Präferenzen. Bei Basisware entscheide der Verbraucher immer öfters nach dem Preis, für Spezialware, wie die Kräuter in Walters Segment, sei der Kunde nach wie vor bereit, höhere Preise zu bezahlen.
Insofern, sieht Walter der Einführung von Handelsmarken in der Biobranche mit Sorge entgegen. Sie soll als „Fliegenfänger“ Kunden in den Markt ziehen. Wenn andere Händler nachziehen, drehe sich die Preisspirale auch im Biomarkt nach unten.

Fehlendes Regionalverständnis

Nach Hamm fehlt es bei Verbrauchern und Erzeugern an einem definierten Regionalverständnis. Für einen Bayern zähle Oberfranken schon nicht mehr zur Region, für die Ostfriesen ist das Nachbarland Holland ein Regionalpartner. Die Unterscheidung bei verarbeiteten Waren wie einer Pizza wird erst richtig kompliziert: Woher kommen die Kräuter und Gewürze?
„Regionalität ist eigentlich der Wunsch nach Transparenz“, ergänzt Walter. Pfeffer wird in Deutschland nicht angebaut. Lokale Projekte in Indien jedoch können positive Umwelt- und Sozialeffekte bewirken, die Kunden beim Kauf des Produktes befördern. „Das habe auch einen regionalen Aspekt“, erklärt Walter.
Vor diesem Hintergrund bezeichnet Prof., Hamm das neue Regionalfenster des Bundeslandwirtschaftsministeriums als „ersten wichtigen Schritt“. Sowohl für den konventionellen als auch für den Ökomarkt. Es seine noch viele Dinge wie die Herkunft der Futtermittel oder des Saatutes zu regeln, aber der Kunde kann anhand der Angaben selbst entscheiden, ob dieses Produkt für ihn ein regionales ist oder nicht.
Am Ende muss der Kunde sein Oberziel definieren: „Bio“ ist zunächst einmal nur eine andere Wirtschaftsform, Mehr Regionalität kann mehr Transportkilometer bedeuten, regional kann regionaler als „Bio“ sein, fügt dem Produkt aber negative Effekte wie Pflanzenschutzmittelrückstände oder sinkende Biodiversität zu. Bio und regional erfüllt die meisten Wünsche.

Roland Krieg

[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige BioFach mit dem Suchbegriff „ BF-13“ im Archiv anzeigen lassen]

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