Bio wächst auf allen Kanälen

Handel

Wachstum forciert den Strukturwandel im Bio-Handel

Bio wuchs 2015 um elf und im letzten Jahr um zehn Prozent. Die Umstellungswelle findet angesichts der niedrigen Preise im konventionellen Sektor kein Ende. Ob die Preise für konventionelle Milch, für konventionelles Schweinefleisch oder für Getreide in absehbarer Zeit wieder ansteigen, ist offen. Die Lage in den Erzeugerländern und weltweiten Lagerhallen sprechen eine eindeutige Sprache. Wer im Biobereich erfolgreich ist, wird zudem der beste Botschafter für weitere Umstellungswillige.

Das Wachstum aber bringt erstmals Verlierer im Ökosektor hervor. Nach Diana Schaack von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) haben im Handel vor allem die Vollsortimenter wie Edeka, Rewe und Rossmann im Drogeriebereich das Wachstum auf sich vereinigen können. Dort stieg der Umsatz von 5,54 auf 4,76 Milliarden um 14,6 Prozent. Das setzt dem traditionellen Naturkostladen unter Druck. Der konnte zwar ebenfalls seinen Umsatz von 2,71 auf 2,85 Milliarden Euro steigern, aber eben nur um fünf Prozent. Im Ganzen ist die Ökobranche optimistisch und hat einen Marktanteil von fünf Prozent errungen. Das Wachstum findet über alle Sortimentsbereiche statt. Dennoch: Falls der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sein Bio-Angebot stabilisiert, muss der Fachhandel über neue Profile nachdenken. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) fordert in seinem Jahrbuch eine Klärung des Sortiments und die Betonung der Kernkompetenzen wie Transparenz und Kundenbindung.

Auf der einen Seite bevorzugen Kunden deutsche Ware. Aber auch der Ökokonsument greift auf Produkte der Saisonverlängerung zu. Bei Kartoffeln kommt Frühware aus Ägypten und auch späte Ware noch aus ausländischen Lagern, wenn das Wetter den heimischen Bauern einen Streich gespielt hat. Saisonalität funktioniert nur, wenn die Witterung es zulässt.

Deshalb sind die Importquoten im Biobereich hoch. 80 Prozent der Bio-Gurken kommen aus den Nachbarländern, Möhren zu 48 und Äpfel zu 40 Prozent. Bei Futtermitteln sind die Quoten noch höher. Soja und Sonnenblumen werden zu 95 Prozent aus dem Ausland importiert. Litauen hat sich auf den Anbau von Futtererbsen spezialisiert und liefert den größten Teil der 58 Prozent Importware. Milch und Milchprodukte stammen zwischen 37 und 47 Prozent aus Österreich und Dänemark.

Mit den Trends, wie Saisonverlängerung, hohe Importquoten und das Wachstum der Filialsysteme auf Kosten des kleinen Einzelhändlers, unterscheidet sich der Biosektor nicht mehr von den Megatrends der konventionellen Lebensmittelwirtschaft. Inwieweit „Bio“ sein Ziel verfehlt hat, regionale Wirtschaftskreisläufe aufzubauen, bleibt offen. Bio wächst auf allen Kanälen, entgegnete Joyce Moewius vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft Herd-und-Hof.de. Diana Schaack ergänzt die Entwicklung um die Faktoren Effizienz, Wachstum und Großräumigkeit, die natürlich Einfluss auf die Handelsstrukturen haben.

Kommunikationsberater Klaus Braun blickt speziell auf den Fachhandel. Im Jahr 2006 haben die Bundesdeutschen pro Kopf und Jahr 56 Euro für Ökolebensmittel ausgegeben. 13 Euro davon spendierten sie im Naturkostfachhandel. Im letzten Jahr haben sich die Pro-Kopf-Ausgaben auf 117 Euro verdoppelt, die Ausgaben im Fachhandel auf 35 Euro fast verdreifacht. Doch geht es dem Fachhandel dadurch nicht gut. Kleine Bioläden schließen und die Gewinner sind die bundesweit auftretenden Filialsysteme von Denns, Alnatura und der BioCompany. Der Ladenumsatz ist seit 2008 bundesweit durchschnittlich von 740.000 auf 1,1 Millionen Euro angestiegen. Nach Braun bleibt der Naturkostladen eine Nische und erreicht nicht die Masse der Einkäufer.

Bio belebt auch das Online-Geschäft. Im Bereich Lebensmittel haben die Bundesbürger ihre Ausgaben von 2014 auf 2015 von 618 auf 736 Millionen Euro gesteigert. Das forddert auch den Bio-Handel heraus. Doch zwei Drittel des Umsatzes werden mit Frischeprodukten generiert. Und da möchten die Konsumenten Obst und Gemüse doch lieber in der dreidimensionalen Welt prüfen. Deshalb sank der Umsatz bei Bio-Frischeprodukten um zwei Millionen auf 70 Millionen Euro.

Roland Krieg

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