Biomarkt und Kundenwünsche

Handel

Wie wandelbar ist der Biomarkt?

Sobald sich Verbraucher mal wieder fragen, was sie denn überhaupt noch essen können, führt der mediale Reflex die Kundschaft auf den Biomarkt. Mit der Einführung des staatlichen Biosiegels fanden die Produkte den Weg über den konventionellen Lebensmittelhandel zu verbandsunabhängigen Verbrauchern. Sie suchen in den Produkten auch „Gesundheit, Ökologie und faires Wirtschaften“.
Seit dem haben die Bioprodukte einen interessanten Spagat hingelegt. Trotz Omnipräsenz als „bessere Alternative“ ist die Biobranche von dem Ziel, im Jahr 2020 zehn Prozent Anteil am Lebensmittelmarkt zu erreichen, weit entfernt. Mehr als 3,5 Prozent Anteil wurden bislang nicht erreicht, rechnete Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer von foodwatch, vor. Dennoch besitzen die Produkte ein außergewöhnliches Image, das auf der Diskussionsveranstaltung der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) in dieser Woche mehrfach korrigiert werden musste: Auch Ökoschokolade macht dick!

„Wie Bio ist Convenience?“

Hinter der Korrektur steht nach Wolfschmidt der Erwartungsdruck der Konsumenten an die Bioware und das Reagieren des Öko-Lebensmittelhandels auf die Märkte. Eigentlich ging es um das Thema, ob Convenience-Produkte auch „Bio“ sind und sich Handel und Verarbeiter diesem Megatrend anschließen dürfen. Doch nach Wolfschmidt hat die Branche das längst getan und imitiert den konventionellen Markt mit all seinen Verirrungen im Marketing.
So gibt es längst Bio-Cerealien mit 36 Prozent Zucker, die Wolfschmidt als „Bio-Schrott“ deklarier wissen möchtet. Rapunzel führt mit 62 Sorten schon mehr Schokolade und süße Snacks als Kraft Foods mit 38 Produkten. „Das ist ein Phänomen“, sagte Wolfschmidt. Mittlerweile geht es auch im Biomarkt um „Schnelldreher und gezielte Ansprache an die Gruppe junger Frauen“ wie im konventionellen Marketing. Sein Fazit „Bio ist nicht besser“ entspricht nicht dem Image, das Verbraucher von ihren Bioprodukten haben.
Der Biomarkt hat sich enorm gewandelt. Von den Körben mit ungewaschenen Möhren in Naturkostläden ohne Kühlregal eine halbe Treppe tiefer, hat sich das Sortiment dem konventionellen Handel angepasst. Heute finden Singlehaushalte ihre Bio-Tiefkühlpizza im Bioladen neben der Bio-Tütensuppe. Allerdings nicht ganz so vielfältig wie bei Rewe und Co., ergänzte Georg Kaiser, Geschäftsführer der Bio Company, die in Berlin-Brandenburg mittlerweile 24 Filialen betreibt.
Der Unterschied liegt noch immer im Detail: Im konventionellen Handel sind 300 Zusatzstoffe zugelassen, im Biobereich nur 47 und Demeter kommt sogar mit nur elf Zusatzstoffen aus. Doch die Produktvielfalt zeigt keine Unterschiede mehr. Wunsch und Wirklichkeit gehen beim Verbraucher auseinander und die Branche fragt sich, wer hat das Verbraucherbild erzeugt und steht eine Korrektur an?

Verbraucher im Wandel

Wenn das „Holzfäller Hacksteak“ in der Biobranche zu einem „Cowgirl Veggie Steak“ wird, dann listet das Produkt auf seiner gesellschaftlichen Zutatenliste alle Sozialkritik der Gründerzeit auf. Dieser Anspruch ist möglicherweise auch das Hindernis, warum der Biomarkt noch immer nur eine Nische ist. Auf der zurückliegenden BioFach bezeichnete Markus Abenz von der International Federation of Organic Agriculture Movements (IFOAM) die Biobranche als „Entwicklungskonzept“. Es brauche seine Zeit, bis die Bio-Werte in der Gesamtgesellschaft angekommen sein werden [1].
Aber der Biokunde verändert sich. Die Händler auf der BioFach in Nürnberg fahren längst SUV und Turbo-Autos. Die Lohas jetten rund um die Welt und sind ausgesprochen konsumfreudig. Manfred Linz vom Wuppertal Institut, der 1974 die „Eine Welt“-Bewegung begründete, bemängelt an den grünen Konsumenten das fehlende politische Engagement [2]. Heute wollen die Kunden alles: Sie wollen alte Salatsorten, aber auch als „Ready-to-eat“-Ware zubereitet [3].
Georg Kaiser sieht das pragmatisch. Auch in der Biobranche entscheidet der Kunde am Point of Sale, was in den Regalen bleibt und der Handel balanciert Wunsch und Wirklichkeit aus. So experimentiert Kaiser mit wieder befüllbaren Verpackungen, die auch den strengen Regeln der Lebensmittelkontrolleure standhalten.
Er hat auf rund 600 Quadratmeter ein Grundsortiment aufgebaut, das um Convenience-Produkte erweitert ist.

Bio ist ein Versprechen

Der Begriff Convenience muss in der Biobranche offenbar noch besetzt werden. Kaiser macht dabei klar: Ob Convenience oder nicht: Wo Bio-Huhn drauf steht, ist auch Bio-Huhn drin.

Lesestoff:

[1] Wohin entwickelt sich die Bio-Branche?

[2] Alternativer Konsum ist keine Konsumkritik

[3] Bio-Fertigsalate im Trend

Roland Krieg (Text und Fotos)

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