Braucht die Energiewende eine Rettung?
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EEG 16 und viele Fragen offen
Mit gelassenen Worten hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel am Mittwoch Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke gerügt. Beim Thema Energiewende würden die Abgeordneten der Opposition seit mehreren Jahren die gleichen Brandreden halten. Die Novellierungen des EEG wären „Abrissbirnen“, die Regierungspolitik ein „Anschlag auf die Energiewende“. In einer aktuellen Stunde debattierten die Abgeordneten mit dem Minister über die EEG-Novelle und kreisten in der Tat um die gleichen Säulen. Der Leitungsausbau stockt und verschwendet erzeugten Strom, der nicht zum Kunden transportiert wird. Die Kosten explodieren und machen die Stromrechnungen der Verbraucher immer teurer. Die Regierung habe sich zuerst den Solarstrom, dann die Biomasse und in der aktuellen Novelle die Windkraft vorgenommen, „aus dem EEG herauszustreichen“. Gegenüber den erneuerbaren Energien werden weiterhin Milliarden Euro für Atom- und Braunkohle ausgegeben.
Für Michael Fuchs von der CDU ist das ein „ewiges Gejammere“ über ein „gewaltiges Missmanagement in der Branche“, die mit staatlichen Einspeisevergütungen in den nächsten 20 Jahren fast 500 Milliarden Euro an Subventionen erhalte.
Einigkeit besteht darin, dass der Ausbau der neuen Energien schneller als gedacht voranschreitet und das von 8.000 Kilometer Leitungsnetzen erst 700 km fertig sind, wie Thomas Bareiß von der CDU vorrechnete. Und in sieben Jahren sollte das gesamte Netz stehen.
Die Zeit drängt
Die Zeit wird knapp, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits beim ersten Treffen mit den Ministerpräsidenten am 12. Mai gesagt. Das EEG muss von der EU notifiziert werden, damit Deutschland ab dem 01. Januar 2017 noch ein Erneuerbares-Energien-Gesetz hat. Deshalb will die Regierung in der nächsten Woche die Novelle 2016 bereits im Kabinett verabschieden. Bremens Bürgermeister Carsten Sieling unterstützt das für die SPD-geführten Länder: „Dazu ist es notwendig, in der Tat eine zügige Einigung zu erreichen, weil wir ansonsten im europäischen Kontext ab 2017 einen Bruch hätten.“
Sigmar Gabriel geht daher mit der Opposition auch hart ins Gericht. Die neuen Energien hätten noch in keiner Regierung vorher so einen starken Aufwuchs gehabt, wie in den beiden letzten Jahren. Heute halten sie einen Anteil von 33 Prozent am Bruttostrom und werden 2025 einen Anteil von 45 Prozent haben. „Das ist kein Stoppen der Energiewende!“. Doch brauche die Energiewende Korrekturen. Gabriel beschrieb es diesen Dienstag so: „Das sind also keine jungen Welpen mehr, die Welpenschutz brauchen, sondern das sind ziemlich flinke Jagdhunde, die jetzt am Markt in Ausschreibungen natürlich zeigen müssen, dass sie sich dem Wettbewerb stellen.“
Durch das Ausschreibemodell sollen die günstigsten Energien zum Zuge kommen. Da ziehen die Länder mit, ergänzte Sieling. Die Ausschreibung soll auch die Synchronisation mit dem Netzausbau erzielen. Ministerpräsident Rainer Haseloff aus Sachsen-Anhalt (CDU) beklagte im Mai, dass ein Großteil der erzeugten Energie wieder vernichtet werden muss. Die entkoppelten Komponenten der Stromversorgung sollten wieder zusammengefügt werden. Der Netzausbau ist für Sieling einer der größten Flaschenhälse. Die Windkraft an Land entwickelt sich am dynamischsten und müsse mit „Ausschreibungsspannbreiten“ eingefangen werden.
Umrisse statt Einigung
Dennoch konnten Bund und Länder einen großen Wurf nicht landen. Merkel sagte diesen Dienstag: „Wir sind noch zu keiner präzisen abschließenden Einigung gekommen, aber die Umrisse einer solchen Einigung und die Orientierungspunkte sind klar erkennbar.“ Wirtschaftsminister Gabriel nannte die Details: Im Onshore-Windenergie-Zubau wird in Norddeutschland nur noch ein bestimmter Prozentsatz in Abhängigkeit zur Netzentwicklung genehmigt. Schleswig-Holstein erzeugt derzeit fast dreimal so viel Strom, wie es selbst verbraucht. Alle zwei Jahre sollen Netz- und Anlagenausbau neu justiert werden.
In der Photovoltaik werden 600 MW ausgeschrieben. Weitere 750 MW Eigenstrom aufs Dachanlagen wird an den Ausschreibungen nicht teilmüssen brauchen.
Für Haseloff ist das Ergebnis aus zwei Bund-Länder-Runden klar: „Wir sind einen entscheidenden Schritt nach vorne gekommen.“
Biomasse
Aber selbst Bund und Länder wissen, dass sie bei der grundlastfähigen und speicherbaren Biomasse noch keinen Schritt weiter gekommen sind. Durch die aktuelle Deckelung gibt es keinen Zubau mehr. Da Altanlagen wegfallen, wird der Bestand spätestens ab 2025 wegbrechen. So weit liegen die Ziele bei der Biomasse nicht auseinander, als dass es keine Einigung geben könnte. Das größte Hindernis ist der Ausbaukorridor. Das Wirtschaftsministerium will einen jährlichen Zubau von 100 MW brutto, der Deutsche Bauernverband (DBV) zusammen mit dem Fachverband Biogas und dem Bundesverband Bioenergie (BBE) 100 MW netto, also mit voller Anrechnung der ausscheidenden Kapazitäten, und das Bundeslandwirtschaftsministerium von 400 MW brutto spricht. Ausgeschrieben werden soll nach Ansicht des BMWi die installierte Leistung, während der DBV die Jahresstrommenge vorzieht. Die Bagatellgrenze soll um 50 kW auf 150 kW Bemessungsleistung hochgesetzt werden, wenn mehr als 80 Prozent Gülle und Mist verarbeitet werden. „Auch wirtschafts- und sozialpolitische Aspekte sollten bei der Entscheidung für oder gegen bestimmte Ausbaukorridore nicht außer Acht gelassen werden“, mahnt Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des DBV. „Mit dem Betrieb von Bioenergieanlagen werden in Deutschland rund vier Milliarden Euro umgesetzt, die zum überwiegenden Teil in die regionalen Wirtschaftskreisläufe strukturschwacher, ländlicher Regionen fließen. Die Energieerzeugung aus Biomasse ist auch für die Landwirtschaft eine dringend benötigte wirtschaftliche Stütze.“ Gleichzeitig untermauern die Bioenergieverbände und der DBV ihre Forderung nach einer Anschlussregelung für die Verwendung von Altholz im EEG. „Altholzkraftwerke stellen kostengünstig Erneuerbaren Strom und Wärme bereit und reduzieren darüber hinaus die Entsorgungskosten, u. a. der deutschen Industrie, in erheblichem Maße. Es ist volkswirtschaftlich unvernünftig, sie pauschal von einer Anschlussregelung auszuschließen, ohne alternative Betriebsmodelle bzw. auch Lösungen für die Entsorgungsfunktion dieser Anlagen zu benennen“, unterstreicht Frank Scholl, Sprecher des Arbeitskreises Biomasseheizkraftwerke des Fachverband Holzenergie (FVH).
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt hat bei Sigmar Gabriel bezüglich der Biomasse sein Veto eingelegt.
Rettet die Energiewende
Zwischen 12:00 und 14:00 Uhr zieht heute ein breites Rettungsbündnis für die Energiewende durch Berlin und wird vor dem Brandenburger Tor seine Abschlusskundgebung veranstalten.
„Die jetzt als Orientierung vereinbarte Mindestausschreibungsmenge von brutto 2.800 MW ist bitter“, beklagt Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie, „gibt uns aber zumindest einen Planungshorizont. Das immer noch über eine zusätzliche Degression von fünf oder sogar 7,5 Prozent diskutiert wird, die in laufende Projekte einschneidet, ist unverständlich.“
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist skeptisch: "Der Beschluss würgt die Energiewende ab. 600 Megawatt können in Norddeutschland und Hessen nicht gebaut werden, trotz jahrelangem Planungsvorlauf. Umgekehrt sind Planungen in Süddeutschland nicht so weit fortgeschritten, um diesen Ausfall zu kompensieren. Ob das Ziel von 40-45 Prozent Erneuerbarem Strom bis 2025 erreicht wird, steht damit in Frage", so DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Eine Sektorkopplung in den Bereichen Mobilität und Wärme ließe einen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien auch ohne Netzausbau zu.
Die grünen Minister in Sachsen-Anhalt wehren sich gegen den Vorwurf, dass neue Energien die Netze verstopften. Es seien vielmehr Atom- und Braunkohlestrom. Das sieht auch der Bundesverband erneuerbare Energien (BBE) so: „Sehr kritisch sehen wir, wie der Netzentwicklungsplan instrumentalisiert wird. Wenn die konventionellen Kraftwerke die Netze weiter verstopfen, werden die Erneuerbaren wie zurzeit nicht nur abgeregelt, sondern ihr Ausbau künftig deutlich reduziert. Damit wird das Problem der hohen Überkapazität an unflexiblen Kohle- und Atomkraftwerken nicht gelöst, vielmehr werden diese kritischen Technologien zur Steuergröße der Energiewende. Millionen Anlagenbetreiber haben sich auf den gesetzlichen Einspeisevorrang verlassen, jetzt werden sie von der Bundesregierung aus dem Netz gedrängt. Für die Akzeptanz der Energiewende in den Regionen ist die Bürgerbeteiligung aber das wirksamste Mittel“, sagt BEE Geschäftsführer Hermann Falk.
Roland Krieg