Brexit: The Deal without a deal
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GB und EU verschieben die Irlandfrage
Von einem Brexit-Deal ist am Mittwoch die Rede. Der detaillierte Blick hingegen zeigt etwas anderes. Premierministerin Theresa May diskutiert einzeln mit ihren Abgeordneten über einen Entwurf, der rund 400 bis 600 Seiten umfasst. Nach Informationen der Tageszeitung The Guardian geht es dabei um drei noch ausstehende Kapitel. Die finanzielle Einigung Großbritanniens über das Scheidungsgeld mit der EU. Die Rechte von Briten in der EU und EU-Bürgern im Vereinten Königreich. Das wichtigste aber ist – und bleibt – die Grenze zwischen Nordirland und Irland. Das Karfreitagsabkommen ist für beide Seiten unantastbar. Es hat eine Wiedervereinigung herbeigeführt. Der Austritt Großbritanniens wird Nordirland einen anderen Status geben, als wenn Nordirland in der EU bleibt. May hatte unterstrichen, dass die Zollunion mit der EU einer der Gründe ist, aus der Union auszutreten. Wie also soll das Unmögliche auf der irischen Insel jetzt gelöst werden?
Die EU besteht auf einem so genannten „Backstop“, eine Rückfallversicherung, dass die harte und blutige Grenze zwischen den Iren nicht wieder entsteht. Dafür soll Nordirland sowohl in der Zollunion als auch im Binnenmarkt mit der EU bleiben. Das verschiebt eine Grenze in den Atlantik zwischen Nordirland und dem restlichen Königreich. Das haben die Briten bis jetzt kategorisch abgelehnt. Den Umkehrschluss, dass ganz Großbritannien in der EU-Zollunion verbleibt, lehnt die EU ab. Weil die Briten diese schließlich verlassen wollen.
Jetzt soll, vorausgesetzt das britische Parlament stimmt zu, Großbritannien auf den Protest gegen den „Backstop“ verzichten und die EU anerkennt die territoriale Unverletzlichkeit des gesamten Königreiches, inklusive Nordirland. Das würde spezifische Zollsätze für Nordirland notwendig machen.
Das wird nicht bis März 2019 geschehen, sondern erst nach der zweijährigen Übergangszeit im Jahr 2020 wirksam. Was das im Detail heißt, bleibt offen: Wenn der EU-Binnenmarkt für Nordirland gilt, wie sollen dann Verstöße gegen dessen Regeln geahndet werden? Oder wird Nordirland zur Hintertür für Großbritannien, wieder bequem in die EU einzusteigen?
Die Reaktionen sind sehr verhalten. Dr. Holger Bingmann, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA) sagt: „Nach der Einigung auf ein Brexit-Abkommen sind wir vorsichtig optimistisch, dass ein ungeordneter Austritt doch noch abgewendet werden kann. Allerdings bleibt eine gehörige Position Skepsis, da die Zustimmung im britischen Parlament keineswegs sicher ist. Denn dort sind die Parteien gespalten und die Fronten verhärtet.“
Der Brexit-Berichterstatter für die SPD, Markus Töns, will das Dokument genau prüfen, damit die Briten sich nicht nur die Rosinen aus der EU herauspicken. Weil die Unterstützung im britischen Parlament offen bleibt, sollen die Unternehmen weiterhin auf einen „harten Brexit“ vorbereiten.
Roland Krieg