BRICS: Mythos oder Macht?
Handel
BRICS: Mehr gemeinsam als gemeinschaftlich
In seiner Zeit als Vorsitzender von Goldman Sachs prägte Jim O´Neill bereits 2001 das Akronym BRIC. Brasilien, Russland, Indien und China galten ihm als wachsende Wirtschaftsländer mit globaler Bedeutung. Südafrika kam später dazu und der Club der Schwellenländer trifft sich mittlerweile einmal im Jahr zu einem BRICS-Forum.
Viele Pläne
Die Stimmung in Südafrika war in diesem Jahr nicht so
gut. Auch die Schwellenländer leiden unter der Finanzkrise. Sie wollen sich mit
einem Finanzfonds in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar gegen die
Notenbankpolitik des schnellen Geldes der USA vor Kursabstürzen absichern.
China wird 41 Milliarden US-Dollar beitragen, Russland, Indien und Brasilien
steuern jeweils 18 Milliarden US-Dollar bei. Ursprünglich sollte der
Sicherungsfonds 240 Milliarden umfassen. Auch der eigene Entwicklungsfonds, um
sich von Weltbank und IWF unabhängig zu machen, stockt. Es sollen einmal 50
Milliarden US-Dollar werden, aber die Realisierung ist noch weit entfernt.
Die Länder haben individuelle Probleme. Russlands
Reichtum hängt stark von den hochpreisigen Exporten von Öl und Gas ab.
Brasilien kämpft gegen soziale Unruhen und Kapitalflucht, Indien verliert
ebenfalls Kapital und muss steigende Rechnungen für Öl- und Kohleimporte
bezahlen. Südafrikas Wachstum nähert sich mit 0,9 Prozent dem afrikanischen
Durchschnitt. Der Dauerumbruchkandidat China will zur Aufrechterhaltung seines
hohen Wachstums von derzeit acht Prozent den Binnenkonsum fördern und muss
daher die Freiheit für Unternehmen vergrößern, um die Nachfrage auch mit Gütern
zu versorgen.
Dennoch. Die BRICS-Länder tragen 20 Prozent der
weltweiten Wirtschaftsleistung und werden 2035 so groß wie die G7-Länder sein.
2020 wird China die USA als größte Wirtschaftsnation überholen.
Das war Grund genug für die Konrad-Adenauer-Stiftung am
Mittwochabend in Berlin mit Vertretern aus den BRICS-Ländern zu diskutieren, ob
für Europa die Götterdämmerung einsetzen wird.
BRICS als geopolitisches Gegengewicht
Für Prof. Ruslan Grinberg, Direktor der Russian Academy
of Science in Moskau, haben die Länder zwar einiges gemeinsam, sind aber keine
Gemeinschaft. Die Hoffnung nach Ende des Kalten Kriegs auf eine multipolare
Welt habe sich nicht erfüllt. Der Zusammenschluss der BRICS-Länder sei eine
„sanfte Verringerung der Dominanz der westlichen Kultur“. Auch Catherine Grant
vom South African Institut of International Affairs in Johannesburg sieht die
BRICS-Länder mehr als strategische Partner, um dem Norden ein Gegengewicht zu
bieten. Brasilien kam offiziell erst 2008 und Südafrika erst 2011 hinzu. Die
Klammer BRICS müsse als evolutionärer Kontext verstanden werden, ergänzte Prof.
Brahma Chellaney vom Centre for Policy Research in New Delhi. Die Länder haben
den Transfer zu einer institutionellen Gemeinschaft erst noch vor sich. Sie
hatten sich noch nicht einmal auf einen gemeinsamen Kandidaten für die WTO
einigen können, beklagte der indische Politologe.
Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im
Europaparlament sieht in den BRICS auch nur den Zusammenschluss auf den
kleinsten gemeinsamen Nenner. Ähnlich wie Europa können sie bei internationalen
Verhandlungen mit einer Stimme sprechen. Darin liegt aber auch die Krux. Die
Länder verhalten sich opportun, so Brok. Mal tauchen sie als Industrieland, mal
als Entwicklungsland auf und können so ihre Interessen maximal schützen. Das
verhindere aber beispielsweise den Abschluss der Doha-Entwicklungsrunde.
Im Gegenteil nehmen die Länder ihre internationalen
Verpflichtungen im Bereich der Entwicklungshilfe oder bei sozioökonomischen
Partnerschaften nicht wahr, kritisierte Brok. Die EU hingegen stellt mit 60
Prozent den größten Teil der internationalen Finanzhilfe.
Warum BRICS-Land sein?
Wang Zhen, Programmleiter für China-Studien in
Shanghai, sieht mit BRICS nur eine gemeinsame Plattform, um gegenüber anderen
Regionen als gleichberechtigter Partner auftreten zu können. Die EU werde auch
künftig wichtigster Handelspartner bleiben und der Handel mit Russland und
China wegen der direkten Nachbarschaft eine eigene Dynamik gewinnen. Südafrika
und Brasilien sind zu weit weg.
Russland ist nach Grinberg noch immer auf der Suche
nach sich selbst. Das Land hat einen Wandel von der Supermacht zu Regionalmacht
vollzogen und dabei eine doppelte Niederlage erlitten. Das Land stürzte nach
dem Irrtum eines harmonischen Sozialismus in den Irrtum der freien
Marktwirtschaft und hat noch immer große Aufgaben für die Bewältigung der
heimischen Entwicklung vor sich. Dennoch kann Russland eine wichtige Rolle
spielen. Derzeit werde an Plänen für eine High-Speed-Eisenbahnstrecke zwischen
Südkorea und Lissabon gearbeitet. Russland kann eine Brückenfunktion zwischen
Europa und Asien einnehmen.
Für Südafrika ist die Teilnahme an den BRICS-Ländern
etwas Besonderes. So kann es als einzige afrikanische Stimme in großen Gremien
wie den G20-Ländern Afrika vertreten. Auch wenn sie es formal nicht tun, wie
Grant einschränkt. Die Afrikanische Union allerdings begrüßt die Teilnahme des
Landes als BRICS-Vertreter. Nach Südafrika komme international länger nichts.
Nigeria hat das zweitgrößte Bruttosozialprodukt in Afrika, will sich aber vor
der internationalen Bühne zunächst noch auf die eigene und Entwicklung
innerhalb der Region konzentrieren.
Brasilien kann seine Stimme über den BRICS-Status
einbringen, sieht sich aber nach Prof. Robert Fendt vom Brazilian Center for
International Relations in Rio de Janeiro, zunehmender Isolation ausgesetzt.
Die meisten lateinamerikanischen Länder haben bereits Freihandelsabkommen mit
Europa oder Nordamerika und Kanada abgeschlossen. Jetzt verhandeln die USA auch
noch mit der EU über das größte der Welt. Brasilien würde gerne ein eigenes mit
der EU abschließen, denn die Europäer gehören zu Geschichte des Landes dazu.
Doch das geht offenbar nur über den Mercosur. Und die Verhandlungen stocken
derzeit.
Brasilien versuchte in den 1950er und 1960er Jahren
alles selbst herzustellen. Die Großindustrie falle aber zurück. Für Prof. Fendt
kann Brasilien seine komparativen Kostenvorteile bei Rohstoffen und in der
Landwirtschaft ausspielen und investiere derzeit in moderne Landtechnik. Den
Weg zurück in die Rohstoffproduktion sieht Elmar Brok für die Entwicklung des
Landes aber skeptisch.
Die Zukunft
Die BRICS-Länder haben eine weitere Transformation vor
sich. Bis sie auch institutionell eine Gemeinschaft sind dauert es noch. Sie
haben sich jetzt erst einmal ein neues Logo und eine neue Webseite gegönnt.
Auch als Gegengewicht zum Norden wollen sie auf den Handel mit der EU nicht
verzichten, sondern wissen ihn sogar zu schätzen. Elmar Brok sieht das
entspannt. Wenn in ein bis zwei Jahren die Finanzkrise überwunden ist, dann sei
die EU so wettbewerbsfähig aufgestellt, dass sie auch den BRICS im Wettbewerb
widerstehen kann. Wer Player auf der Bühne der Weltwirtschaft sein will, der
müsse wirtschaftlich erfolgreich sein, so Brok.
Eines ist aber auch klar: Bei allen globalen
Herausforderungen wie Ernährungssicherrung und Klimawandel führt kein Weg an
den BRICS vorbei.
Lesestoff:
www.bricsforum.org und www.bricsforum.com
Roland Krieg