Bündnis Wirtschaft und Außenpolitik
Handel
Außenwirtschaftstag des Agrargewerbes
Erstmals nahm Jürgen Abraham nach acht Vorsitzjahren als frisch gekürter Ehrenvorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) am Außenwirtschaftstag in Berlin teil. Der kaum mehr wachsende Binnenmarkt zwingt die Agrar- und Ernährungsbranche ins Ausland zu gehen. Von den 170 Milliarden Euro Umsatz wurden 70 Prozent im Export verdient. Nach Abraham gründet dieser Erfolg auf der konzertierten Aktion von Wirtschaft und Politik.
„Ökonomisierung der Außenpolitik“
Die „Ökonomisierung der Außenpolitik“ ist nach Außenminister Dr. Guido Westerwelle auch kein Gegensatz mehr, sondern wird von anderen Ländern längst vorgelebt. Westerwelle lobt die deutschen Firmen, die zu Beginn der Globalisierung früh ihre Produktionsstätten ins Ausland verlagert haben. Dadurch haben sie ein Netz von Präsenz aufgebaut, von der die Exportwirtschaft heute profitiert. Neben den großen Firmen sollen mit Hilfe der verschiedenen Förderprogramme auch die Klein- und Mittelständischen Unternehmen von den Auslandsmärkten profitieren.
Westerwelle hegt kurz nach seiner Amerikareise große Hoffnungen auf den Besuch des US-Präsidenten in zwei Wochen. Barack Obama wird vermutlich dem transatlantischen Freihandelsabkommen entscheidenden Schwung geben. Westerwelle will nicht nur die Sorgen, sondern vielmehr die Chancen eines Abkommens betrachten. Die Europäer können mit den USA gemeinsam die Standards für den Welthandel setzen: „Sonst setzen ihn die andern!“. Es werden aber schwere und komplizierte Verhandlungen, räumt Westerwelle ein.
Ilse Aigner, Bundesministerin für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz, teilt den Erfolg des Agraraußenhandels. Das BMELV habe die Lücke zu schließen versucht, die von der CMA hinterlassen wurde. In den letzten zehn Jahren habe sich der Export verdoppelt und ist auf Promotionskampagnen und Messeauftritte zurückzuführen. Das BMELV arbeitet an einem eigenen Netz und hat mittlerweile mehr als 250 Kooperationen begleitend in den Drittstaaten aufgebaut. In Äthiopien beispielsweise ist eine Ausbildungsstätte für die Landwirtschaft erstanden.
Erfolg nicht beschneiden
Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Schmitz, Direktor des Instituts für Agrarpolitik und Marktforschung an der Justus-Liebig-Universität Gießen, warnt, die guten Chancen für den Agrarexport zu schmälern. Der habe zusammen mit Marktorientierung in der Gesellschaft bereits ein schlechtes Image. Dort steht eine Umverteilung im Vordergrund, wie die Forderung nach einem fairen Milchpreis. Eine Umverteilung über den Preis habe jedoch noch nie funktioniert. Dazu seien Einkommenssteuer- und Sozialpolitik zuständig. Außerdem stehen mit den Schwellenländern neue Spieler auf dem Weltmarkt.
Wer nur an Hähnchenfleisch nach Westafrika denkt, liegt falsch. Für den Agrarökonom spielen neben dem Güteraustausch, auch Dienstleistungen, länderübergreifende Betriebsmittel, Auslandsinvestitionen und Arbeitsteilung eine Rolle. Das sind Resultate aus einer Rückführung der europäischen Marktordnung und stockender Binnenmärkte. Die Firmen unterscheiden sich von den inlandsorientierten durch eine größere Betriebsstruktur, höherer Produktivität und geringerem Eigenkapitalanteil.
Die Handelsgeschichte Deutschlands zeige, dass großzügige Sozialpolitik erst durch den internationalisierten Handel entstanden sei. Mit Blick auf Afrika, führten Politiken, die zuerst die Sozialpolitik in den Vordergrund stellen, zu schwächeren Wirtschaftsleistungen. Nachhaltigkeit ist für Prof. Schmitz kein Ausschlusskriterium, aber oftmals fehlten Messwerte, Regelungen und Instrumente für die Umsetzung.
Mit Blick auf die Gemeinsame Agrarpolitik sieht der Ökonom Licht und Schatten für den Export. Positiv sind die Rückführung der Preisstützung, die Entkoppelung der Agrargelder von der Produktionsmenge, die Rückführung der Exporterstattung, die zweite Säule und die Aufgabe der Milchquote. Gefährlich für die Exportleistung sind Ausnahmen für erlaubte Koppelungen von Zahlungen, Degression und Kappung, Greening im Sinne einer Flächenstilllegung, Extensivierungsprogramme, das Vermischen der beiden Säulen und der Anstieg von Kontrollen und Bürokratie.
Wirtschaft braucht Förderung
Zum Außenwirtschaftstag hat die German Export Association for Food and Agriculture (GEFA) ein Bekenntnis der politischen Parteien zur Fortsetzung der Exportförderung eingefordert. Russlands Handelsbeschränkungen zeigen, dass Agrarexporte keine Selbstläufer sind. Der demografische Wandel und Produktivitätssteigerungen werden Auslandsmärke als vollwertigen Ersatz für den Binnenmarkt etablieren. Eine politische Flankierung sei aber notwendig. „Deshalb setzt die in der GEFA vertretene Wirtschaft auch weiterhin auf die notwendige politische Unterstützung ihrer Exportaktivitäten. Vor allem die politische Fürsprache bei der Öffnung schwieriger Drittlandsmärkte ist für die Wirtschaft unersetzbar“, erklärte GEFA-Sprecher Dr. Franz-Georg von Busse.
Zahlen und Erwartungen
Die starken Ausfuhren deutscher Agrarprodukte und Lebensmittel haben sich auch im 1. Quartal 2013 fortgesetzt. Das Export-Volumen erreichte mit 15,6 Mrd. Euro einen neuen Quartals-Höchstwert und war damit 3,5 % größer als im Vorjahresquartal. Bereits 2012 hatte die überwiegend mittelständische deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft für das Gesamtjahr mit 62,7 Mrd. Euro (+ 5,2 %) einen neuen Spitzenwert eingefahren. Addiert man die Exportgeschäfte der deutschen Landtechnik mit gut 5,5 Mrd. Euro noch dazu, erreichte das deutsche Agribusiness im vergangenen Jahr die stolze Exportsumme von fast 70 Mrd. Euro.
Nach dem aktuellen Exportbarometer von der BVE und PwC überwiegt die Eigenregie im Exportgeschäft. 62 Prozent der exportierenden Firmen bewerkstelligen den Verkauf in EU selbst, 53 Prozent für die Drittlandsmärkte. Der zweitwichtigste Weg sind Importeure und Zwischenhändler, gefolgt von Kooperationen. Nur die wenigsten haben Tochtergesellschaften im Ausland.
Die aktuelle Geschäftslage in den Auslandsmärkten beurteilen die Unternehmen der Ernährungsindustrie insgesamt ähnlich positiv wie im Dezember 2012. Der Saldo der positiven und negativen Einschätzungen beträgt nunmehr + 46 % Punkte (+ 2 Prozentpunkte gegenüber Dezember 2012).
Mit Blick auf die Branchen zeigt sich ein differenzierteres Bild: Während sich die Exportstimmung bei Feinkost/Fertiggerichten (Saldo: + 73 % Punkte), Obst und Gemüse (+ 68 % Punkte), Süßwaren (+ 60 % Punkte) und Molkereiprodukten (+ 57 % Punkte) sehr positiv entwickelt, leidet die Fleischbranche (- 16 % Punkte) unter sich ausweitenden nicht-tarifären Handelshemmnissen und zunehmend bürokratischen Einfuhrverfahren.
Die Geschäftserwartung für die kommenden sechs Monate beurteilen die Exporteure mit einem Saldo von + 37 % Punkten ebenfalls positiv und besser als im Dezember 2012 (+ 13 Prozentpunkte gegenüber Dezember 2012). Optimismus zeigt sich vor allem beim Export von Bier (+ 58 % Punkte), alkoholfreien Getränken (+ 53 % Punkte) und Feinkost/Fertiggerichten (+ 51 % Punkte).
Aus der positiven Entwicklung der beiden Indikatoren resultiert auch eine Verbesserung des Exportklimas, das auf + 41 % Punkte steigt (+ 7 % Prozentpunkte gegenüber Dezember 2012). Spitzenreiter sind Feinkost/Fertiggerichte (+ 62 % Punkte), Bier (+ 54 % Punkte) sowie Süßwaren und Molkereiprodukte (je + 51 % Punkte).
EU bleibt Hauptmarkt
Auf die Europäische Union entfallen 77 % der deutschen Lebensmittelexporte. Als wichtigste Absatzmärkte für die Exporte der deutschen Ernährungsindustrie haben sich hier Frankreich (40 % der Nennungen unter den Top-3), Österreich (31 %), die Niederlande (29 %), Italien (28 %) und Großbritannien (21 %) etabliert.
Das Exportgeschäft im EU-Binnenmarkt stagniert jedoch aufgrund fehlender Wachstumsimpulse. Im Vergleich zur Befragung im Dezember 2012 haben allein Österreich (+ 6 % Prozentpunkte) und Frankreich (+ 2 % Prozentpunkte) leicht an Bedeutung gewonnen. Die Niederlande (- 11 % Prozentpunkte) haben hingegen wieder an Bedeutung verloren.
Lesestoff:
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Roland Krieg