Bürger präferieren Energieeffizienz
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Verbraucherakzeptanz der Energietechnologien
Schnell ist die Freude über die grüne Energie vorbei, dreht sich das Windkraft jenseits des Gartenzauns, fährt täglich ein Lkw mit Mais zur Biogasanlage oder soll eine der neuen Netztrassen über das eigene Grundstück führen. Kaum hat nach langem Streit der Vermittlungsausschuss des Bundesrates in der letzten Woche einen Kompromiss zur CCS-Technologie gefunden, teilt das Energiewendeministerium in Schleswig-Holstein gleich mit, es wird sie verbieten. Welche Technologien akzeptieren die Verbraucher bei der Energiewende?
Die am Dienstag in Berlin vorgestellte Studie des Interdisziplinären Forschungsschwerpunkts Risiko der Universität Stuttgart (ZIRN) hat für die Technologien der Stromproduktion Antworten gefunden. 15 Fokusgruppen haben 130 Bürger aller gesellschaftlichen Gruppen zu ihrer Wahrnehmung verschiedener Energietechnologien befragt.
Bürger nah an wissenschaftlichen Präferenzen
Am ehesten wollen die Bürger die Energiewende durch Energieeffizienz erreichen. Dicht danach folgt der Einsatz erneuerbarer Energien, bei denen die Offshore-Windanlagen am beliebtesten sind. Biomasseanlagen schneiden am schlechtesten ab. Bei der fossilen Technologie würden sie am liebsten Gaskraftwerke betreiben, Kernkraft und fossile Kohlekraftwerke bilden das Schlusslicht der Akzeptanzliste.
In einem speziellen Studiendesign der klassischen Fokusgruppe diskutierten Gruppen nach Studium von Informationsmaterial unter einem Moderator. Zum Vergleich wurde die Studie in den USA im Bundesstaat Pennsylvania durchgeführt.
In Deutschland zeigte sich, dass die Präferenzen nach Art des Energieträgers geordnet ist. Ganz oben stehen die erneuerbaren Energien, es folgen die fossilen Energieträger und die Atomkraft bildet das Schlusslicht. Die Energieeffizienz steht auch in den USA ganz oben auf der Wunschliste, es folgt aber die Atomenergie als zweitbedeutendster Träger der Wende.
Die deutschen Bürger favorisieren mit Offshore-Windkraft und Solarthermiekraftwerken Technologien mit großangelegten Strukturen an fernen Standorten, wie das Desertec-Projekt in Nordafrika. Nach Scheer zeigt sich darin der Wunsch, die negativen Aspekte der Energiegewinnung in möglichst fernen Regionen zu gestalten – jedenfalls nicht am eigenen Gartenzaun.Eine Ausnahme gibt es: Onshore-Windkraftanlagen und Photovoltaik sind so positiv besetzt, dass sie auch dezentral in der Nachbarschaft aufgebaut werden dürften.
Kohle passt nicht zum Klima
Der Präferenzvergleich vor und nach der Gruppen-Diskussion über die Technologien zeigt einen bemerkenswerten Aspekt. Die Akzeptanz bei allen Technologien ist leicht angestiegen, doch bei den Kohlekraftwerken sank sie deutlich. Kohle passt nicht zum Klimawandel. Und zwar eindeutig wegen der CCS-Technologie. Mangelndes Vertrauen in Politik und Unternehmen, Ineffizienz, Grundstückswertverlust, Leckagen und hohe Kosten führen zu einer überwiegenden Ablehnung der Technologie zum Auffangen und Speichern des Kohlendioxids. Ohne CCS-Technologie hat die Kohle keine Klimazukunft.
Ein ähnliches Bild ergibt auch die Frage nach den Energiemixen. Kombinationen mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien haben die meiste Akzeptanz – mit Kompromissbereitschaft: „Bei einem klar erkennbaren und ambitionierten Umbau des Strommixes in Richtung erneuerbarer Energien waren viele Befragte bereit, als Übergang und in geringeren Anteilen auch ungeliebte Technologien wie die Kernenergie oder die CO2-Abscheidung und –Speicherung (CCS-Technologie) zu akzeptieren“, fasst Projektleiter Dirk Scheer zusammen.
Wolfgang Konrad vom ZIRN stellte die insgesamt sieben Energiemixe vor, zwischen denen die Befragten wählen könnten. Die Akzeptanz stieg immer, sobald ein großer Anteil an erneuerbaren Energien dabei ist. Sobald das Atom eine Rolle spielen soll, sinkt die Akzeptanz, was wiederum im Gegensatz zu den amerikanischen Ergebnissen steht.
Die erneuerbaren Energien haben ihre „Fans“ bei der jungen und bildungshöheren Bevölkerung. Bis auf Biomasse haben die regenerativen Energien ein durchweg positives Image.
Wissensdefizite
Die Studie hat auch hervorgebracht, dass Wissensdefizite bestehen. Vor allem bei Gaskraftwerken, der CCS-Technologien und der Biomasse im Zusammenhang mit der Teller-Tank-Diskussion verhindern Wissenslücken abschließende Bewertungen.
Ohne Bevölkerung geht es nicht
Die zahlreichen Bürgerinitiativen sind Zeichen, dass die Energiewende ohne die Bürger nicht zu realisieren ist. Deswegen hat die Stiftung Mercartor die Studie mit 360.000 Euro unterstützt. Wichtig ist es „vorab zu erforschen, welche Maßnahmen in welcher Kombination bei den Menschen auf Zustimmung und welche auf Ablehnung stoßen und aus welchen Gründen das erfolgt“, erläuterte Bernhard Lorenz, Geschäftsführer der Stiftung.
Das Ergebnis ist auch ein Spiegelbild der Bevölkerung, was ihr am wichtigsten ist. Nach Prof. Ortwin Renn, Forschungsleiter an der Universität Stuttgart „erstrecken sich die Einstellungsmuster dabei auf eine heterogene Mischung von leistungs-, konsum-, natur- und lebensqualitätsbezogenen Werten.“ Entscheider und Technologieentwickler müssten die Ergebnisse der Studie im Blick behalten und sollten sich nicht nur auf die technologische Machbarkeit verlassen.
Empfehlungen an die Politik
Die Studie bestätigt für Dr. Lars Grotewold von der Stiftung Mercator zwei Irrtümer der Energiewende: Zum einen reicht ein Grundkonsens nicht aus, nach dem „der Rest“ von alleine geht und die Energiewende verläuft nicht ohne Konflikte.
Die Präferenzen der Bürger liegen gar nicht so weit von den Wissenschaftsempfehlungen entfernt. Energie sparen lautet immer das Credo, der Umweltrat hat ein Sondergutachten „100 Prozent Windstrom“ geschrieben und Gaskraftwerke gelten als die klimatisch günstigste Brückentechnologie. Demgegenüber schaltet die Politik Marktanreizprogramme für den Wärmemarkt mal an und mal aus, das EEG befindet sich in einer Dauernovellierung.
Aber so ganz stimmt das nicht, erläuterte Dirk Scheer gegenüber Herd-und-Hof.de. Auch die Wissenschaft präferiert verschiedene Wende-Strategien. Das Informationsmaterial für die Befragten wurde auf Neutralität hin geprüft, so dass die Ergebnisse durchaus das eigene Bild der Gruppen widergibt.
Leitlinien für Entscheider sind geplant, so Scheer weiter. Zunächst einmal sollen die Ergebnisse in englischsprachigen Fachzeitschriften veröffentlicht werden, in etwa sechs Monaten wird ein Fachbuch erscheinen und Ergebnisse werden dann auch für die Politik ausgekoppelt.
Roland Krieg