Bund distanziert sich von Homann

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Wie schnell fährt der Klimaschutzzug?

Ist der Klimaschutzzug, der über Lima nach Paris fährt, ein Bummelzug oder ein ICE? Oder hat ein Wirtschaftsstreik die Bahngeleise gerade leergefegt? Bündnis 90/Die Grünen hatten nach dem IPCC-Bericht im Bundestag eine aktuelle Stunde zum Thema beantragt, die vor allem fragte, wie viel Geduld verträgt der Klimawandel?

Bund vs. Homann

Jochen Homann von der Bundesnetzagentur hat diese Woche in einer Diskussion mit dem Berliner Tagesspiegel die Klimaschutzziele 2020 in Frage gestellt. Die Reduktion der Treibhausgase um 40 Prozent bis 2020 sei nicht realistisch. Fünf Jahre später sei ausreichend [1]. Im Bundestag haben sich alle Redner der Regierungskoalition von Homanns Zweifel deutlich distanziert. Die Opposition argwöhnte, Homann sei vorgeschickt, dieses Alternativziel zu testen.

„Wir haben noch ein wenig Zeit“, sagte dennoch Umweltministerin Barbara Hendricks von der SPD. Es solle aber „entschlossen und schnell“ eine Klimaschutzpolitik umgesetzt werden. Das habe auch der IPCC-Bericht gezeigt [2], der, so für Anja Weißgerber (CDU/CSU), keine neuen Erkenntnisse hervorgebracht habe, sondern nur eine Zusammenfassung. Während Weißgerber beklagte, dass alle zwei Wochen über das Klimathema diskutiert werde, obwohl es kaum Neues gibt und die Bundesregierung an einem Klimaaktionspaket arbeite, fokussierte Hendricks das Thema auf den 03. Dezember. Da soll im Bundeskabinett eben dieser Plan verabschiedet werden. Es habe sich bereits viel bewegt und aktuell liege der Anteil der neuen Energien mit 28,5 Prozent sogar schon vor dem aus der Kohleverstromung. Die Bundesregierung werde mit ihrem Klimapaket auf den EU-Klimazielen bis 2030 aufsetzen [3]. Das sei „ein großer Erfolg der Bundeskanzlerin“ gewesen, erklärte Hendricks. Die EU könne in Lima und Paris sogar noch nachlegen, wenn andere Länder ebenso ambitionierte Klimaziele auflegten. Die Welt schaue noch immer auf Deutschland als Vorreiter für die Energiewende.

„Die EU müsse 900 Millionen Zertifikate aus dem Emissionshandel sofort in die Stabilitätsreserve überführen!“. Damit soll der ETS schon ab 2017 wieder funktionstüchtig gemacht werden. Außerdem sagte Hendricks: „Den Satz „Klimaschutz schade der Wirtschaft“ haben wir längst in die Märchenstunde verbannt.“ Im ganzen Land werden Windräder und Solaranlagen gebaut, Häuser nach energetischen Maßnahmen geplant. Die Zeit bis Paris bezeichnete die Umweltpolitikerin als „entscheidende Phase der Klimaschutzpolitik“.

Das wird nicht einfach. Die bisherigen Klimakonferenzen sind „zäh und schwierig“ verlaufen, erinnert Thomas Gebhart (CDU/CSU). Daraus dürfe aber nicht die Konsequenz gezezogen werden, sich nicht mehr um das Klima zu kümmern. „Es geht um die richtige Balance“ zwischen ökologischen, sozialen und ökonomischen Kriterien.

Nationale Egoismen durchbrechen

Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn sind Kohleländer, die den EU-Kompromiss bis zuletzt gefährdeten. Solche nationalen Egoismen müssen durchbrochen werden, forderte Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen). Deutschland sei seit Kohl über rot-grün und der ersten großen Koalition Vorreiter beim globalen Klimaschutz gewesen; doch jetzt „geht es bergab“. Die Treibhausgasreduktion werde bis 2020 verfehlt, im Wärmebereich gehe es nur in Tippelschritten weiter und der Verkehrssektor sei ganz vernachlässigt, kritisierte Krischer. „Das dreckige Dutzend der Kohlekraftwerke aus den 1960er Jahren müsse abgeschaltet werden“. Krischer erwartet klare Maßnahmen am 03. Dezember: „Begreifen sie den Klimaschutz als Chance, schwarze Zahlen zu schreiben.“

Vorbild Dänemark

Nach dem EU-Ministerrat hat Dänemark für sich entschieden, aus dem Kohlestrom auszusteigen. Die Beschlüsse gingen ihnen nicht weit genug. Auch Schweden ändert seine Politik, weswegen Vattenfall seine Braunkohleförderungen veräußern will. Eva Bulling-Schröter (Die Linke) hat sich ein ähnlich deutliches Signal von der Bundesregierung gewünscht. Doch zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium, zwischen Bund und Ländern, zwischen Berlin und Brüssel zeige jeder mit dem Finger auf den anderen, ein Bremser zu sein.

Sorgenkind Brandenburg

Das hat Brandenburg voll erwischt. Der Braunkohlebergbau in der Lausitz wird nicht von heute auf morgen verkauft werden können. Dieses Monitoring wird das Land Brandenburg aber noch viel beschäftigen. rbb Aktuell berichtete [4], dass mit dem tschechischen Energiekonzern EP Energy bereits ein Interessent vorhanden sei. In der Lausitz hängen mehr als 8.000 Arbeitsplätze an der Kohle. Selbst ein Einstieg des Landes in die Braunkohleförderung scheint nicht ausgeschlossen. Ministerpräsident Woidke hat sich dazu nicht geäußert; die Grünenpolitikerin Annalena Baerbock aus Brandenburg bezeichnete im Bundestagplenum diese Option als „absurd“.

Rettet TTIP das Klima?

Für die einen ist die Klimaschutzpolitik nicht schnell genug, die anderen sehen sich im Fahrplan. Matthias Miersch von der SPD hält ein Jahr Vorlauf bis zum 03. Dezember für eine neue Regierung für „recht und billig“. Anschließend schaue dann das Parlament auf die Vorlage: „Hochflexible Gaskraftwerke müssten vom Netz, während alte „Kohlemöhren“ weiterlaufen. Das kann nicht sein.“

Für Koalitionskollege Matern von Marschall (CDU/CSU) bietet das Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU die Möglichkeit, den Wettbewerb im Bereich der Umwelttechnologien sogar noch zu befeuern. Die Amerikaner haben im Umweltbereich auch einiges vorzuweisen: So baut Kalifornien bis 2020 ein Tankstellennetz für Wasserstoffkraftfahrzeuge auf.

Demnächst im transatlantischen „Binnenmarkt“.

Lesestoff:

[1] Tagesspiegel 05.11.14

[2] IPCC-Synthesebericht

[3] EU-Ministerrat legt Klimaziele bis 2030 fest

[4] rbb Aktuell 03.11.14

Roland Krieg

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